Netz-Zensur im Iran: Kulturelle Vorbehalte

"Westliche Länder erlauben Faschisten und Nazis auch nicht, ihre Ideen zu verbreiten", verteidigte der iranische Präsident die Internet-Politik des Landes.

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Von
  • Monika Ermert

Kulturelle Vorbehalte nannte der iranische Präsident Mohammad Khatami als Grund für Einschränkungen der Publikationsfreiheit im Internet. Khatami, der am Rande des UN-Weltgipfels für die Informationsgesellschaft (WSIS) erstmalig mit dem ägyptischen Premierminister zusammentraf, stellte sich fast eine Stunde lang unter strengen Sicherheitsvorkehrungen den Fragen westlicher Journalisten. Zum Beginn des Gipfels hatte der iranische Blogbetreiber Hossein Derakhshan vor einer Ausweitung der Netzzensur im Iran gewarnt. In der Pressekonferenz wurden auch Derakhshans Fragen an Khatami gerichtet.

"Es gibt kein Land in der dritten Welt, das sein Netz so ausgebaut hat wie der Iran", sagte Khatami. Selbstverständlich würden weder Voice of America noch die BBC gefiltert. Weblogs, Nachrichtenseiten, "sogar oppositionelle politische Seiten gibt es", betonte Khatami. Die Zahl der zensierten Webseiten sei nicht höher als 240, verteidigte Khatami die Politik des Landes. Ausgefiltert würden lediglich pornographische Seiten. Khatami räumte auf Nachfragen allerdings ein, dass auch "bestimmte politische Seiten" gefiltert würden, "die in irrationaler Weise religiöse Überzeugungen" im Iran verletzten. Khatami bestätigte, dass es zahlreiche Weblogs im Iran gebe, auch seine Töchter nutzten intensiv Internet und Chat. Die Weblogs seiner Minister kenne er selbst allerdings nicht alle.

Die Einschränkungen hätten nichts mit einer Verletzung der Meinungsfreiheit zu tun. "Westliche Länder erlauben Faschisten und Nazis auch nicht, ihre Ideen zu verbreiten", sagte Khatami und spielte auf Frankreichs Vorgehen gegen den Verkauf von Nazi-Memorabilien an. "Freiheit bedeutet nicht Chaos." Auch mit Blick auf die allgemeine Menschenrechtssituation wehrte sich Khatami gegen vorwurfsvolle Fragen; derzeit gebe es nicht mehr als 26 politische Häftlinge und darunter "nur" einen einzigen Journalisten. Ein trauriges anderes Bild der Lage liefert allerdings der aktuelle Bericht von Amnesty International.

Das Thema Meinungs- und Pressefreiheit, über das zwischen den Regierungen sehr lange gekämpft wurde, ist freilich nicht nur ein Problem des Iran. Der Chef des chinesischen Ministry of Information Industry, Wang Xudong, betonte in seinem offiziellen WSIS-Statement ebenfalls noch einmal, dass unterschiedliche "kulturelle" und "soziale" Systeme berücksichtigt werden müssen. "Meinungsfreiheit sollte garantiert werden, aber auch soziale Pflichten und Verantwortung müssen gefordert werden." Vertreter der Zivilgesellschaft unter anderem aus Tunesien und China wollen noch zur Menschenrechtssituation in ihren Ländern Stellung nehmen.

Die Abhaltung der zweiten Phase des Gipfels in Tunesien wurde in vielen Veranstaltungen auf dem Gipfel kritisch diskutiert. Die EU habe nach internen Debatten entschieden, dass man sich der Entscheidung der UN zum Austragungsort der zweiten WSIS-Phase nicht wiedersetzen werde, sagte der italienische Minister Lucio Stanca. Allerdings werde man die Lage in Tunesien mit Blick auf die Einbeziehung von Zivilgesellschaft und die Zulassung internationaler Medien beobachten.

Zum Weltgipfel für die Informationsgesellschaft siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)