Alles bleibt anders – Das Verwirrspiel um Zoll und Zentimeter geht weiter

Bei der Verwendung von nicht amtlich zugelassenen Einheiten im gewerblichen Umfeld, etwa in der Werbung oder Produktkatalogen, hat der Gesetzgeber die geltenden Regeln zwar entschärft, im Einzelfall ist dennoch Vorsicht geboten, damit sich Händler nicht der Gefahr von Abmahnungen aussetzen.

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Von
  • Fabian Schmieder

Klempner, HiFi-Enthusiasten, Autotuner aber auch IT-Schaffende haben eine Sache gemeinsam: den Hang zur Maßeinheit "Zoll". Der legendäre "zöllige Schieber" aus den Werner-Comics hat sich ebenso eingebürgert, wie die untypische Größenangaben bei Lautsprechern, Autofelgen und Flachbildschirmen. Auch wenn in den allermeisten Bereichen diese Maßangaben gängige Größenbezeichnungen einer bestimmten Produktgattung sind, welche auch von Verbrauchern akzeptiert und verstanden werden, verstoßen sie für sich alleine in aller Regel gegen das Gesetz. Die Folge: Bei ungesetzmäßiger Verwendung drohen Abmahnungen und Bußgelder.

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Einheiten im Meßwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG) sind im amtlichen, aber auch im geschäftlichen Verkehr nämlich alle Größen in gesetzlichen Einheiten anzugeben, wenn für sie Einheiten in der Ausführungsverordnung zum EinhZeitG (EinhV) festgesetzt sind. Gibt es für eine bestimmte Größenangabe hingegen keine gesetzliche Einheit, ist man in der Wahl der Einheit frei. Keine Gefahr besteht daher bei den Einheiten für die Angabe der Speichergröße; weder das Gigabyte noch das Kilobit sind gesetzliche Größenangaben, obwohl die Zeit dafür möglicherweise reif wäre.

Gewichts-, Längen- und Flächenmaße sind hingegen gesetzlich normiert und beruhen alle auf dem in Europa gängigen metrischen System. Das angelsächsische "Zoll" oder dessen Abkürzung (") mit seinen 25,4 mm gehört ebenso wie die Unze (oz.) wenig überraschend nicht zu den gesetzlichen Einheiten. Sie dürften daher streng genommen im geschäftlichen Verkehr, vor allem also auch in der Werbung oder in Produktkatalogen nicht verwendet werden. Weil dies nicht nur für Klempner und sonstige eingeweihte Anwender die teilweise historisch gewachsene Gewöhnung über den Haufen geworfen hätte, hat der Gesetzgeber in § 3 EinhV die zusätzliche Verwendung nicht gesetzlicher Einheiten gestattet, wenn die Angabe in der gesetzlichen Einheit hervorgehoben ist.

Diese Ausnahmeregelung war zwar ursprünglich nur bis zum Ende des Jahres 2009 befristet und schürte bereits die Befürchtung, dass Händlern, welche IT- und Unterhaltungselektronik verkaufen, mit Beginn des Jahres 2010 reihenweise Abmahnungen ins Haus flattern. Ende Oktober vergangenen Jahres wurde die Befristung allerdings wieder aufgehoben und so spricht auch weiter grundsätzlich nichts dagegen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere bei der Gestaltung von Anzeigen und Webshops die Bemaßung im vor allem bei Notebooks und Bildschirmen gewohnten "Zoll" anzugeben – jedenfalls dann, wenn man sich an die Regeln hält.

Weil der Verbraucherschutz inzwischen als ausdrückliches Ziel in das Wettbewerbsrecht aufgenommen wurde (vergleiche § 3 Abs. 1 UWG) und das EinhZeitG auch dem Verbrauchschutz dient, müssen alle die sich nicht an die gesetzlichen Regeln halten mit Abmahnungen von Mitbewerbern rechnen. Erfährt ein Mitglied des Beamtenapparats in Form des zuständigen Eichamts von derlei gesetzwidrigem Verhalten, hat man obendrein auch eine Chance auf Post in Form eines Bußgeldbescheides.

So geht's nicht – die metrische Angabe bei der Bildschirmdiagonalen fehlt gänzlich

Dabei ist es im Prinzip nicht schwer, das Problem in den Griff zu bekommen. Es gilt zunächst die simple Devise, dass man nicht ohne Not das Gesetz brechen sollte. Wenn das EinhZeitG also vorschreibt, dass für die gewünschte Größenangabe metrische Maßangaben zu verwenden sind, dann ist es naheliegenderweise keine gute Idee gänzlich auf die Angabe in Zentimetern oder einer Ableitung davon zu verzichten. Klingt einfach – stellt allerdings für viele Händler schon die erste, kaum zu überwindende Hürde dar. Auch wenn manch einer die Maßangabe "Zoll" in das Reich der Gattungsbegriffe wie "Kleinwagen" oder "Luxusklasse" diskutieren will, tut man gut daran nicht gänzlich auf die metrische Größenangabe zu verzichten und so jeglichen Ärger von vornherein zu vermeiden.

Ist die erste Hürde überwunden, sollte man noch einen Blick in die EinhV werfen: Gemäß § 3 EinhV ist neben der gesetzlichen, metrischen Einheit auch die Angabe zusätzlicher nichtgesetzlicher Einheiten zulässig, wenn jedenfalls die gesetzliche Einheit hervorgehoben ist.

Fraglich bleibt also nur noch, welches die richtige Art der Hervorhebung ist. Leider hat der Gesetzgeber keine Beispiele dafür parat, so dass einstweilen der gesunde Menschenverstand herhalten muss. Unzweideutige Hervorhebungen sind vor allem Änderungen in der Darstellung der Schrift. Die gesetzliche Größenangabe kann also zulässigerweise fett oder kursiv gedruckt oder mit einer Unterstreichung versehen und die Angabe in Zoll in normalem Textsatz davor oder dahinter platziert werden. Die Position der nichtgesetzlichen Einheit spielt nämlich nach dem Wortlaut des Gesetzes grundsätzlich keine Rolle.

So ist es richtig; die metrische Angabe groß und die nicht-gesetzliche Angabe klein darunter

Zulässig ist auch eine Hervorhebung durch Anpassung der Schriftgröße. Entweder setzt man die gesetzliche Maßangabe etwas größer als den übrigen Text oder die nichtgesetzliche einfach etwas kleiner. Als Faustformel gilt: Wenn jemand versucht, bloß den Anschein zu erwecken, ein Text sei hervorgehoben, dann wird ein Richter in aller Regel entscheiden, dass dieser nicht hervorgehoben ist. Diskussionen über den Unterschied von 11pt- und 11,25pt-Schriftgrößen sollte man sich also lieber sparen und stattdessen versuchen selbst in die Rolle des unbefangenen Verbrauchers zu schlüpfen.

Nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausreichend sind leider auch die häufig anzutreffende Einklammerung der unüblichen, aber gesetzlichen Größenbezeichnung in gleicher Schrifttype. Ein Klammerzusatz fällt in seiner Bedeutung gegenüber dem übrigen Satz ab, denn er dient in aller Regel zur weiteren Erläuterung. Er stellt demnach jedenfalls keine Hervorhebung, sondern wenn überhaupt nur das Gegenteil dar.

An die buchstäbliche Grenze des Gesetzes gelangt man im umgekehrten Fall. Also immer dann, wenn man beispielsweise die Größe der Bildschirmdiagonale zwar in der gesetzlichen Einheit angibt, dem "54,6 cm-TFT" dann jedoch in Klammern oder getrennt durch einen Schrägstrich die Größe in Zoll hinzusetzt. Auch wenn dieses Vorgehen im Prinzip einen sinnvollen Kompromiss darstellt und häufig in bester Absicht praktiziert wird, birgt es doch noch eine kleine Ungewissheit – und damit auch ein "Abmahnrestrisiko".

Die gesetzliche Größe gehört nicht in die Klammer!

Das Gesetz erfordert schließlich ausdrücklich eine "Hervorhebung" der gesetzlichen gegenüber der nichtgesetzlichen Maßangabe. Ob sich diese Hervorhebung bereits durch die unterordnende Einklammerung in einem Satz ergibt, ist bisher noch nicht durch die Gerichte entschieden. Auch wenn also einiges dafür spricht, dass eine Zoll-Angabe im Klammerzusatz von untergeordneter Bedeutung ist und damit umgekehrt die nicht in Klammern stehende Maßangabe hervorgehoben ist, bleibt bei dieser Praxis Vorsicht geboten.

Wer auf Nummer sicher gehen will, vermeidet daher den Klammerzusatz und setzt die gesetzliche Maßangabe stets in sichtbarer Hervorhebung, auch wenn das gerade in Webshops ohne ausgefeilte Formatierungsfunktionen für die Artikelbeschreibungen nicht ganz trivial ist und auch nicht immer die Lesbarkeit der Texte fördert. Ansonsten bleibt an dieser Stelle der Appell an den Gesetzgeber, den Klammerzusatz ausdrücklich in den Wortlaut des Gesetzes aufzunehmen und damit die gelebte Praxis zu "legalisieren", um somit für Rechtssicherheit bei den vielen Händlern zu sorgen.

Siehe hierzu auch:

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