Ein Touch von Pro: Final Cut Pro und Logic Pro auf dem iPad im Hands-on

Lange mussten Nutzer von Final Cut Pro und Logic Pro auf iPad-Versionen warten. Jetzt sind sie da. Und die Frage ist: Wie viel Pro geht auf dem iPad wirklich?

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Beispielfoto vom Einsatz von Final Cut Pro

Die Videoschnittsoftware Final Cut Pro ist jetzt für das iPad erschienen.

(Bild: Apple)

Lesezeit: 10 Min.
Inhaltsverzeichnis

Seit Veröffentlichung des ersten iPad Pro klaffte eine unerklärliche Lücke auf dem Homescreen von Apples Profi-Tablet: Ausgerechnet die beiden hauseigenen Profi-Anwendungen Final Cut Pro und Logic Pro gab es nicht in einer iPad-Version. Dabei wären sie doch bestens geeignet gewesen, Apples Anspruch zu untermauern, dass erstens die Hardware leistungsfähig genug ist für Profi-Apps und zweitens auch mit dem anderen Bedienkonzept eines Touchgeräts sehr wohl professionelles produktives Arbeiten möglich ist. Um diesen Beweis bemühten sich kurioserweise acht Jahre lang vor allem Dritt-Apps: Einige Podcaster schneiden ihre neuen Folgen zum Beispiel mit Ferrite, Videofilmer erfreuen sich am aufstrebenden Lumafusion und jüngst an DaVinci Resolve. Und Apple? Dort wurde munter weiter an den Mac-Versionen geschraubt – von einer iPad-Portierung aber keine Spur.

Am Dienstag hat Apple Final Cut Pro und Logic Pro jetzt doch in iPad-Versionen veröffentlicht. Von einer Zeitenwende zu sprechen, wäre vielleicht etwas zu viel der Ehre. Dennoch wird sich Apple nun daran messen lassen, wie viel Pro im iPad steckt. Und die gute Nachricht aus Sicht anderer App-Entwickler ist: Apple arbeitet dabei mit den gleichen Werkzeugen und Limitierungen wie alle anderen. Hieran zeigt sich vielleicht aber auch, warum Apple erst etwas gezögert hat. Wir konnten Final Cut Pro und Logic Pro für das iPad vor Veröffentlichung eine Woche lang testen.

Da Apple seit einigen Jahren seine eigenen M-Chips sowohl in iPads als auch in Macs verbaut, ist die Frage nach der Leistung am schnellsten zu beantworten. Wie am Mac gehen sowohl Videoschnitt als auch Musikbearbeitung an einem iPad Pro mit M2 leicht von der Hand: Das Editing funktioniert ohne Ruckler, ohne Wartezeiten, mit unmittelbaren Resultaten. Lediglich beim Export eines fertigen Videos oder Songs entstehen übliche Wartezeiten. Was vielleicht einige stören könnte: Beim Export darf die App nicht geschlossen werden. Diese Wartezeit kann also nicht produktiv für andere Tätigkeiten genutzt werden. Bei Final Cut Pro ist mindestens ein M1-iPad erforderlich. Außerdem sollte reichlich Speicherplatz vorgehalten werden.

Die spannendere Frage ist da schon die nach der Bedienbarkeit. Wer Final Cut Pro und Logic Pro auf dem Mac kennt, weiß, dass die Software aus vielen kleinen Steuer- und Eingabeelementen besteht. Dies auf einen Tablet-Screen zu bringen – selbst wenn er wie beim größten iPad Pro fast 13 Zoll misst – ist eine Herausforderung. Eine 1:1-Umsetzung verbietet sich. Touchelemente sind größer, die Kontaktflächen müssen stärker voneinander abgegrenzt sein, um Fehlbedienungen zu vermeiden, und der Fingersteuerung wohnt in Computermaßstäben gemessen ohnehin eine gewisse Grobmotorik inne. Und so vermessen, den Kauf eines Magic Keyboards mit Touchpad vorauszusetzen, ist Apple nicht, obwohl der Gebrauch des 300-Euro-Zubehörs die Bedienung durchaus bereichert und vereinfacht. Auch für die Arbeit mit dem Apple Pencil wurden die Apps optimiert.

Herausgekommen ist eine vollständig neue Bedienungsoberfläche, die trotz einer gewissen Wiedererkennbarkeit keine Portierung der Mac-Software ist. So präsentiert sich vor allem Final Cut Pro auf den ersten Blick deutlich übersichtlicher. Wer die kleinen Seitenfenster öffnet, stellt aber fest, dass Apple dort viele kleine Einstellungen versteckt hat, die auf dem Mac schneller ins Sichtfeld des Nutzers gelangen. Bei Logic Pro ist der Bildschirm schon stärker gefüllt. Aber auch hier hat Apple Mittel und Wege gefunden, den Bildschirm nicht zu überfrachten.

Für die Touchbedienung optimiert: Final Cut Pro auf dem iPad

(Bild: mki / heise online)

Für den versierten Mac-Nutzer bedeutet das freilich, dass er am Anfang öfter mal nach vertrauten Stellschrauben suchen muss. Mehr noch: Final Cut Pro und Logic Pro auf dem iPad kommen auch mit einigen Abstrichen daher. So hat Logic Pro einen noch stärkeren Fokus auf Musik, während sich Logic Pro auf dem Mac leichter auch zum Schnitt von Podcasts nutzen lässt. Und Final Cut Pro lässt bislang jegliche Add-Ons von Drittentwicklern vermissen. Auch beim Speicherplatz ist der Anwender auf ein üppig ausgestattetes iPad angewiesen – von externen Medien kann zwar eingelesen werden, aber systembedingt landet alles im Gerätespeicher. Der Import von Videomaterial ist erwartungsgemäß stark fokussiert auf die Fotos-App und die iCloud. Wer Apple-Geräte zur Aufnahme verwendet, wird das spielerisch leicht finden. Das Einlesen von Material aus Nicht-Apple-Geräten ist etwas aufwendiger.

Wer mit Touchbedienung aus dem Hause Apple aufgewachsen ist – und das dürften vor allem die jüngeren "Creator" sein –, fühlt sich rasch wie zu Hause. Das Zuschneiden von Clips erfolgt zum Beispiel in der Optik und Funktionsweise der Fotos-App. Dort, wo der Finger nicht filigran genug ist, bietet Apple eine Hilfe an: Das sogenannte Jog-Wheel, ein virtuelles Drehrad, mit dem sich in kleinsten Schritten framegenau durch das Video navigieren lässt. Der Mac-Nutzer, der dafür die Maus hat, könnte hier erstmal stutzen. Apple dürfte also vermutlich leichteres Spiel haben, iPad-Nutzer abzuholen, als Mac-Enthusiasten vom Wechsel zum iPad zu überzeugen. Sofern das denn überhaupt die Absicht ist.

Dass Apple vor allem die Nutzer von iPhone und iPad anspricht, dafür sind noch weitere Indizien zu entdecken, so etwa der Pro-Camera-Mode, ein Modus, um direkt mit der Kamera des iPads Videos aufzunehmen und kleinste Details einzustellen. Auch der beworbene HDR-Workflow dürfte einige reizen: Bislang wurden helle Lichter in Videos auf den meisten Macs erstmal wieder trübe und dunkler. Mit Final Cut Pro auf dem iPad fällt es leichter, vom iPhone und iPad für das iPhone und iPad Videos zu produzieren.

Bei den Funktionen trifft man in Final Cut Pro auf viele alte Bekannte: Die Multicam-Funktion, um Videos zu synchronisieren und zwischen Kameraperspektiven einfach hin- und herzuschalten, die noch recht neue Stimmenisolierung, um Umgebungsgeräusche herauszufiltern, oder Funktionen, um den Hintergrund herauszuschneiden. All das wird in der bekannten magnetischen Timeline zusammengestellt.

Wer Titel und Übergänge benötigt, muss derzeit mit dem vorliebnehmen, was Apple liefert – und das ist nicht wirklich viel. Apple will hier aber offenbar nachbessern. Reizvoll ist die neue Soundtrack-Funktion, die mitgelieferte Musik passgenau umkomponiert. 45 Musikstücke sind mit dabei. iPad-only ist auch eine Funktion namens Live Drawing, mit der Handgezeichnetes automatisch animiert wird.

Logic Pro benötigt viel Bildschirmplatz. Ein größeres iPad Pro ist empfehlenswert.

(Bild: mki / heise online)

Logic Pro bringt den vom Mac bekannten Mixer mit. Ein wenig iPad-Feeling bekamen Nutzer schon durch die Hilfs-App Logic Remote, mit der iPad-Nutzer ihr Tablet zur Touch-Fernbedienung machen konnten. Anders als Final Cut Pro lässt Logic Pro auch zu, Projekte zwischen iPad und Mac hin- und her zu transferieren. Eine Besonderheit auf dem iPad ist die große Soundbibliothek, die Musikern eine Menge Material an die Hand gibt.

Die Musiksoftware dürften viele von einer neuen Seite kennenlernen, wenn sie die Softwareinstrumente per Touch spielen oder das neue Tool zur Erstellung von Beats verwenden – also alles Funktionen, die von der Handbedienung profitieren. Auch hier gilt: Die Grenze zu Tools für den Laien, wie Garageband auf dem iPad, sind nahe. Apple holt Nutzer, die damit vertraut sind, ab. Zum Aufnehmen können entweder die eingebauten Mikrofone des iPads verwendet oder Studio-Hardware angeschlossen werden. Anders als Final Cut Pro genügt Logic Pro bereits ein iPad mit A12 Bionic-Chip.

Ein viel diskutierter Punkt nach Ankündigung der beiden Apps ist das Preismodell. Statt Einmalpreis wie auf dem Mac hält Apple die Hand dauerhaft auf. Die Pro-Apps auf dem Tablet kosten 4,99 Euro pro Monat oder 49,99 Euro pro Jahr. Disziplinierte Wenignutzer, die rechtzeitig auf den Abbestellen-Button drücken, sind also im Vorteil. Eine On-off-Beziehung zahlt sich, wie bei Streamingdiensten, aus. Aber offenbar denkt Apple auf dem iPad eher langfristig: Im besten Falle wird das Abomodell für Apple sogar höhere Einnahmen ermöglichen als die teils weit zurückliegenden Einmalkäufe auf dem Mac. Und als Nutzer kann man es auch positiv sehen: Das Abo kann und muss auch Ansporn für den Entwickler sein, am Ball zu bleiben. Da waren sich einige bei den Mac-Versionen in der Vergangenheit nicht immer so sicher.

Für eine erste Version liefert Apple mit Final Cut Pro und Logic Pro für iPad zwei Apps, die im ersten einwöchigen Hands-on buchstäblich gut abschneiden. Vieles mutet nicht nur nach einem Touch von Pro an, sondern ermöglicht – je nach den jeweiligen Bedürfnissen – vollwertiges Arbeiten. Es wird aber sicher auch Nutzer geben, denen das derzeitige Angebot an Features (noch) nicht genügen wird, die knallhart die Messlatte des Macs anlegen und berechtigterweise feststellen werden, dass längst nicht alles da ist, was auf dem Mac schon möglich ist. Ein wenig erinnert das an den Neustart von Final Cut Pro im Jahr 2011, als Apple die Software komplett neu auflegte und einige Profis damit verärgerte, dass liebgewonnene Funktionen fehlten.

Diesmal muss sich keiner ärgern, denn die iPad-Versionen sind zum Auftakt eher als eine Ergänzung zu den Mac-Apps anzusehen. Einigen, die aus dem mobilen Ecosystem kommen, werden sie wahrscheinlich sogar jetzt schon genügen. In den Apps steckt aber das Potenzial, noch mehr zu sein. Und in mancherlei Hinsicht wird das Ausschöpfen dieser Potenziale auch davon abhängen, wie das Betriebssystem iPadOS mit Blick auf Pro-Bedürfnisse weiterentwickelt wird. Denn dessen Dateisystem und seine speziellen Eigenschaften könnten tatsächlich auch für Apple ein Grund zum anfänglichen Zögern gewesen sein. Einiges hat sich bereits verbessert. Die Existenz der jetzt veröffentlichten Pro-Apps dürfte Apple motivieren, schon aus Eigennutz weitere Verbesserungen für die Zukunft vorzunehmen.

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(mki)