Sachsen: "Digitale Selbstlernmodule" sollen auch Lehrkräftemangel mildern

Die Maßnahme wird mit einem Kompetenzgewinn für Kinder und Jugendliche beworben, soll aber auch helfen, wenn es an Lehrkräften fehlt: Und an denen fehlt es.

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(Bild: Ground Picture/ Shutterstock.com)

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Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) will das Kind nicht direkt beim Namen nennen, führt aber aus, was die Kultusministerkonferenz (KMK) schon im vergangenen Jahr prognostizierte und die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) in einem Empfehlungskatalog "zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel" in diesem Jahr weiter ausgeführt hat.

In Sachsen sollen in diesem Schuljahr verstärkt "digitale Selbstlernmodule" zum Einsatz kommen. Laut Piwarz geschehe dies, da "das selbstständige und selbstorganisierte Lernen zunehmend zu einer Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts wird. Zukünftig kommt es immer stärker darauf an, Schülerinnen und Schüler zum selbstorganisierten Lernen zu befähigen." Die digitalen Module könnten aber auch genutzt werden, wenn Lehrkräfte ausfallen. Dass dies ohnehin durch den zunehmenden Lehrkräftemangel passieren wird, ist klar.

Bisher gibt es 63 digitale Module für 16 Fächer der Klassenstufen 3 bis 13. 43 weitere Module würden derzeit erarbeitet. Dies geschieht im Verbund mit der Firma Digitale Lernwelten aus Eichstätt. Deshalb könnten auch Video-Lehrkräfte mit bayerischem Akzent auftreten. Die Inhalte der Module würden aber auf sächsischen Lehrplänen beruhen.

Piwarz betonte, dass es ein "sinnvolles Miteinander der analogen und der digitalen Welt" brauche. Digitale Module könnten Lehrer nicht ersetzen. Allerdings könnten Schüler so stärker das selbstständige Lernen erlernen. Laut Ministerium entlaste der Einsatz der Module die Lehrkräfte auch bei der Unterrichtsvorbereitung.

Die KMK stellte 2022 fest, dass die Schulen in einem massiven Lehrkräftemangel laufen, auch deshalb müsse man mehr auf digitale Angebote setzen. Die damalige KMK-Vorsitzende forderte Karin Prien (CDU) dabei eine "Debatte ohne Tabus". Die SWK konkretisierte dann mit einem Empfehlungskatalog, was das in der Praxis heißen könne. Ab der Sekundarstufe I müssten die Schülerinnen und Schüler mehr zum selbstständigen und selbstorganisierten Lernen befähigt werden, um dort mit weniger Lehrkräften auszukommen. Der Präsenzunterricht müsse eher für jüngere Kinder sichergestellt werden, Jugendliche könnten auch mit digitalen Lernmitteln und weniger Personaleinsatz voranschreiten. Der dazu erarbeitete Empfehlungskatalog der SWK birgt die Hoffnung, "den Lehrkräftebedarf unter bestimmten Bedingungen zu senken".

Die Darstellungen von Sachsens Kultusminister Piwarz passen nun auch zu diesem Empfehlungskatalog. Wie die dpa berichtet, gab der Minister zu, dass Sachsen eigentlich mehr Lehrkräfte einstellen wollte.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte in dieser Woche von mindestens 3.000 zusätzlich benötigten Lehrkräften für Sachsen gesprochen, um eine verlässliche Unterrichtsabdeckung zu schaffen. Auch verwies die GEW auf Rechentricks des Ministeriums: "Der reguläre Unterricht nach Stundentafel wird bereits im Planansatz des Kultusministeriums im Umfang von über 1.000 Lehrkräftestellen gekürzt und taucht dann in der Statistik als 'planmäßiger Unterrichtsausfall' auf." Wie der MDR berichtet, sollen mehr als 1000 Einstellungen für dieses Schuljahr erfolgt sein.

Piwarz erklärte laut dpa, dass es sei auch beim jetzigen Einstellungsverfahren nicht gelungen sei, in speziellen Schularten und in einzelnen Regionen die Bedarfe zu decken. "Es fehlen schlicht und ergreifend die Bewerber". Die Unterrichtsabsicherung werde erneut eine große Herausforderung. In welchem Umfang dies gelinge, könne er nicht sagen: "Die Glaskugel habe ich leider nicht."

Ein Sorgenkind bleibe die Oberschule, während es in den Grundschulen mit dem Personal noch vergleichsweise gut aussehe. In Ostsachsen und Erzgebirge sei der Mangel besonders spürbar – mit Ausnahme von Grundschulen im Erzgebirge. Die meisten angehenden Lehrkräfte würden nach wie vor nach Dresden und Leipzig wollen. Um der angespannten Personallage zu begegnen, wurden unter anderem mehr Assistenzkräfte eingestellt, die 472 Stellen um 172 erhöht.

Auch die Hürden für Seiteneinsteiger wurden gesenkt: Während als Seiteneinsteiger im sächsischen Schulbetrieb bislang nur Hochschulabsolventen zum Einsatz kamen, können jetzt auch Menschen mit einem Fachhochschulabschluss oder Absolventen der Berufsakademien in den Schulbetrieb wechseln. Über Weiterqualifizierungen könnten sie vollwertige Lehrer werden, sagte der Minister. "Wir erhoffen uns eine breitere Auswahlmöglichkeit." 161 Seiteneinsteiger sollen zu Beginn des neuen Schuljahres ihren Dienst starten.

Nach vorläufigen Zahlen steigt die Schülerzahl in Sachsen im neuen Schuljahr auf 536.470 – das sind 27.589 mehr als im vergangenen Schuljahr. Eine Steigerung der Schülerzahlen ist auch in anderen Bundesländern zu verzeichnen. In Niedersachsen rechnet das Kultusministerium mit 841.000 Kindern und Jugendlichen. Das sind fast 30.000 mehr als im vorherigen Schuljahr.

(kbe)