Expertenrunde soll Schengener Informationssystem II reparieren

Der Europäische Rat hat eine Verordnung verfasst, die eine Verlängerung der Testläufe über den Abschlusstermin am 20. Juni 2010 ermöglicht. Ein "Global Programme Management Board" soll derweil über die Zukunft der europäischen Fahndungssysteme entscheiden.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach einem negativ verlaufenen Test der Lösung von Hewlett Packard und Steria Mummert ist die Zukunft des geplanten Schengener Informationssystems II (SIS II) unklarer denn je. Das Schengener Informationssystem wird von den 25 europäischen Ländern der Schengen-Zone genutzt. Ursprünglich sollte SIS II im September 2009 in den Wirkbetrieb gehen. SIS II sieht als Zusatz zur aktuellen Generation der Fahndungsdatenbank vor allem die Speicherung biometrischer Daten wie von Lichtbildern und Fingerabdrücken vor. Ursprünglich sollten die Meilenstein-Tests noch in diesem Jahr durchgeführt werden. Der Termin ist aufgrund erneuter technischer Schwierigkeiten nun aber nicht mehr haltbar. Ursprünglich sollte die erweiterte Datenbank, für die der Steuerzahler bislang mit über 60 Millionen Euro zur Kasse gebeten wurde, bereits 2007 in Betrieb gehen.

Der Europäische Rat hat nun eine Verordnung verfasst, die eine Verlängerung der Testläufe über den Abschlusstermin am 20. Juni 2010 ermöglicht. Derweil dürfen neue Kürzel gelernt werden: SIS 1+ RE nennt sich eine SIS II-Alternative für Software-Anbieter. Noch wichtiger wird GPMB, das neu eingerichtete Global Programme Management Board. Das Expertengremium soll über die Zukunft der europäischen Fahndungssysteme entscheiden.

Die im Juni 2009 für den Herbst angekündigten Testläufe von SIS II, die noch einmal auf den Januar 2010 verschoben wurden, haben keine befriedigenden Ergebnisse erbracht. Das zentrale, von HP/Steria gelieferte Rechnersystem sollte mindestens 72 Stunden Nonstop laufen, der Rechner stürzte aber nach 24 Stunden ab. Die Veröffentlichung des vollständigen Evaluationsberichtes des Testlaufes steht noch aus, doch eine erste Analyse soll ergeben haben, dass der Fehler nicht in zugekauften Komponenten wie etwa des verwendeten DBMS liegen kann, sondern im gelieferten Zentralrechner vermutet wird. Für die Entwicklung dieses Systems hat die EU bereits etwa 70 Millionen Euro ausgeben.

Obwohl der geforderte Meilenstein nicht erreicht wurde, hat der Rat der Europäischen Union einen Verordnungsvorschlag für die EU-Kommission entwickelt, der eine Fortsetzung der Arbeiten an SIS II möglich macht. Die Verordnung stellt sicher, dass der Rechtsrahmen nicht ungültig wird, ehe die "Migrationsarbeiten" abgeschlossen sind. So werden formell die Arbeiten an SIS II verlängert, die eigentlich zum 20. Juni 2010 beendet sein sollten.

Das mit der Verordnung neu eingerichtete Expertengremium GPMB "soll die globale Verwaltung und Koordinierung des SIS-II-Programms und der damit verbundenen Tätigkeiten verbessern und dafür sorgen, dass das Zentralsystem und die nationalen Systeme aufeinander abgestimmt sind. Es soll aus höchstens zehn Experten bestehen, wobei acht Experten (und ihre Stellvertreter) von den Mitgliedsstaaten gewählt werden und zwei Experten aus der EU-Kommission benannt werden.

Das GPMB soll als zentrale Koordinierungsstelle der Arbeiten an SIS II dienen und auch die mögliche Alternativ- oder Interimslösung SIS 1+ RE begutachten. Die Bezeichnung deutet auf eine Verlängerung bestehender Interimslösungen hin: SIS 1+, auch SISone4all genannt, ist eine Variante von SIS I, die 2007 eigens für den Beitritt neuer Länder zum EU-Raum programmiert wurde.

Die deutsche Regierung sieht die EU-Verstöße zu SIS II eher skeptisch. Auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin Anfang Februar erklärte Innenstaatssekretär Ole Schröder SIS II zum "Desaster" und sah keine Zukunft des Systems: "Wir bekommen es nicht auf die Straße".

Auf eben diesem Kongress präsentierte sich die die Firma Palantir Technologies, die ihr Homeland Security-System World-Check in Europa mit Hilfe von Capgemini an Regierungen verkaufen will. In seiner Rede vor den Kongressdelegierten pries der Homeland-Security-Experte Bryan Cunningham von Palantir das Worldcheck-System als "ideale Interimslösung" für SIS-Datenbanken, die auch langfristig die Grundlage eines neuen Schengener Informationssystems bilden könnte. Die Worldcheck-Datenbank PEP (Politicalley Exposed Persons) soll von 49 der Top-50-Banken in der Welt eingesetzt werden, um Finazüberweisungen von und an Terroristen aufzuspüren. (anw)