Wahre Kosten: Penny erhöht Preise für neun Produkte

Viele Menschen leiden unter hohen Lebensmittelpreisen. Penny will dennoch ein Bewusstsein für Kosten schaffen, die sonst kaum einsehbar sind.

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Eines von neun Produkten, für die der Discounter Penny diese Woche mehr Geld verlangt.

(Bild: Penny)

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Der Disounter Penny bietet diese Woche neun Produkte seiner Eigenmarken für einen höheren Preis an. Der Fruchtjoghurt "Naturgut Bio" beispielsweise ist für 1,56 Euro zu haben, normalerweise kostet er 1,19 Euro. Die Differenz ergibt sich aus den mit wissenschaftlicher Hilfe errechneten Kosten für die Posten Klima, Wasser, Boden und Gesundheit. An der Aktion beteiligen sich alle 2150 deutschen Penny-Märkte, die Differenz aus dem normalen und dem wahren Preis will der Discounter an ein Projekt spenden, an dem er bisher schon beteiligt ist.

"Jede Form von Produktion und Konsum hat Auswirkungen auf die Umwelt", schreibt Penny in einer Mitteilung. Diese derzeit unsichtbaren Umweltfolgekosten fielen entlang der Lieferketten zwangsläufig an, spiegelten sich aber nicht oder nur anteilig im Verkaufspreis der Produkte, Dienstleistungen und Lebensmittel wider. Es sei nicht einsehbar, ob, wann, wie, wo und sie von wem ausgeglichen werden. Zusammen mit der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald wolle Penny eine Grundlage für eine breite Diskussion darüber schaffen. Auch wolle der Discounter seiner Kundschaft anhand wissenschaftlicher Berechnungen "klare Handlungsoptionen" aufzeigen.

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Der Probewarenkorb enthält vier tierische Bioprodukte, vier tierische konventionelle Produkte und ein veganes Produkt. Die "wahren Kosten" sind jeweils in unterschiedlichen Anteilen im Verkaufspreis erfasst. Die erhobenen Bio-Lebensmittel haben Umweltfolgekosten in Höhe von durchschnittlich 1,15 Euro, die konventionellen von durchschnittlich 1,57 Euro und das vegane Food For Future Schnitzel von 14 Cent. Am meisten verteuert sich der Preis für die Würstchen "Mühlenhof Wiener", nämlich von 3,19 auf 6,01 Euro.

Penny-COO Stefan Görges räumt ein, dass viele Menschen unter hohen Lebensmittelpreisen leiden. "Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln." Dafür wolle sein Unternehmen Bewusstsein schaffen. In Europa habe es bisher keinen vergleichbar breiten Ansatz gegeben.

Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Dr. Amelie Michalke von der Uni Greifswald ergänzt, es gehe nicht darum, die wahren Kosten unmittelbar für alle Lebensmittel einzuführen. "Dazu fehlen die umfassenden wissenschaftlichen Grundlagen ebenso wie Antworten auf zentrale Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Wir erhoffen uns einen starken Impuls, damit wir Preise für Lebensmittel in einer anderen und (verursacher)gerechteren Form diskutieren und betrachten."

Unter der Rubrik "Klima" beziehen Penny und die Forschenden alle klimaschädlichen Emissionen der Landwirtschaft ein. Das sind zum Beispiel Methan, das von Rindern während ihrer Verdauung produziert wird, oder Kohlenstoffdioxid, das während der Nutzung von dieselbetriebenen Traktoren entsteht. In der Kategorie "Wasser" werden alle Schadstoffe berücksichtigt, die sich negativ auf die Beschaffenheit des Grundwassers oder anderer Wasserquellen und -speicher auswirken. Das können beispielsweise Stickstoffe aus Düngemitteln sein.

Übersicht der Aktionsware mit normalem und Aktionspreis.

(Bild: Penny)

Der Umstand, dass natürliche Flächen für landwirtschaftliche Nutzung verändert werden, spielt für den Faktor "Boden" eine Rolle. Und schließlich wirke sich nicht nur der Konsum, sondern auch die Produktion von Lebensmitteln auf die Kategorie "Gesundheit" aus. Werden beispielsweise Pestizide verwendet, werden giftige Stoffe frei, die vor allem bei Beschäftigten in der Landwirtschaft zu gesundheitlichen Problemen führen können. Auch wirke sich die vermehrte Produktion von Feinstaub – vor allem wegen Ammoniak, der bei der Tierhaltung oder dem Gebrauch von Gülle auftritt – negativ auf menschliche Atemwege aus.

Basis der Berechnung ist die Methode des "True Cost Accounting" (PDF). Dabei wird zunächst anhang von 18 Wirkungskategorien der Lebenszyklus eines Lebensmittels bestimmt. Dann wird jeder Wirkungskategorie ein Kostenfaktor zugeschrieben, die einzelnen sowie aggregierten externen Kosten werden berechnet. Drittens wird der wahre volkswirtschaftliche Preis des Lebensmittels berechnet und die Differenz beziehungsweise der Aufschlag durch die externen Kosten dargestellt.

Im September 2020 hatte Penny schon einmal auf seinen Preisschildern "wahre Kosten" ausgewiesen, seinerzeit mit Unterstützung der Universität Augsburg. Die Aktion war auf den damals neu eröffneten "Nachhaltigkeits-Erebnismarkt" in Berlin-Spandau begrenzt. An der Kasse wurde nicht der "wahre Preis" berechnet, sondern der normale.

Das Geld, das diese Woche durch den Aufpreis hereinkommt, will Penny an das "Zukunftsbauer" spenden. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt von Penny, der Molkerei Berchtesgadener Land sowie Landwirten und Landwirtinnen, die einen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum leisten wollen. Die Molkerei und Penny zahlen jährlich zusammen 350.000 Euro in einen Fördertopf, aus dem Landwirte der Genossenschaftsmolkerei, die ihre Höfe energetisch optimieren wollen, eine Förderung von bis zu 10.000 Euro erhalten.

(anw)