Astronomie: Erstes mittelschweres Schwarzes Loch in der kosmischen Nachbarschaft

Der Kugelsternhaufen M 4 ist derjenige, der uns am nächsten ist und eigentlich gut erforscht. Trotzdem wurde dort ein mittelschweres Schwarzes Loch entdeckt.

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Viele funkelnde Sterne

Eine Hubble-Aufnahme von Messier 4 (M 4)

(Bild: ESA/Hubble & NASA)

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Die Weltraumteleskope Hubble und Gaia haben wahrscheinlich ein mittelschweres Schwarze Loch entdeckt, das unserem Sonnensystem so nahe ist wie kein anderes. Mittelschwere Schwarze Löcher sind massereicher als die kleinsten stellaren Schwarzen Löcher, aber viel kleiner als die supermassereichen im Zentrum von Galaxien. Ein Schwarzes Loch, das auf etwa 800 Sonnenmassen kommt, wäre jedenfalls die wahrscheinlichste Erklärung für die Bewegung der Sterne im 6000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen Messier 4, schreibt die Europäische Weltraumagentur ESA. Alternative Erklärungsversuche seien dagegen eher unrealistisch.

Wie die ESA anlässlich des Funds erläutert, kommen so gut wie alle bislang entdeckten Schwarzen Löcher in nur zwei Größen vor. Bei den kleinen stellaren Schwarzen Löchern sei davon auszugehen, dass es allein in der Milchstraße ungefähr 100 Millionen davon gibt, die supermassereichen Varianten im Herzen von Galaxien kommen dagegen gerne mal auf Millionen oder gar Milliarden Sonnenmassen. Zwischen beiden gibt es aber eine Lücke, die sich bisher nur sehr langsam füllt. Von diesen sogenannten mittelschweren Schwarzen Löchern gebe es bislang nur wenige Kandidaten. Der Wissenschaft geben sie noch Rätsel auf – unklar ist nicht nur, wo sie sich befinden, sondern auch, wie sie entstehen und warum sie so selten sind.

Fündig geworden ist das Forschungsteam um Eduardo Vitral vom Space Telescope Science Institute nun womöglich im uns nächstgelegenen Kugelsternhaufen. Messier 4 ist zwischen 6000 und 7000 Lichtjahren von der Erde entfernt und ein beliebtes Forschungsobjekt. Dank Aufnahmen, die das Weltraumteleskop Hubble über einen Zeitraum von 12 Jahren von dem Sternenhaufen gemacht hat, konnte die Gruppe die Bewegung der Sterne genauer untersuchen. Ergänzt wurden die Daten um die präzisen Messergebnisse zu Sternenbewegungen des europäischen Weltraumteleskops Gaia. Jetzt sei man sicher, dass sich im Zentrum der Sterne entweder ein massereiches Objekt oder sehr viele kleine auf unrealistisch engem Gebiet geben muss.

Das Forschungsteam gibt sich überzeugt, dass es im Zentrum der untersuchten Sterne eine sehr kleine Region gibt, in der sehr viel Masse konzentriert ist. Laut den eigenen Simulationen könnte eine Ansammlung von Schwarzen Löchern, Neutronensternen oder Weißen Zwergsternen diese nicht erklären. So müssten sich beispielsweise 40 kleine Schwarze Löcher in einem Gebiet befinden, das nur einen Durchmesser von einem zehntel Lichtjahr hat. Die würden rasch fusionieren oder sich dort hinausschleudern. Ein mittelschweres Schwarzes Loch sei die plausibelste Erklärung. Möglich sei aber, dass die gegenwärtigen Modelle zur Sternenmechanik nicht ausreichen, deswegen könne man sich nicht hundertprozentig sicher sein.

Vorgestellt wird der Fund im Fachmagazin Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Erst vor anderthalb Jahren war die mögliche Entdeckung des bislang massereichsten mittelschweren Schwarzen Lochs publik gemacht worden. Das Objekt kommt auf etwa 100.000 Sonnenmassen und befindet sich am Rand der Andromedagalaxie, der Nachbargalaxie der Milchstraße. Auch dabei wurde man in einem Kugelsternhaufen fündig. Bei dem handelt es sich demnach wohl um den Überrest einer Zwerggalaxie, die von der Andromedagalaxie eingefangen und auseinandergerissen wurde. Der allererste Fund eines mittelschweren Schwarzen Lochs war erst 2021 gelungen.

(mho)