Gentherapie als Salbe: Ein 13-Jähriger mit Erbkrankheit kann wieder sehen

In den USA wurde die erste Gentherapie in Form einer Salbe genehmigt. Sie zeigt, wie sich künftig Gene in den menschlichen Körper schleusen lassen könnten.

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Anthony Vento mit seiner Mutter und seinem Vater. Seine Hautkrankheit wird mit einer neu zugelassenen Gentherapie behandelt.

(Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Yunielkys Carvajal)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Antonio Vento ist 13 Jahre alt. Er ist ein Winzling in Bandagen, der nicht laufen kann und bis vor kurzem nicht mehr als Schatten sehen konnte. Er hat Dystrophe Epidermolysis bullosa (DEB), eine Erbkrankheit, die seine Haut so zerbrechlich macht, dass Kinder mit dieser Krankheit "Schmetterlingskinder" genannt werden.

Doch dank einer neuartigen Gentherapie, die ihm auf die Haut aufgetragen und in die Augen geträufelt wurde, geht es Antonio inzwischen besser. Seine Wunden sind teilweise abgeheilt, und ein Besuch beim Augenarzt bestätigte vor kurzem, dass sich sein Sehvermögen deutlich verbessert hat. "Jetzt kann ich kleine Dinge sehen", sagt er während eines Telefonats auf Spanisch. Zum Beispiel die Klötzchen im Videospiel Minecraft, das er mittlerweile spielt.

"Und nennt mich Anthony", sagt er. Das gefalle ihm besser.

Am vergangenen Freitag genehmigte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Anthonys Genersatztherapie. Es ist die erste käufliche Gentherapie, die äußerlich aufgetragen wird – und auch die erste, die wiederholt bei derselben Person eingesetzt werden soll.

Bei "Schmetterlingskindern" wie Anthony besteht das Problem darin, dass ihr Körper nicht die Art von Kollagen herstellt, die die Hautschichten zusammenhält. Die Folge sind chronische, blasenbildende Wunden, und das nicht nur am Körper, sondern auch im Rachen und manchmal an den Augen.

Bei der Behandlung wird den Hautzellen ein fehlendes Gen zugeführt, damit sie Kollagen bilden können. Die neuartige Verabreichungsmethode wird bereits zur Behandlung anderer seltener Hautkrankheiten untersucht. Eine inhalative Gentherapie zur Behandlung von Mukoviszidose wird ebenfalls erforscht.

Die Behandlung mit dem Namen Vyjuvek wurde von dem in Pittsburgh ansässigen Start-up Krystal Biotech entwickelt und ist für die Behandlung von Personen zugelassen, die älter als sechs Monate sind und an dieser speziellen Form der Epidermolysis bullosa leiden. Für die Krankheit gab es bislang nur wenige Behandlungsmöglichkeiten. Nach Angaben des Unternehmens sind etwa 3.000 Menschen in den USA davon betroffen.

"Seit seiner Geburt bin ich quasi nur damit beschäftigt, Verbände zu wechseln und Wunden zu heilen", sagt Yunielkys Carvajal, Anthonys Mutter, die 2012 mit einem humanitären Visum aus Kuba in die USA auswanderte, um ihren Sohn behandeln zu lassen.

Seit 2017 hat die FDA fünf Gentherapien für seltene Erbkrankheiten zugelassen, Vyjuvek ist die sechste. Die fünf früheren Behandlungen werden jedoch alle per Injektion oder durch Veränderung von Immunzellen außerhalb des Körpers verabreicht. Durch die Verabreichung der Gentherapie in einer Salbe, die eingerieben wird, hat Krystal Biotech das erreicht, was CEO Krish Krishnan, als "eine einfache, bequeme und patientenfreundliche Möglichkeit bezeichnet, diesen Patienten das fehlende Gen zu geben".

Das Unternehmen sagt nicht, wie viel die Behandlung kosten wird. Andere Gentherapien haben Rekordpreise erzielt, wobei der höchste Preis für die sogenannte "Bluterkrankheit" Hämophilie B bei 3,5 Millionen US-Dollar lag.

Der Genersatz für die Haut könnte nicht nur für die Medizin, sondern auch für die Kosmetik lukrativ sein. Ein von Krystal Biotech gegründetes Tochterunternehmen namens Jeune hat bereits damit begonnen, eine Version des Medikaments an Freiwilligen zu testen, um Krähenfüße und andere Falten zu beseitigen, die entstehen, wenn der Körper im Alter weniger Kollagen produziert. Es bezeichnet sich selbst als "genbasiertes Ästhetikunternehmen".

Der Beweis, dass die Behandlung funktioniert, wurde in einer von Krystal durchgeführten Studie aus dem Jahr 2022 erbracht, in der Anthony zu insgesamt 31 Epidermolysis-bullosa-Patienten im Alter zwischen einem und 44 Jahren gehörte, bei denen die Gentherapie-Salbe auf die schwersten Wunden aufgetragen wurde. Andere Wunden erhielten ein Placebo.

Anthonys Mutter erzählt, dass sie im Rahmen der Studie eine besonders große und schmerzhafte Wunde an seiner Ferse auswählten. "Wir trugen die Salbe auf, die Wunde verschwand und öffnete sich nie wieder", sagt sie. "Das war unglaublich. Das war eine große, chronische Wunde, und dann war sie plötzlich weg."

Auch andere Wunden an Anthonys Körper schrumpfen, aber geheilt ist er deshalb nicht. Seine Hautzellen werden ständig durch neue Zellen ersetzt, die unter dem gleichen Gendefekt leiden. Deshalb muss die Therapie einmal pro Woche von einem Fachpersonal neu aufgetragen werden. Die Verantwortlichen von Krystal Biotech sagen, Anthonys Behandlung sei die erste Gentherapie, die für eine solche wiederholte Anwendung zugelassen ist.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfügen heute über zahlreiche Möglichkeiten, um Gene gezielt zu manipulieren. Im Labor lassen sich Zellen in einer Schale fixieren oder sogar Mäuse von tödlichen Krankheiten heilen. Die Behandlung von Menschen ist ungleich schwieriger, denn im Prozess der Genübertragung muss korrigierte DNA in einen menschlichen Körper gebracht und dort verankert werden.