IT-Profi im Ausland​: Als Softwareentwickler in Göteborg​

Wie ist es, als deutscher ITler in Schweden zu arbeiten? Was ist schwierig, was besser als in Deutschland? Ein Auswanderer hat die Antworten.

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Christian Manthey lebt und arbeitet als ITler in Schweden.

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

"Mein Name ist Christian Manthey und ich bin 35 Jahre. Ich stamme aus der Gegend um Hannover und bin für meine Masterarbeit im Frühjahr 2017 nach Göteborg an die Universität gegangen. Schweden war meine zweite Wahl, die Universität von Trondheim mein Favorit. Aber die Norweger haben auf meine Anfrage nicht reagiert, die Schweden rasch und freundlich. Inzwischen arbeite ich seit fünf Jahren als Softwareentwickler in Göteborg im mittlerweile zweiten Job. Zunächst direkt bei einem Softwareunternehmen, jetzt als IT-Consultant bei Kunden.

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Nach der Schule schloss ich eine Ausbildung zum Informatikkaufmann ab. Anschließend bin ich zum Studium nach Flensburg. Während meines Bachelorstudiums der angewandten Mathematik hatte ich eine Werkstudentenstelle als Softwareentwickler. Als Mathematik-Masterstudent in Braunschweig habe ich auf dieselbe Art und Weise Geld verdient. Um Auslandserfahrung zu sammeln, bin ich schließlich für meine Masterarbeit nach Göteborg gezogen. Gegen Ende meines Studiums stellte ich mir die Frage, wer mich nun dafür bezahlt, mathematische Beweise durchzuführen. Die Antwort war einfach: wahrscheinlich keiner! Es war deshalb naheliegend, in der Softwareentwicklung zu bleiben. Die macht mir Spaß und ich bin erfolgreich darin.

Gleich nach dem Abschluss meines Studiums habe ich als Softwareentwickler in Göteborg angefangen. Papiere braucht man dafür keine, weil Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union in jedem dieser Länder leben und arbeiten dürfen. An meine erste Stelle bei einer Software-Firma kam ich recht schnell, deren Tools für Data Analytics fand ich interessant. Ich mag Aufgaben mit Daten, deren Verarbeitung und grafische Darstellung.

Drei Jahre war ich in dieser Firma, seit zwei Jahren bin ich nun bei einer IT-Consulting Firma. Dieses Unternehmen hat mich angeschrieben und mir eine Stelle als IT-Consultant angeboten. Das Unternehmen hat etwa 60 Mitarbeitende. Ich bin aktuell in einem Projekt bei Volvo Lastwagen in der Diagnostik. Wir sind ein Team von Kollegen, das alle Daten aus dem Lkw ausliest und sie grafisch darstellt. Volvo nutzt die Daten zur Verbesserung des Serviceangebots und der Arbeitsabläufe in Werkstätten.

Ich arbeite in einem sehr schön gelegenen Büro mitten in der Stadt. Im Sommer erledige ich meine Aufgaben manchmal auf meinem Segelboot, das im Hafen von Göteborg liegt und im Winter von den Bergen, wenn ich beim Skifahren bin. Oft zusammen mit meinen Kollegen und meinem Chef. Über Weihnachten bin ich mehrere Wochen bei der Familie in Deutschland. Ich kann arbeiten von wo aus ich will und muss nicht um Erlaubnis fragen. Wenn ich nächste Woche Urlaub nehmen würde, schreibe ich das in den Gruppenchat und fertig. Hier in Schweden wird viel Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse genommen.

Die Hierarchien sind flach und die Menschen werden extrem darauf getrimmt, eigenverantwortlich zu arbeiten. Es ist Teil der Kultur, dass bereits Kindern in der Kita beigebracht wird, eigene Entscheidungen zu treffen. Seit ich mich daran gewöhnt habe, finde ich es gut, weil vieles auf Vertrauen basiert und weniger auf Kontrolle.

Schweden machen den Eindruck, als hätten sie eine gewisse Grundzufriedenheit, zumindest meckern und klagen sie kaum. Da eilt uns Deutschen der Ruf voraus, wir seien Weltmeister darin. Seitdem ich hier lebe, verstehe ich auch, warum. Hier gilt das Gesetz von Jante, das ist ein Verhaltenskodex sozialer Spielregeln im skandinavischen Kulturraum. Die zehn Verhaltensangebote haben Bescheidenheit zum Grundsatz. So sind die Schweden tatsächlich: bescheiden und zurückhaltend. Sie verurteilen andere Menschen nicht. Diese Verhaltensregeln nehme ich äußerst dankbar an und gewöhne mir meckern und klagen ab.

Mittlerweile spreche ich fließend schwedisch. Im Kollegenkreis unterhalten wir uns so. Bei Volvo wird mit internationalen Kollegen Englisch gesprochen. Sehr viele Schweden sprechen fließend Englisch. Sie machen es einem geradezu schwer, ihre Sprache zu lernen, weil sie jede Gelegenheit, Englisch reden zu dürfen, dankbar annehmen. Die Lebenshaltungskosten hier sind insgesamt etwas höher als in Deutschland und wenn ich mein Gehalt mit dem eines Kollegen in München vergleiche, dann verdient er etwas mehr. Die IT-Landschaft in Göteborg ist groß. Schweden zählt in der IT zu den innovativsten Ländern Europas und ist Vorreiter in der Digitalisierung, auch auf staatlicher Ebene. Daher ist Schweden ein bedeutendes Land für die Informatik mit vielen interessanten Aufgaben.

Ich arbeite etwa 40 Stunden pro Woche, habe Vertrauensarbeitszeit und Gleitzeit. In der vorherigen Firma hatte ich 30 Tage bezahlten Urlaub. Jetzt arbeite ich in einer Art freiberuflichem Modell und werde nur dann bezahlt, wenn ich arbeite.

Wohnen ist eine große, wenn nicht die größte Herausforderung in Schweden. Bei gewerblichen Vermietern, also Wohnungsunternehmen, muss man sich bewerben und kommt auf eine Warteliste. Pro Tag gibt es einen Punkt und freie Wohnungen werden an die Personen mit den meisten Punkten vergeben. Nach zweijähriger Wartezeit kann man ins Krisengebiet von Göteborg mit sehr hoher Kriminalitätsrate ziehen. Eine gute Wohnung bekommt man nach etwa zehn Jahren. Die Mieten solcher Wohnungen sind mit deutschen Städten vergleichbar und verhältnismäßig günstig, denn die Miete in Privathäusern liegt um etwa 50 Prozent über denen aus der Warteschlange. Ich habe teilweise zur Zwischenmiete in Wohnungen gelebt, wenn die Mieter im Urlaub waren oder draußen auf einer Insel im Schärengarten vor Göteborg, sodass der Arbeitsweg lang war. Allein in den ersten zwei Jahren habe ich sechsmal die Wohnung gewechselt. Das wollte ich nicht mehr und habe mir deshalb vor vier Jahren eine Wohnung in Göteborg gekauft.

Das hört sich nach Sesshaft machen an. Ich denke tatsächlich darüber nach, dauerhaft in Schweden zu bleiben, wegen der imposanten Natur, der niedrigen Bevölkerungsdichte und der weit vorangeschrittenen Digitalisierung. Die macht das Leben extrem einfach, weil wirklich alles digital mit dem Handy funktioniert. Meine Steuererklärung dauert fünf Minuten und die mache ich am Handy in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit. Hier gibt es nur wenig Bürokratie und keine Streiks. Das alles sind gute Gründe, um für immer hier zu bleiben."

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe aus dem Bereich Karriere und Arbeitsmarkt, in dem Menschen ihren aktuellen Job und ihre Arbeitsbedingungen vorstellen.

(axk)