Metas Ex-Technikchef will das Meer zur riesigen CO₂-Senke machen

Mike Schroepfer hat Carbon to Sea ausgegründet. Als gemeinnützige Organisation ist die Firma mit 50 Millionen US-Dollar ausgerüstet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 53 Kommentare lesen

(Bild: Brett Allen / Shutterstock.com)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • James Temple
Inhaltsverzeichnis

Der ehemalige Technikchef von Meta, Mike Schroepfer, will künftig beim Klimaschutz helfen. Dafür hat er eine neue Organisation ins Leben gerufen, die sich der Beschleunigung der Forschung zur Verbesserung der Alkalinität der Ozeane widmet – eine mögliche Methode, um die großen Meere des Planeten zu nutzen, mehr Kohlendioxid aufzunehmen und zu speichern.

Additional Ventures, das von Schroepfer mitbegründet wurde, und eine Gruppe anderer Stiftungen haben dazu ein gemeinnütziges Forschungsprogramm aufgesetzt, das den Namen "Carbon to Sea Initiative" trägt. Es soll über einen Zeitraum von fünf Jahren mit 50 Millionen US-Dollar ausgestattet werden. Zu den Zielen der Initiative gehören die Bewertung interessanter technischer Ansätze, die Durchführung von Feldversuchen in kleinem Maßstab im Meer, die Förderung von Maßnahmen zur Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für solche Experimente und die Bereitstellung von mehr öffentlichen Mitteln für die Forschung. Schließlich muss auch noch die Technologie, die für die Durchführung und Bewertung solcher Methoden erforderlich ist, (neu) erfunden werden.

Unsere Meere wirken bereits jetzt als starker Puffer gegen die schlimmsten Gefahren des Klimawandels, indem sie etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen aufnehmen und den größten Teil der globalen Erwärmung absorbieren. Kohlendioxid löst sich auf natürliche Weise im Meerwasser, wo Luft und Ozean zusammentreffen. Wissenschaftler und Start-ups untersuchen jedoch, ob diese natürliche Kohlenstoffsenke noch mehr zur Linderung des Klimawandels beitragen könnte. Denn: Immer mehr Forschungsergebnisse zeigen, dass die Menschheit nicht nur Emissionen senken muss, sondern auch große Mengen zusätzlicher Treibhausgase aus der Atmosphäre gezogen werden müssen, um die Erderwärmung auf ein bestimmtes Maß zu beschränken.

Die Anreicherung der Ozeanalkalität (Ocean Alkalinity Enhancement, OAE) bezieht sich auf verschiedene Möglichkeiten, dem Meerwasser alkalische Substanzen wie Olivin, Basalt oder Kalk hinzuzufügen. Diese basischen Stoffe verbinden sich mit dem im Wasser gelösten anorganischen Kohlendioxid und bilden Bikarbonate und Karbonate – Ionen, die Zehntausende von Jahren im Meer verbleiben können. Wenn diese CO₂-armen Wasserbereiche die Oberfläche erreichen, ziehen sie zusätzliches Kohlendioxid aus der Luft, um wieder in ein chemisches Gleichgewicht zu kommen.

Die dafür notwendigen zerkleinerten Materialien könnten von Schiffen aus direkt dem Meerwasser zugeführt, entlang der Küstenlinie platziert oder in technischen Verfahren auch an Land verwendet werden, die dazu beitragen, nützliche Reaktionen mit dem Meerwasser auszulösen. "Carbon to Sea" ist die Erweiterung eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms zur Verbesserung der Alkalinität der Meere, das Additional Ventures Ende 2021 zusammen mit dem Astera Institute, dem Grantham Environmental Trust und anderen Partnern ins Leben gerufen hatte.

Ocean Visions, eine gemeinnützige Forschungsgruppe, die sich für ozeanbasierte Klimalösungen einsetzt, ist ebenfalls Partner, wenn auch kein Geldgeber. Anfang letzten Jahres begannen die Organisationen mit der Annahme von Anträgen auf Forschungszuschüsse in Höhe von "mindestens 10 Millionen Dollar", die in den nächsten fünf Jahren ausgeschüttet werden sollen. Bislang hat das Programm 23 Millionen Dollar für den Forschungsbereich bereitgestellt.

Schroepfer, der als Vorsitzender von Carbon to Sea fungieren wird, sagt, er habe sich entschlossen, den OAE-Bereich zu unterstützen, weil er immer wieder gehört habe, dass es sich um einen vielversprechenden Ansatz zur CO₂-Reduktion handele. Er müsse eingehend untersucht werden. "Aber niemand hat sich bereit erklärt, die eigentliche Finanzierung der Arbeit zu übernehmen." Er wolle damit jetzt anfangen. "Das passiert, indem man vor allem die Wissenschaft vorantreibt und sicherstellt, dass die Leute, die diese grundlegenden Fragen beantworten können, die Mittel und die Zeit haben, gründlich zu arbeiten." Antonius Gagern, zuvor Programmdirektor für das Vorgängerprojekt, leitet die neue Organisation.

"Bei der Betrachtung der verschiedenen Möglichkeiten, wie der Ozean bereits jetzt natürliche Kohlenstoffpumpen nutzt, um CO2 dauerhaft zu binden, hat sich die Erhöhung der Alkalinität des für uns aus einer Reihe von Gründen als die vielversprechendste herausgestellt", sagt er. Die Idee sei extrem skalierbar, von langer Dauer und bringe biologische Systeme nicht durcheinander, wie es bei anderen ozeanbasierten Ansätzen der Fall sein könne.

Andere Experten halten die Erhöhung der Alkalinität der Ozeane ebenfalls für einen vielversprechenden Ansatz, zum Teil, weil dies eine der wichtigsten Methoden ist, mit denen der Planet bereits jetzt über sehr lange Zeiträume Kohlendioxid abbaut. Regenwasser löst basisches Gestein auf und erzeugt Kalzium und andere alkalische Verbindungen, die schließlich über Flüsse und Bäche in die Ozeane fließen. Schätzungen zufolge binden diese Prozesse auf natürliche Weise Hunderte von Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Und der Planet verfügt über mehr als genug reaktive Materialien, um das gesamte Kohlendioxid zu binden, das die Menschen im Laufe der Geschichte ausgestoßen haben.

Möglicherweise gibt es auch noch weitere Vorteile. Alkalische Stoffe könnten die Versauerung der Ozeane lokal verringern und bestimmten Meeresorganismen nützliche Nährstoffe liefern. Andreas Oschlies, Klimamodellierer am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, stimmt zu, dass es sich um einen der wenigen Ansätze zur Kohlenstoffentfernung handelt, die "wirklich in großem Maßstab funktionieren und einen erheblichen Einfluss auf das Klima haben könnten".

"Die Mineralien sind kein limitierender Faktor und das Reservoir, der Ozean, schränkt uns nicht ein", sagt er. (Oschlies hat selbst keine Forschungsgelder vom Additional Ventures-Konsortium erhalten, ist aber Seniorberater eines Projekts, das welche bekam.) Der Klimaexperte betont jedoch, dass es erhebliche Herausforderungen bei der Skalierung der Technik gibt und dass weitaus mehr Forschung erforderlich ist, um die effektivsten Ansätze samt sekundärer Auswirkungen solcher Maßnahmen zu verstehen. Insbesondere müssten bei einigen der Pläne zunächst riesige Mengen an alkalischen Materialien abgebaut, gemahlen und transportiert werden, was mit erheblichen Energie- und Umweltauswirkungen verbunden sei. "Das ist natürlich ein riesiger Aufwand, ähnlich wie beim Abbau fossiler Treibstoffe oder von Kohle", sagt er. "Das sind alles Nebeneffekte, die wir berücksichtigen müssen."

Andere Methoden wie die elektrochemische Entfernung saurer Stoffe aus dem Meerwasser oder die Aufbereitung von Abfällen aus dem Bergbau könnten hier helfen. Es gibt aber noch weitere Herausforderungen und Ungewissheiten. Mehrere kürzlich durchgeführte Laborexperimente deuten darauf hin, dass diese Ansätze nicht so gut oder einfach wie erwartet funktionieren. In einigen Fällen verringerte die Zugabe solcher Stoffe sogar die Alkalinität und damit die Aufnahme von Kohlendioxid. Womöglich funktionieren diese Methoden also nur in begrenzten Gebieten oder unter bestimmten Voraussetzungen. Gleichzeitig könnte die Umsetzung kostspieliger oder komplexer werden als erwünscht.

Einige der Mineralien enthalten Spuren von Schwermetallen, die sich in marinen Ökosystemen ansammeln können. Sie könnten auch die Lichtverhältnisse und die biologische Geochemie der Gewässer in einer Weise verändern, die verschiedenen Organismen schadet – und anderen, womöglich unerwünschten, hilft.

Schließlich ist es aufgrund der Tatsache, dass die Kohlenstoffentfernung erst in einem zweiten Schritt erfolgt, schwierig, genau zu überwachen und zu messen, wie viel CO₂ durch den Prozess tatsächlich aus der Atmosphäre entnommen wird. Offene Meere sind ein schwer beherrschbares und überprüfbares Ökosystem. Das wiederum könnte es schwierig machen, Anreize zu schaffen und solche Bemühungen durch Emissionshandel zu monetarisieren.

CarbonPlan, eine gemeinnützige Organisation aus San Francisco, die die wissenschaftliche Integrität von Projekten und Techniken zur Kohlenstoffentfernung bewertet, stuft die Verbesserung der Alkalinität der Ozeane derzeit am unteren Ende ihrer "Verifizierungssicherheitsskala" ein, die das Ausmaß bewertet, in dem die langfristige Kohlenstoffentfernung und -speicherung mit den vorhandenen Instrumenten und Ansätzen "genau quantifiziert werden kann".

"Mit diesen Prozessen ist eine große natürliche Variabilität verbunden, was bedeutet, dass es schwierig sein dürfte, das Signal vom Rauschen zu unterscheiden", sagt Freya Chay, Programmleiterin für CO₂-Entfernung bei CarbonPlan. "Wir befinden uns bei OAE noch in der Erkundungsphase – es gibt noch viel darüber zu lernen, wie man diese Technologien messen, überwachen und effektiv einsetzen kann", fügt sie hinzu.

Diese Herausforderungen sind genau der Grund, warum es so wichtig ist, ein koordiniertes Forschungsprogramm zur Erforschung der Ozeanalkalität zu finanzieren, argumentiert Gagern. "Eine der obersten Prioritäten von Carbon to Sea ist es, die Wissenschaft in die richtige Richtung zu lenken." Das tue man, indem Studien unterstützt werden, mit denen ermittelt werden kann, welche Ansätze unter welchen Bedingungen am effektivsten und sichersten funktionieren.

Der Konsortiumschef betont, dass die Verbesserung der Systeme zu Überwachung, Reporting und Überprüfung des tatsächlich durch diese Prozesse entfernten Kohlenstoffs ebenfalls ein "wichtiger Schwerpunkt" sein wird. Modelle und neuartige, verbesserte Sensoren sollen dabei helfen. Schließlich wird Carbon to Sea auch dem Aufbau einer entsprechenden Community dienen. Der Bereich soll in der Forschung eine höhere Priorität bekommen, man will mehr Wissenschaftler anziehen und ihre Zusammenarbeit durch Konferenzen, Workshops und Stipendien fördern.

Einer der ersten Geldempfänger von Carbon to Sea ist das Ocean-Alk-Align-Konsortium, eine internationale Gruppe von Forschern, die das Potenzial und die Umweltverträglichkeit der Erhöhung des Alkaligehalts im Meer untersucht. "Die Mittel von Carbon to Sea ermöglichen es uns, das Versprechen von OAE für eine sinnvolle Abschwächung des Klimawandels gründlich zu untersuchen, und stellt uns bedeutende Ressourcen zur Verfügung, um wichtige Fragen durch unabhängige wissenschaftliche Studien zu klären", so Katja Fennel, Leiterin des Konsortiums und Chefin des Fachbereichs Ozeanographie an der Dalhousie University, in einem Statement.

Weitere Gelder werden wahrscheinlich an eine Mischung aus Forschungsgruppen und Start-ups gehen. Eine Reihe von Unternehmen untersucht bereits verschiedene Ansätze. Das Projekt Vesta hat bereits das Potenzial für die Ausbringung von fein gemahlenem Olivin entlang von Stränden untersucht. Equatic, eine Ausgründung der UCLA, kombiniert alkalische Materialien mit Strom, um Kohlendioxid aus dem Meerwasser zu entnehmen und dabei eine saubere Form von Wasserstoff zu erzeugen. Ebb Carbon verwendet nach eigenen Angaben spezielle Membranen samt Elektrizität, um eine alkalische Lösung aus dem Abwasser von Entsalzungsanlagen und Industrieanlagen herzustellen. Dieser Stoff kann dann in den Ozean zurückgeführt werden.

Außerdem müssten die alkalischen Substanzen nicht unbedingt in den Ozean gelangen, um Kohlenstoff zu binden. Es gibt auch ein wachsendes Forschungsinteresse an einer weiteren Kategorie, die als "enhanced weathering" bekannt ist. Verwitterung soll so beschleunigt werden. Das Start-up-Unternehmen Lithos ermutigt Landwirte dazu, ihren Feldern zerkleinertes Basaltgestein beizumischen, um die Ernteerträge zu steigern und Kohlenstoff zu binden. Travertine, ein Unternehmen, das aus der Universität von Kalifornien in Berkeley hervorgegangen ist, entwickelt unterdessen Möglichkeiten, Bergbauabfälle zu nutzen, um CO₂ aufzunehmen und zu speichern.

Zu den weiteren Geldgebern von Carbon to Sea gehören auch die Builders Initiative, Catalyst for Impact, die Chan Zuckerberg Initiative von Meta-Boss Mark Zuckerberg, die Kissick Family Foundation, OceanKind und die Thistledown Foundation.

Additional Ventures stellt Mittel zur Verfügung, um Forschung und Entwicklung in drei Hauptbereichen zu beschleunigen: Klimawandel, biomedizinische Forschung sowie Gemeinschaft und Demokratie. Schroepfer gründete außerdem vor kurzem eine auf das Klima ausgerichtete Risikokapitalgesellschaft, die Firma Gigascale Capital.

Seiner Meinung nach ist es wichtig, die Forschung zur Ozeanalkalität jetzt in Gang zu bringen, da es Jahre dauern könne, bis ein umfangreiches wissenschaftliches Programm in Schwung kommt – von der praktischen Umsetzung ganz zu schweigen. "Wir hätten schon vor langer Zeit damit anfangen sollen, aber jetzt sind wir an diesem Punkt angekommen", sagt er. "Wir starten jetzt, damit wir, falls wir diese Technik in den nächsten Jahren brauchen sollten, die Grundlagen geschaffen haben. Wir wollen ein vielversprechendes neues Werkzeug für die Menschheit schaffen."

(bsc)