Softroboter im menschlichen Kopf kartiert Hirnaktivität

Ein kleiner Softroboter könnte das Messen von Gehirnaktivitäten schonender für den Patienten gestalten. An einem Mini-Schwein wurde es bereits ausprobiert.

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Der Roboter entfaltet seine Sensorbeine in einem Schädelmodell.

(Bild: Sukho Song)

Lesezeit: 3 Min.

Ein Forschungsteam des Swiss Federal Institute of Technology hat einen weichen Roboter mit Sensorbeinen entwickelt, der im menschlichen Schädel Hirnaktivitäten kartieren kann. Die Forscher wollen damit das Risiko, etwa von Patienten mit Epilepsie und anderen neurologischen Störungen, minimieren, das das herkömmliche Verfahren zur Hirnkartierung mit sich bringt. Das Verfahren wurde bislang nur am Schwein erprobt.

Die Elektrokortikografie (EKoG) wird häufig zur Kartierung epileptogener Hirnregionen eingesetzt. Zusätzlich kommt das Verfahren zum Einsatz, wenn Läsionen des Gehirns chirurgisch entfernt werden müssen. Auch bei Forschungen an Anwendungen zur Schnittstelle zwischen Hirn und Maschine wird EKoG eingesetzt. Dazu werden herkömmlicherweise Elektroden auf das Gehirn aufgebracht, mit erheblichen Risiken für die Patienten. Denn das in den Schädel zu schneidende Loch muss in der gleichen Größe angelegt werden wie die Sensorfläche. Entsprechend kann nur ein kleiner Bereich der kortikalen Oberfläche bei zugleich geringer räumlicher Auflösung abgedeckt werden, schreiben die Forscher in der Studie "Deployment of an electrocorticography system with a soft robotic actuator", die in Science Robotics veröffentlicht ist.

Das Konzept des Softroboters sieht das Bohren eines etwa ein Quadratzentimeter großen Loches in den menschlichen Schädel vor. Darin wird der rund 2 cm lange Roboter eingeführt. Seine bis zu sechs Beine bestehen aus einem flexiblen Silikonpolymer und sind zusammengefaltet. Sie winden sich spiralförmig um den Körper und decken bei vollständiger Entfaltung eine Fläche mit einem Durchmesser von 4 cm ab. In jedem Bein sind Elektroden zur Überwachung der Hirnaktivität sowie Dehnungssensoren zur Überwachung des Einsatzes untergebracht. Sie liefern etwa den Zeitpunkt zurück, zu dem die Beine komplett ausgefahren sind.

Die Beine sind zunächst ähnlich wie ein Ärmel, der zurückgeschoben ist, zusammengefaltet. Sobald der Roboter in den Schädel eingebracht worden ist, werden sie mit einer Flüssigkeit gefüllt und entfalten sich. Dabei erfolgt das Auffalten für das Gehirn schonend, da wenig Druck ausgeübt wird.

In dem bisherigen Prototyp habe die Beinlänge noch nicht ihre endgültige Dimension erreicht. Die Forschenden gehen davon aus, dass sie auf 8 bis 10 cm ausgeweitet werden kann. Dementsprechend groß wäre dann das durch sie aufgezogene Sensorfeld. Das Loch im Schädel müsste dafür nicht vergrößert werden, schreiben die Wissenschaftler. Zur Entnahme wird die Flüssigkeit in den Beinen abgelassen und der Roboter aus dem Loch im Schädel entfernt.

Getestet haben die Forscher den Roboter zunächst an einem Modell eines menschlichen Gehirns aus Kunststoff und Hydrogel. Außerdem musste ein Göttinger Minischwein für einen Testeingriff herhalten. Dem Tier wurde ein einzelnes, 15 mm langes Roboterbein mit der Sensorik implantiert. Mithilfe der Elektroden konnte die Gehirnaktivität des Mini-Pigs aufgezeichnet werden. Das Tier wurde dazu an der Schnauze elektrisch stimuliert.

Die Forscher sind sich sicher, dass das von ihnen entwickelte Verfahren eine schonende Variante der EKoG ist und die Zeit für Eingriffe im Operationssaal verkürzen kann. Um das Verfahren am Menschen zu testen, kommerziell weiterzuentwickeln und anwenden zu können, haben die Forschenden das Start-up Nurosoft Bioelectronics ins Leben gerufen.

(olb)