Ein Nano-Nagelbett für Zellen

Moleküle in Zellen einzuschleusen, ist für biologische Experimente oder die Stammzellforschung außerordentlich wichtig. Was bislang eine aufwändige Prozedur war, könnte durch Silizium-Nanodrähte deutlich vereinfacht werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Courtney Humphries

Moleküle in Zellen einzuschleusen, ist für biologische Experimente oder die Stammzellforschung außerordentlich wichtig. Was bislang eine aufwändige Prozedur war, könnte durch Silizium-Nanodrähte deutlich vereinfacht werden.

Viele Experimente in der Biologie verlangen danach, Zellen zu manipulieren: Will man die Wirkung von Genen, Proteinen oder anderen Molekülen auf eine Zelle untersuchen, muss man sie erst einmal hineinbekommen. Das ist allerdings fast so schwierig wie der Einbruch in eine Festung - aus gutem Grund nehmen Zellen nicht jeden beliebigen Stoff in sich auf. Forscher umgehen diese Abwehr deshalb zum Beispiel mit Viren oder koppeln Moleküle an Proteine, die die Zellmembran passieren können.

Das Problem bei diesen Tricks ist aber, dass sie meist auf bestimmte Zelltypen zugeschnitten werden müssen und nicht verallgemeinerbar sind. Der Harvard-Chemiker Hongkun Park hat nun im Wissenschaftsjournal PNAS eine Methode beschrieben, die einfach ist und unabhängig vom Zelltyp funktionieren soll: Er schleust Moleküle über Nanonadeln in eine Zelle ein.

„Theoretisch können Sie damit jedes beliebige Molekül in jeden beliebigen Zelltyp einschleusen“, sagt Park. Sollte er Recht behalten, würde sein Verfahren die Manipulation von Zellen deutlich beschleunigen – was besonders für die Umprogrammierung von Stammzellen oder Medikamententests von Vorteil wäre.

Vorausgegangen war die Entdeckung von Parks Gruppe, dass Zellen auf senkrecht aufragenden Nanodrähten aus Silizium wachsen können, ohne dabei Schaden zu nehmen. Platziert man eine Zelle auf einem solchen „Nano-Nagelbett“, dringen die Drähte innerhalb von einer Stunde in die Zellmembran ein. Die Zelle verliert dadurch nicht einmal ihre Fähigkeit, sich zu teilen.

Dadurch können die Nanodrähte als Verbindung ins Zellinnere dienen. „Da wir nun einen direkten physischen Zugang haben, können wir Moleküle ohne die Beschränkungen von anderen Techniken hineinbringen“, erklärt Park. Aber auch wenn er und seine Kollegen bislang keine negativen Auswirkungen auf die aufgespießten Zellen feststellen konnten, seien weitere Studien nötig, um sicher zu gehen, dass nicht doch irgendwelche lebenswichtigen Zellfunktionen beeinträchtigt würden, betont er.

Der Molekültransport entlang der Nanonadeln ist überraschend simpel: Die Drähte werden zunächst chemisch behandelt, so dass die Moleküle nur als lockere Schicht an deren Oberfläche binden. Wird dann eine Zelle darauf platziert, lösen sich die Moleküle nach einiger Zeit vom Draht. Parks Team gelang es auf diese Weise, RNA- und DNA-Stränge sowie verschiedene Proteine hineinzuschmuggeln.

Die Forscher wollen nun herausfinden, ob die chemische Vorbehandlung sich so verfeinern lässt, dass sich die Geschwindigkeit, mit der sich die Moleküle anlagern und wieder lösen, genauer eingestellt werden kann. Ebenso könnten unterschiedlich lange Drähte sich dafür eignen, die molekulare Fracht gezielt in bestimmte Regionen des Zellinneren zu transportieren.

Die Nano-Nagelbetten lassen sich auch in Mikro-Arrays einbetten, wie sie üblicherverweise für Zellunteruntersuchungen unter einem Mikroskop eingesetzt werden. Solche Nanodraht-Arrays könnten mit bis zu 20.000 verschiedenen Stoffen versehen werden, um deren Wirkung in einer einzigen Versuchsanordnung zu testen, schätzt Park.

„Das Verfahren hat offensichtlich ein großes Potenzial“, sagt Aviv Regev, Bioinformatikerin am Broad Institute in Cambridge. Zellen zu stören, indem man Moleküle einschleust, und sie dann zu untersuchen, gewinne immer mehr an Bedeutung in der Biologie. Das systematisch zu machen, sei bislang aber eine echte Hürde gewesen, so Regev. Im Idealfall sollte dieser Ansatz schnell gehen, Hochdurchsatz-
Untersuchungen ermöglichen und dabei die Zellen unversehrt lassen. Wenn Parks Verfahren diese Anforderungen tatsächlich erfülle, werde es die Forschung ziemlich verändern, urteilt Regev.

Der Bostoner Stammzellforscher Thorsten Schlaeger hat bereits begonnen, die Methode auf die Umprogrammierung von Stammzellen anzuwenden. Sein Labor will embryonale Stammzellen sowie induziert pluripotente (die aus anderen Körperzellen erzeugt werden) in Blut-Stammzellen verwandeln, die natürlicherweise im Knochenmark gebildet werden. Das ist bislang eine aufwändige Prozedur, für die man sich viraler Vektoren bedient, um neue Gene in die Stammzellen zu bringen. Parks Verfahren könnte nicht nur den Vorgang selbst erleichtern, sondern auch die Untersuchung verschiedener Faktoren, die die Umwandlung einer Stammzelle in einen bestimmten Zelltyp auslösen. „Ob das funktioniert, kann man jetzt noch nicht sagen, aber das Konzept ist faszinierend“, so Schlaeger. (nbo)