FTX-Urteil: SBF schuldig in allen Anklagepunkten

Die Geschworenen befinden FTX-Mitgründer Sam Bankman-Fried schuldig in allen sieben Anklagepunkten. SBF droht nun eine jahrelange Haftstrafe.

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FTX-Logo hinter Gerichtshammer

(Bild: Sergei Elagin/Shutterstock.com)

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Lange haben sie nicht beraten, die Geschworenen im Strafverfahren USA v. Samuel Bankman-Fried am US-Bundesbezirksgericht für das südliche New York (Az. 22-Cr-673). Sie befinden FTX-Mitgründer Sam Bankman-Fried (SBF) in allen sieben zur Verhandlung stehenden Anklagepunkten für schuldig.

SBF ist Mitgründer der im November pleite gegangenen Kryptospekulationsfirma Alameda Research sowie des ebenfalls insolventen Firmengeflechts der Kryptobörse FTX. Er hat Kundeneinlagen veruntreut und für Wetten auf Kryptowährungen, hohe Spenden an Politiker, Immobilienkäufe und andere Ausgaben missbraucht. Im Dezember auf den Bahamas verhaftet und in New York angeklagt, ließ sich SBF freiwillig an die USA ausliefern.

Am Donnerstag wurde der 31-Jährige verurteilt. Die Geschworenen, neun Frauen und drei Männer, haben nach rund einem Monat Verhandlungsdauer nicht lange gebraucht, um sich zu einigen. Nach lediglich gut vier Stunden, in denen auch Zeit für ein Abendessen war, teilten sie dem Gericht ihre Entscheidung mit.

Von den eigentlich 13 Anklagepunkten gegen FTX-Gründer Bankman-Fried standen sieben zur Verhandlung, weitere Prozesse könnten folgen. Zu keinem der sieben Vorwürfe gab es einen Freispruch. Das kommt nicht überraschend, haben sich doch die mitangeklagten Komplizen allesamt schuldig bekannt und zum Großteil schwer belastend ausgesagt. Das macht es schwierig, als Einzelner auf "Ich bin unschuldig" zu plädieren und einen Geschworenen davon zu überzeugen.

Damit steht fest: Bankman-Fried hat erstens Kunden von FTX.com betrogen, zweitens Kreditgeber von Alameda Research betrogen, und drittens FTX-Investoren betrogen. Juristisch ist SBF schuldig des

  • Betrugs an FTX.com-Kunden mit Einsatz von Telekommunikationsmitteln; darauf stehen bis zu 20 Jahre Haft;
  • Betrug an Kreditgebern Alameda Researchs mit Einsatz von Telekommunikationsmitteln (bis 20 Jahre),
  • Verschwörung zu Betrug an FTX.com-Kunden mit Einsatz von Telekommunikationsmitteln (bis 20 Jahre),
  • Verschwörung zu Betrug an Kreditgebern Alameda Researchs mit Einsatz von Telekommunikationsmitteln (bis 20 Jahre),
  • Verschwörung zu Geldwäsche (bis 20 Jahre),
  • Verschwörung zu Anlagebetrug an FTX-Investoren (bis 5 Jahre), und
  • Verschwörung zu Anlagebetrug an FTX-Kunden (bis 5 Jahre).

Das macht in Summe theoretisch bis zu 110 Jahre Haft. So viel wird es nicht werden, zumal SBF nicht vorbestraft ist und sich freiwillig hat ausliefern lassen. Für die Strafbemessung ist der Richter zuständig, nicht die Geschworenen. Diese durften bereits nach Hause gehen. Während ihrer kurzen Beratung haben die Geschworenen um die Vorlage bestimmter Aussageprotokolle gebeten. Daraus lässt sich vermuten, dass sie zu den beiden letztgenannten Anklagepunkten Diskussionsbedarf hatten. Die dennoch schnelle Entscheidung zeigt das schwere Gewicht der Zeugenaussagen und Beweise.

Das Verfahren lief von Anfang nicht gut für SBF. Seine Komplizen verbündeten sich fast alle mit der Anklage, verschiedene Manöver der Anwälte unterband der Richter schon vor Beginn der Verhandlungen im Gerichtssaal, und auch dort machten wiederholende sowie unzulässige Fragestellungen der Verteidiger keinen schlanken Fuß.

Nicht nur seinen Komplizen, sondern auch seinen früheren Anwälten wollte SBF die Schuld zuschieben. Theoretisch kann es in den USA schuldbefreiend wirken, wenn ein Angeklagter darlegen kann, den Rat seiner Anwälte befolgt zu haben. Tatsächlich sind die Bedingungen dafür aber nur in seltenen Fällen gegeben. Einerseits muss der Beschuldigte seine Anwälte im Voraus über alle relevanten Faktoren informiert haben, was nicht oft der Fall ist. Andererseits muss es sich um einen Sachverhalt handeln, der, verkürzt ausgedrückt, für juristische Laien nicht als rechtswidrig erkennbar ist. Unter falschen Versprechungen Geld anderer Leute für hochspekulative Wetten zu nutzen, fällt kaum darunter.

Ein weiteres Argument der Verteidigung war, dass SBF die Leitung der Krypto-Wettanstalt Alameda Research seiner Ex-Freundin anvertraut hatte und diese entgegen seiner Anordnungen keine Absicherungen gegen Spekulationsverluste vorgenommen hat. Dieses Argument läuft ins Leere, weil ja nicht die Verluste das wesentliche Element der Straftat sind, sondern der Missbrauch anderer Leute Geld. Ob dieser Missbrauch dann durch Hedging abgesichert wird oder nicht, ist zweitrangig.

Selten stellen sich Angeklagte selbst als Zeugen zur Verfügung. Wenn, erfolgt das freiwillig. Wer es tut, steht unter Wahrheitszwang und muss sich einem Kreuzverhör der Anklage stellen. SBF hat es dennoch probiert, vielleicht aus Verzweiflung. Während er die Fragen seiner Verteidiger fließend beantwortete, erinnerte sich der ehemalige FTX-Chef bei den Fragen der Anklage an wenig. Nicht weniger als 140 Mal soll er Variationen von "ich kann mich nicht erinnern" von sich gegeben haben. Den Geschworenen wird das nicht entgangen sein.

In diesem Fall kam hinzu, dass der Angeklagte SBF vor dem Verfahren geredet hat wie ein Wasserfall [–] Strafverteidiger raten davon grundsätzlich ab, weil alle Aussagen gegen den Angeklagten verwendet werden können. So kam es auch hier. SBF hatte Mühe, Widersprüche zwischen seinen öffentlichen Stellungnahmen zum Geschäft von FTX und dem tatsächlichen Betrieb der Firma zu erklären.

SBF wird berufen. Seine Anwälte haben durch eine Vielzahl nicht erfolgreicher Anträge im bisherigen Verfahren versucht, juristische Grundlagen für eine Anfechtung zu schaffen. Allerdings ist es in US-Strafrechtsprozessen alles andere als leicht, nach einer Geschworenenentscheidung eine Neuauflage eines Prozesses zu erreichen.

Die Staatsanwaltschaft muss sich bis Februar entscheiden, ob und welche weiteren Strafprozesse sie gegen SBF anstrengen möchte. Ungeklärt sind beispielsweise Vorwürfe über die Verletzung von Gesetzen über Wahlkampfspenden sowie eine schwebende Bestechungsanklage gegen FTX-Gründer Bankman-Fried. Diese Prozesse könnten Einfluss darauf haben, wann der Richter über das Strafausmaß des bisherigen Verfahrens entscheidet. Sollten keine weiteren Strafprozesse folgen, möchte der Richter am 28. März 2024 verkünden, wie lange SBF hinter Gitter muss. Bis auf Weiteres bleibt er dort.

(ds)