USA: Weiter Streit um Netzneutralität

Fast 20.000 Stellungnahmen sind bei der US-Regulierungsbehörde zu dem Vorhaben eingegangen, die Netzneutralität in neuen Rahmenbedingungen für die Telekommunikationsbranche festzuschreiben. Kritiker des Vorhabens erhalten unterdessen Unterstützung von Juristen, die die gesetzlichen Grundlagen in Frage stellen.

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Die Pläne der US-Regulierungsbehörde FCC, mit neuen Rahmenbedingungen für die Telekommunikationsbranche die Netzneutralität festzuschreiben, treffen weiter auf Widerstand. Wirtschaftsvertreter unterschiedlichster Branchen sowie zahlreiche Bürger nutzten die Gelegenheit, den im Oktober 2009 verabschiedeten Entwurf für einen neuen Regulierungsrahmen zu kommentieren. Bis zum Ablauf der Frist am gestrigen Donnerstag gingen nahezu 20.000 Stellungnahmen bei der Behörde ein.

Die Meinungen über die Neutralitätsprinzipien gehen dabei auseinander. Während sich Netzbetreiber gegen zuviel Einflussnahme der US-Regierung wehren und zu den schärfsten Kritikern des Vorhabens gehören, schlagen Diensteanbieter und Geräteproduzenten leisere Töne an. Sie können von festgeschriebenen Neutralitätsprinzipien durchaus profitieren. Allerdings warnen auch sie die Regierung vor einem zu strikten Regime. Bürgerrechtsgruppen und Verbraucherverbände befürworten die Pläne des neuen Chefregulierers Julius Genachowski.

Und dann ist da noch die US-Musikindustrie. Die macht sich offenbar Sorgen, dass festgeschriebene Neutralitätsprinzipien ihren "Kampf" gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz behindern könnten. In einer knappen Stellungnahme mahnt der US-Verband RIAA, die FCC möge klarstellen, dass Netzbetreibern auch künftig erlaubt werde, Maßnahmen gegen eine "rechtswidrige Übertragung von urheberrechtlich geschütztem Material" zu ergreifen. Hintergrund sind Bemühungen der Branche, ein "Three Strikes"-Verfahren nach europäischem Vorbild auch in den USA zu etablieren. Der FCC-Vorschlag sieht den Schutz der Netzneutralität ohnehin nur für legale Aktivitäten vor.

Unterdessen könnte der Streit um eine ältere Entscheidung des Regulierungsbehörde aus der George-W.-Bush-Ära die Bemühungen von US-Präsident Barack Obama um einen Kurswechsel in der Regulierungspolitik unterminieren. In einem Rechtsstreit der FCC mit Comcast geht es um Maßnahmen, wie sie der RIAA offenbar vorschweben: Der Kabelnetzbetreiber hatte den Filesharing-Traffic seiner Kunden blockiert und sich dafür eine Rüge des Regulierers eingefangen. Gegen die Anweisung der FCC, die Blockade wieder aufzuheben, war das Unternehmen im vergangenen Jahr vor Gericht gezogen.

Während einer Anhörung vor der zuständigen Berufungskammer in der vergangenen Woche in Washington äußerten die Richter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der FCC-Maßnahme. Die Behörde habe die gesetzliche Grundlage ihrer Anordnung noch nicht überzeugend dargelegt, monierte das Gericht. Sollte der FCC das im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht gelingen, könnte das Genachowskis Pläne nachhaltig gefährden, meinen Beobachter.

Während im Wall Street Journal politische Analysten mit einer Niederlage der FCC rechnen und auch bei Kommissionsvertretern die Skepsis wächst, arbeitet die Behörde schon an einem Plan B. Das könnte eine grundsätzliche Überarbeitung der Regulierungspolitik bedeuten, meinte ein hoher Genachowski-Berater gegenüber der Zeitung, "oder der Kongress muss handeln". Der könnte die Befugnisse der Behörde von den Telefonnetzen explizit auch auf die Breitbandinfrastruktur ausdehnen. (vbr)