Astrostrom entwickelt Konzept für Solarstrom aus dem Weltall

Im Weltraum könnte – theoretisch– 24 Stunden lang Solarstrom gewonnen werden. Noch ein Traum, aber nicht ganz unrealistisch, laut einer Machbarkeitsstudie.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 136 Kommentare lesen

(Bild: Astrostrom)

Lesezeit: 5 Min.

Das Schweizer Unternehmen Astrostrom hat den Gedanken vom Solarstrom aus dem Weltall für den Mond weitergesponnen – in einer von 2021 bis 2023 durchgeführten Studie mit Unterstützung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).

Im Mittelpunkt des Plans steht die sogenannte GE⊕-LPS ("Greater Earth Lunar Power Station"), eine bewohnbare Raumstation in der Mondumlaufbahn. Sie soll Solarenergie für die Infrastruktur von auf dem Mond stationierten Menschen liefern. Das Projekt entstand als Teil der ESA-Kampagne "Clean Energy – New Ideas for Solar Power from Space" und ist eines von einem knappen Dutzend. "Die meisten erforderlichen Technologien sind bereits vorhanden oder befinden sich in der Entwicklung", sagt Astrostrom-Chef Arthur Woods gegenüber MIT Technology Review.

An der Raumstation befinden sich dem Plan zufolge V-förmige Solarpaneele, die sich an Schmetterlingsflügeln orientieren, allerdings als Helix konfiguriert sind (um möglichst dauerhaft Strom einzusammeln) und 61.350 Kilometer über dem Mond schweben sollen (Lagrange-Punkt zwischen Mond und Erde). Die Größe wäre mit einem Quadratkilometer gigantisch. Astrostrom schätzt, dass man so über 20 Megawatt Dauerleistung erzeugen könnte, um sie dann zu einer Mondbasis zu schicken – später auch auf die Erde. Für die Stromübertragung sollen Mikrowellen zum Einsatz kommen. Auch die Sendeanlage im All wäre mit 1000 Meter × 1174 Meter riesig. Die Empfangsanlage auf dem Mond hätte gar einen Durchmesser von vier Kilometern.

Da sich all das notwendige Material kaum ins All transportieren lässt, soll GE⊕-LPS weitestgehend mit Rohstoffen vom Mond hergestellt werden. Dazu gehört Eisenpyrit, dessen Komponenten im Mondregolith stecken und das für Monoschicht-Solarzellen genutzt werden soll. Die Entwicklung solcher Solarzellen geht laut Studie auf Forschende aus Estland zurück, wobei die Solarzelle, auf einer Halbleiterverbindung aus mikrokristallinem Pulvern beruht, das unter der chemischen Formel Cu2CdGe(SxSe1-x)4 bekannt ist. Aber auch Silizium und Titaneisen liegen auf dem Mond vor, sie sind der Studie zufolge für die Herstellung elektronischer Komponenten gedacht.

Zu den Stoffen, die von der Erde importiert werden müssten, gehört Kaliumfluor, Chlor und Flusssäure, die auf dem Erdtrabanten nicht vorkommen und als Reagenzien benötigt werden. Außerdem braucht es laut der Studie Öfen, Rohre, Kühler, Pumpen, Tanks und Ventiltechnik. Das Solarkraftwerk soll für eine dauerhafte menschliche Stationierung ausgerichtet sein und dank Weltraumtourismus Geld einbringen.

Wem das alles noch nicht zu futuristisch ist, wird sich über ein weiteres Detail freuen, das in der Astrostrom-Studie steckt: Um das Material vom Mond zur Station zu befördern, soll nämlich auch ein Weltraumaufzug gebaut werden – und später sogar einer von der Station zur Erde. "Unsere Forschung hat gezeigt, dass die Entwicklung eines Weltraumaufzugs vom Mond zur Erde ein viel größeres Potenzial zur Senkung der Transportkosten und zur Erhöhung der Kapazität hat als andere Technologien, einschließlich Raketentransport und Massentransporter", sagt CEO Woods. Dass das allein schon ein Megaprojekt darstellt, ist dem Firmenchef offenbar klar, er hofft aber auf die Hilfe der Physik. "Die Fertigungsprozesse auf der Mondoberfläche werden von der geringeren Schwerkraft profitieren, was die Extrapolation irdischer Prozesse auf den Mond vereinfacht." Damit meint er unter anderem, dass es weniger mächtige Kräne braucht, um die Industrieanlagen zu bauen.

Die Kosten für die Implementierung schätzt Astrostrom auf – vergleichsweise günstig erscheinende – 100 Milliarden Euro. Der teuerste Teil entfällt dabei auf die Produktion auf dem Mond samt der notwendigen Bergbauunternehmungen. Für die Weiterentwicklung des Konzepts eines Satellitensolarkraftwerks werden 15 Milliarden veranschlagt. Auf die Frage, wovon Astrostrom derzeit lebt, sagt Woods, man fungiere als Thinktank für Industrie, Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen. Dabei führe man Machbarkeitsstudien und Visualisierungsprojekte durch. "Wir entwickeln spezifische Konzepte im Zusammenhang mit unserer Forschung, die Investoren anziehen könnten."

Zu einer konkreten Umsetzung, die Jahrzehnte dauern könnte, äußert sich Astrostrom nicht. Die Firma hofft aber auf Hilfe aus dem Nachhaltigkeitsbereich und entsprechenden Fördermitteln, doch ob die kommen, ist ungewiss. Die 100 Milliarden Euro entsprechen angeblich nur zwei Prozent der Kosten der europäischen Energiewende. "Wenn das von uns vorgeschlagene Programm in den nächsten Jahren anläuft und sich genügend Interessenvertreter aus den Mitgliedsländern engagieren, sind wir zuversichtlich, dass die ersten Solar Power Satellites, die hauptsächlich aus Mondmaterialien gebaut werden, Ende der 2030er-Jahre in die Umlaufbahn gebracht werden könnten", so Astrostrom-Chef Woods. Nachdem der Demonstrator auf dem Mond funktioniert, könnte dann auch die Erde mit Strom aus dem All versorgt werden.

(bsc)