Copyright größtes Problem der Informationsgesellschaft

Der Direktor der Bibliothek von Alexandria empfahl auf einer Konferenz zur Rolle der Wissenschaft in der Informationsgesellschaft freien Zugang zu Archivbeständen von Magazinen und aktuellen Zeitschriftenartikeln für große Bibliotheken.

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Von
  • Monika Ermert

Nicht Geld oder fehlende Infrastrukturen sind das Hauptproblem der Wissensgesellschaft, sagte auf einer Konferenz zur Rolle der Wissenschaft in der Informationsgesellschaft (RSIS) der Direktor der Bibliothek von Alexandria, Ismail Serageldin. "Copyright ist das größte Problem, vor dem wir stehen." Die Konferenz stellt den Auftakt zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft dar, der offiziell am Mittwoch beginnt.

Serageldin empfahl dringend freien Zugang zu Archivbeständen von Magazinen und aktuellen Zeitschriftenartikeln für große Bibliotheken. Entwicklungsländern sollten elektronische Basis-Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden und es sollte dringend über Alternativen zum Copyright nachgedacht werden. Große Hubs in den Entwicklungsländern sollten digitale Information von Forschungsinstitutionen in aller Welt vorhalten. Die Kosten für Konnetivität müssten deutlich gesenkt werden.

Die neue Bibliothek von Alexandria, Nachfolger der legendären Bibliothek aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, versteht sich als Fenster in der und auf die arabische Welt. Bewahrt wird auch das digitale Gedächtnis, die flüchtigen Seiten im Web und auch Vorlesungen großer historischer und zeitgenössischer Wissenschaftler in Wort und Bild, um sie frei elektronisch zur Verfügung zu stellen. Als neustes Projekt stellte Serageldin das "Loch in der Wand" vor, eine Art Straßenterminal für Kinder ohne Chancen auf Internetzugang.

Ohne freien Zugang zur Information könnte man dringend notwendige Bildungsaufgaben nicht wahrnehmen. Armut, so Lidia Brito, Bildungsministerin aus Mozambique, resultiere aber zum Großteil genau aus einem Mangel an Bildung. Die "Priorisierung von Wissen durch Systeme des Geistigen Eigentums" zu Gunsten des Nordens schade den Entwicklungsländern enorm, sagte Fidel Castro Diaz-Balart von der kubanischen Akademie der Wissenschaften.

Von einer regelrechten "Krise von Kultur und Wissenschaft im Zeitalter des Netzes" sprach Jürgen Renn von der Max-Planck-Gesellschaft. Die Kosten für die Wiederbeschaffung des vorhandenen oder sogar selbst produzierten und dann nicht mehr zugänglichen Wissens belege überdeutlich, dass die Möglichkeiten des Web nicht ausgenutzt würden. Die Verbreitung von Wissen im Web sei so kostengünstig, dass es auch keinen Grund mehr gebe, das Informationshinterland von den Quellen auszuschließen. Anstelle des Big-Player-Modells großer Verlage, warb Renn für die Initiative European Cultural Heritage Online (Echo). Ganz sicher seien die Copyrightfristen heute zu lange, bestätigte auch Edventure-Chefin Esther Dyson in einer anschließenden Pressekonferenz. "Man muss mit seinen Inhalt zehn Jahre Geld verdienen. Wenn man dann nicht genug verdient hat, sollte man es vergessen."

Die bereits seit vergangener Woche erneut in Genf versammelten Regierungsvertreter hatten heute die Gelegenheit, noch einmal zu verpusten, über die von den Wissenschaftlern erhobenen Empfehlungen nachzudenken oder in bilateralen Gesprächen noch einmal alles für den noch wackelnden Kompromiss über die Abschlusserklärung zu tun, bei dem es nun vor allem noch ums Geld geht. Morgen wird aller Voraussicht nach wieder bis in die späte Nacht getagt.

Abgeschlossen haben dagegen heute die Vertreter der internationalen Zivilgesellschaft ihre alternative Abschlusserklärung. Diese warnt nicht zuletzt deutlich vor einer Garantie von Monopolansprüchen auf Wissen. Auch aus der offiziellen Regierungserklärungen sind -- trotz sanfterer Worte gegenüber Rechteinhabern -- die Referenzen auf WIPO und Trips-Verträge herausgefallen. Doch ob darüber schon das letzte Wort gesprochen ist, wird sich erst morgen zeigen. (Monika Ermert) / (anw)