Medienexperte: Zeitungen werden verschwinden

US-Zeitungen werden das Schicksal der Dinosaurier teilen, schätzt Medienexperte Norman Pearlstine und gibt den meisten Blättern noch weniger als zwanzig Jahre. Auch deutsche Zeitungen seien gefährdet, obwohl die Lesekultur hierzulande bessere Voraussetzungen schaffe.

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Von
  • dpa

Angesichts des Siegeszuges des Internets sieht der US-Medienexperte Norman Pearlstine wenig Hoffnung für Zeitungen. "Ich glaube, dass die meisten, wenn nicht alle Zeitungen in den USA innerhalb von 20 Jahren nicht mehr erscheinen werden", sagte Pearlstine am Dienstag bei einem Medienkongress der Fachzeitschrift Horizont in Frankfurt. Vor allem wegen der ins Internet abgewanderten Anzeigen entfalle für Zeitungen das Geschäftsmodell, sagte der Medienmanager, der beim US-Medienkonzern Bloomberg für die strategische Entwicklung zuständig ist

Auch den deutschen Blättern drohe Gefahr. Deutschland werde dem amerikanischen Trend folgen, prophezeite Pearlstine, der viele Jahre Chefredakteur des US-Nachrichtenmagazins Time und zuvor in leitender Funktion beim Wall Street Journal war. Allerdings gebe es hierzulande einen Hoffnungsschimmer: Die Lesekultur sei in Deutschland viel stärker verwurzelt als in den USA. Auch seien die Deutschen stärker bereit, für Medien und deren Inhalte zu bezahlen.

Optimistischer zeigte sich Pearlstine für die Zeitschriften, weil diese meist spezielle Nischenmärkte bedienten und nicht so stark von Werbung abhängig seien. Neue Technologien wie etwa die dünnen und flexiblen Tablet-Computer würden die Verlagerung von Zeitschriften- Inhalten ins Internet aber beschleunigen.

Nach Einschätzung des deutschen Medienberaters Peter Kruse steht das Internet vor einer neuen Revolution, da sich die Nutzer erstmals zu "machtvollen Bewegungen" zusammenschließen könnten. Traditionelle Medien seien als Transmissionsriemen nicht mehr notwendig. Kruse führte als Beispiel den länderübergreifenden Protest an den Hochschulen gegen die Bologna-Reformen Ende vergangenen Jahres an. Dieser sei ursprünglich von 400 Studenten in Wien ausgegangen, die dann effektiv soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter für ihre Zwecke einsetzten.

Auch die Konsumenten begännen sich im Netz stärker zu organisieren. Dies seien aber nicht nur jungen Menschen oder die digitale Elite, meinte Kruse. Er verwies darauf, dass es weltweit inzwischen 200 Millionen Blogs gebe. Facebook werde von rund 350 Millionen Menschen genutzt. (vbr)