Milliarden für Netzausbau: US-Regulierer rät EU zu Big-Tech-Kostenbeteiligung

In Europa seien bis zu 400 Milliarden Euro für Glasfaser für alle nötig, schätzt Brendan Carr von der US-Behörde FCC. Google & Co sollten mitzahlen.​

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Eine Hand hält das abgeschnittene Ende eines Glasfaserkabels; am unscharf zu sehenden Wiesenboden liegt eine Rolle des Kabels.

Glasfaser für einen Hausanschluss

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Der Plan der EU-Kommission für eine Big-Tech-Kostenbeteiligung am Glasfaserausbau hat einen überraschenden Fürsprecher gefunden: Brendan Carr, von Donald Trump nominierter Kommissar der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC), hält die umstrittene Infrastrukturabgabe für eine "schlaue" Option, Anreize für Investitionen zu schaffen. Dass die Datenmaut insbesondere große US-Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix treffen soll, ist für den Republikaner kein Problem. Ein System, in dem IT-Unternehmen direkt mit den Telekommunikationsbetreibern verhandeln, ist ihm zufolge der schnellste Weg, um die Investitionslücke für flächendeckende Glasfaseranschlüsse zu schließen.

Brendan Carr ist seit 2017 FC-Commissioner

(Bild: FCC)

Der dafür erforderliche Finanzbedarf sei sehr hoch in der EU, erklärte Carr gegenüber dem Online-Magazin "Euractiv". Es seien zusätzlich 300 bis 400 Milliarden Euro nötig, um das EU-Ziel zu verwirklichen, bis 2030 alle Haushalte mit einem Hochgeschwindigkeitszugang zum Internet sowie alle Bürger mit 5G zu versorgen. Wenn Kunden Dienste eines Anbieters so gerne nutzen, dass das im Jahresdurchschnitt fünf Prozent des Datenverkehrs während der intensivsten Stunde eines jeden Tages, ausmacht, soll der Anbieter Netzgebühren zahlen, fordern EU-Netzbetreiber.

"Es muss eine gewisse Marktkorrektur in Europa stattfinden", betonte der US-Regulierer. "Jeder, der sagt, dass der Status quo funktioniert, hat bei einigen Vergleichsdaten zwischen der Lage Europas und der Lage in anderen Teilen der Welt nicht den Überblick." Mittlerweile investieren US-Betreiber pro Nutzer etwa doppelt so viel in ihre Netze wie ihre europäischen Pendants.

Das US-Handelsministerium hat zudem 40 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung von Breitbandprojekten bereitgestellt, berichtete Carr. Im EU-Haushalt sei nichts Vergleichbares vorgesehen. Eine andere Möglichkeit wäre es, weitere Zusammenschlüsse von Telekommunikationsunternehmen zu genehmigen. Auch davor schreckten die EU-Wettbewerbshüter in der Regel zurück. Ein dritter Weg bestünde darin, europäische Netzbetreiber zu ermutigen, die Großhandelspreise deutlich zu erhöhen. Angesichts bereits hoher Inflation und Lebenshaltungskosten halte sich die Politik in der EU aber auch hier zurück. Besonders empfehlenswert sei daher eine Netzabgabe.

"Wir nennen das Fair Share", erläuterte der Regulierer unter Rückgriff auf einen Begriff, den EU-Gremien in der Debatte inzwischen auch gern verwenden. "Wir schauen uns das in den USA sehr genau an. Wir glauben, dass es enorm viele Vorteile hat." Der Vorwurf, Europa wolle Protektionismus betreiben, greife so nicht. Eine Datenmaut verstoße auch nicht gegen das Prinzip der Netzneutralität – Carr selbst hat mit zwei republikanischen Kollegen die Netzneutralität in den USA 2017 abgeschafft. Die Datenmaut habe nicht das Ziel, den Netzverkehr von Anbietern zu verlangsamen, die keinen Deal mit den Telcos abschließen wollen, meint Carr. Wie das genau ablaufen würde, sagt der Mann nicht. Er meint, dass einschlägige Fragen letztlich vor Gericht geklärt werden könnten.

Carr liegt damit über Kreuz mit dem Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek). Dieses konstatierte im Herbst, dass das ständige Drängen der Netzbetreiber auf Kostenbeteiligung nicht berechtigt sei. Das Internet hat den EU-Regulierern zufolge seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, "mit dem zunehmenden Verkehrsaufkommen, den Veränderungen in den Nachfragemustern, der Technologie, den Geschäftsmodellen und der (relativen) Marktmacht der Marktteilnehmer fertig zu werden". Die deutsche Bundesregierung kennt keine Option, um eine solche Abgabe wettbewerbs- und netzneutralitätskonform sowie unter nur geringem Verwaltungsaufwand umzusetzen. Die bisherigen Finanzierungsmechanismen für Investitionen in digitale Infrastrukturen in Deutschland oder der EU reichen ihr aus.

(ds)