Verseuchtes Trinkwasser: Niederlande machen 3M haftbar

3M hat Chemieabfälle in die Schelde geleitet. Nach Strafen der belgischen Regierung wollen nun auch die Niederlande 3M belangen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 106 Kommentare lesen
Industrial,Cityscape,And,Harbor

(Bild: Riku Mannisto / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die Niederlande machen das US-Unternehmen 3M für Schäden haftbar, die durch ein belgisches Chemiewerk in Zwijndrecht bei Antwerpen entstanden sein sollen. Dort hat 3M Chemieabfälle in den Fluss Schelde eingeleitet, die teilweise weiter bis in die Niederlande fließen – dort mündet die Schelde ins Hollands Diep.

Das ikonische Firmenlogo von 3M.

(Bild: 3M)

Mark Habers, niederländischer Minister für Infrastruktur und Wasserwirtschaft, hat 3M offiziell geschrieben. Habers sagt dazu: "Es gibt zu viel PFAS in der Westerschelde. Das führt zu Besorgnis bei den Anwohnern, aber auch zu finanziellen Schäden, zum Beispiel für die Fischer und den Rijkswaterstaat [Anm. d. Red.: Behörde, die für die niederländischen Wasserwege verantwortlich ist]. Meiner Meinung nach sollten die Verursacher zahlen, nicht die Nutzer und Verwalter. 3M haftbar zu machen, entspricht dieser Prämisse."

PFAS steht im Englischen für Per- and polyfluoroalkyl Substances, in Deutschland wird diese Gruppe tausender Chemikalien auch PFC (Per- und polyfluorierte Chemikalien) genannt. Sie tragen den Spitznamen Ewigkeits-Chemikalien, weil sie aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden, feuerhemmenden, extrem stabilen und damit sehr widerstandsfähigen Eigenschaften kaum abbaubar sind.

Sie reichern sich im Blut und in den Organen von Menschen an und stehen im Verdacht, das Immunsystem zu schwächen und Krebs hervorzurufen. In erster Linie schädigen sie Leber und Schilddrüse. PFC kommen in Schmiermitteln, bei vielen beschichteten Pfannen und etwa bei Ätzverfahren in der Chipfertigung zum Einsatz.

Im Jahr 2022 musste 3M auf Anweisung der belgischen Regierung bereits teilweise seine Produktion in Zwijndrecht stoppen. Im Sommer einigte man sich auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 571 Millionen Euro – seitdem wurde die Produktion unter Auflagen wieder aufgenommen. Ende 2022 hat 3M bekannt gegeben, PFC nur noch bis Ende 2025 herstellen zu wollen.

Die niederländische Behörde für öffentliche Gesundheit und Umwelt (Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu, RIVM) warnte im Herbst 2022 bereits vor hoher PFC-Konzentration im Trinkwasser. Das betrifft vornehmlich Trinkwasser, das aus Flüssen gewonnen wird: Mehr als die Hälfte der Proben überschritten die selbst gesteckte Grenze, aber auch in jeder zehnten Trinkprobe aus Grundwasser wurde ein zu hoher Wert entdeckt.

Das RIVM hat für die vier Chemikalien Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) eine Gesamtgrenze von 4,4 Nanogramm pro Liter festgelegt. Sie orientiert sich mit einem 20-prozentigen Anteil an dem wöchentlichen Grenzwert der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), der bei 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht liegt, und nimmt als Grundlage einen 70 kg schweren Menschen, der 2 Liter pro Tag trinkt. Die restlichen 80 Prozent "Polster" lässt das RIVM für andere Aufnahmequellen wie Essen übrig.

Die vorgefundene Menge der vier PFC lag im Oberflächenwasser bei durchschnittlich 12,6 Nanogramm pro Liter. Dabei wurden nur Einzelwerte ab 0,5 ng/l eingerechnet. Beim Trinkwasser aus Grundwasser lag der Durchschnittswert bei 10,8 ng/l. Bis zu 16 weitere Ewigkeits-Chemikalien wurden nachgewiesen, flossen aber nicht in die Übersicht ein.

Einhergehend mit der Trinkwasserwarnung empfahl die Behörde, auf den Verzehr unter anderem von selbst gefangenen Fischen zu verzichten.

(mma)