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Was war. Was wird.

Wir träumen schon in 3D, da bekommt auch Hal Faber bald Ecken und Kanten. Aber vorher gibt es ein paar Kringel, die kann ja auch das Zugangserschwerungsgesetz drehen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es gibt moralische und schwer moralische Fragen. Zu den moralischen gehört die, ob man sich auch die Hände gewaschen hat, auf dem Klo. Schwer moralisch ist die Frage, ob man überhaupt an einem Tag schreiben darf, an dem sich der große Journalist Hunter Stockton Thompson von der Welt verabschiedete. Müssen nicht alle journalistischen Drecksfedern ruhen in Gedenken an den Mann, der den Satz von HJF vom Kopf auf die Beine stellte: "Ein guter Journalist macht sich nicht mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten Sache. Auch dann nicht, wenn er voll ist mit extrem nützlichen Dingen wie Alkohol, Drogen, Gewalt und Verrücktheit. Genau dann legt er aber los." Ein spannendes Portrait von Richard Nixon unter der Auflage zu schreiben, nur Fragen über Football stellen zu dürfen, gehört zu den großen Momenten des Journalismus. Aber hey, in Vancouver langweilen die Winterspiele mit einem gezähmten Bode Miller und einer gehemmten Maria Riesch. Da passt es schon mit dem Gonzo-Journalismus: Schließlich bekam Thompson den Ehrentitel "Gonzo" nach einer für den Playboy geschriebenen Geschichte über den Skiläufer Jean-Claude Killy. Der will bekanntlich Nizza zum Zentrum der Winterspiele 2018 machen und das mit Hilfe der größten Villenbesitzer in der Gegend, Bill Gates und Paul Allen. So schließt sich ein Kringel.

*** Gleich mit dem zweiten Kringel dieser Woche wird es etwas ernster, allem albernen Gekicher der neu produzierten Star-Autorin Hegemann zum Trotz. Schließlich hat das Axolotl auch in der IT seine Spuren hinterlassen. Der Titel der Kompilation, die das heilige Feuilleton deutscher Nation beschwafelt, erinnert natürlich an das Axolotl, das der Gen-Papst Juan Enriquez bei seinen Auftritten zur Zukunft des Homo Evolutis regelmäßig zeigt. Das Urvieh mit den schwarzen Augen repliziert sich selbst, hat sich aber von der Evolution verabschiedet. Diese treibt der Mensch munter voran: Nach Hör-Implantaten für Taube, Seh-Chips für Blinde oder ohrenzupfenden Äpps sollen Hörgeräte für den Walgesang und Chips kommen, mit denen der Mensch auch Infrarotlicht sehen kann. Mit den Maschinen zu einer neuen menschlichen Einheit verschmelzen, wie es William Grey Walter vorhersagte, das wird noch eine Zeit dauern. Auch das Internet wird sich weiter entwickeln, gefüllt mit einer eigenen Intelligenz wird sich Second Life wieder mit Leben füllen, ganz nach den feuchten Träumen der KI-Szene und der SM-Berater, die wieder auf Montage gehen können. Ob dann die berühmte Singularität eintritt, weiß nur das Wassermonster. Wie war das noch mit dem Technorealismus, der 1999 in der Dotcom-Blase so mitleidig bestaunt wurde?

*** Der dritte Kringel ist eigenlich ein Hoccer. Wer einmal Dateien auf diese Art vom Telefon aus geworfen oder gefangen hat, wird wissen, wohin die Reise geht. In Barcelona ist der Debütantenball der Telefone zu Ende und das Jahr der Androiden ist ausgerufen worden. 20 Millionen Droiden sollen es am Ende sein, wenn die Rechnung mit 60.000 Telefonen pro Tag stimmt, die Googles Eric Schmidt bei seiner Keynote präsentierte. Wer die nicht nur von der Batterie her abgeschottete, keimfreie Welt von Apple (das 8,7 Millionen iPhones in den letzten 3 Monaten 2009 verkaufte) nicht mag, hat eine Alternative. Geht es um die Anwendungen, so spielt die Spracherkennung und Sprachsteuerung eine zunehmend wichtige Rolle. Aus der Spache fließt alles und auch das erinnert an 1999 und den Papagei von Zazie in der Metro. Doukipudonktan?

*** Eine wirklich wilde Verfolgungsfahrt absolviert viertens sehr kringelig derzeit ein rechtmäßig in Deutschland zustande gekommenes Gesetz. Bundestag und Bundesrat haben es abgenickt, der Bundespräsident hat es für alle "überraschend" unterschrieben und so ist es in Kraft getreten, na Freude aber auch! Neben der Ankündigung, dass ein neues Gesetz alles anders machen soll und einer Ankündigung der für Gesetze zuständigen Ministerin, den ungeliebten Balg schnellstens zur Adoption durch die zensurerprobten Chinesen freizugeben, regte sich noch die oberste Polizeibehörde mit einem Erlass, das Gesetz nur teilweise anzuwenden: Es wird eine ordentliche Stange in den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerammt, das beschlossene Stopp-Schild für die Surfer aber noch nicht angebracht. Was bleibt, ist eines dieser Warntäfelchen, die in meiner Jugend von der Deutschen Bahn an die Fenster geschraubt wurden: "E periculo sporgersi": Es ist gefährlich, das Web da draußen. Wild wurchtbar gewährlich.

*** Dräuen die Sperren, so sind sie doch nix gegen die Operation Muschtarak, die in Afghanistan begonnen hat und uns mit noch bekloppteren Phrasen versorgt, direkt von Joseph Conrad geborgt. Endlich geht es ins "Herz der Finsternis", jaja, ins furchtbare Helmand und das auch noch mit der Losung "Hold and Build" für den immer wieder gern angemahnten "Aufbau". Doch was ist mit dem Rückzug? Im internationalen Verband ist z.B. Deutschland für die Polizei zuständig und Japan für die Entwaffnung. So eine Schulung kann man auch in einer besonders gefährdeten Gegend durchführen. Passend dazu haben die üblichen Vernebelungen begonnen: Deutschland regt sich viel lieber über erfundene Schweineleber-Fressereien seiner Soldaten auf und wird darob gleich richtig philosophisch. Derweil sprengte es bei unseren Nachbarn die Regierung. Sollten die Kaaseköppen vielleicht sluwer sein als wir?

Was wird.

Hey, die CeBIT kommt und wenn die vielen Presseerklärungen recht haben, wird sie ein "Traum in 3D". 3D-TV, 3D-Kiosk, 3D-Live werden in der ausgesprochen zweidimensionalen norddeutschen Tiefebene triumphieren und uns auf das "Next Level 3D" führen. Freuen wir uns auf die Zukunft, wenn ich ein WWWW voller Ecken und Kanten präsentieren kann. Auch die knallige Dröhnung namens Webciety präsentiert sich wieder den erwarteten Messebesuchern, die 2010 mit Eintrittskarten überhäuft werden. Die neuen "Mechanismen der Webgesellschaft" wollen erörtert werden, etwa der "Flashmob als neue Form des Arbeitskampfes". Ob es so etwas überhaupt geben kann, hängt von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ab, die parallel zum Start der CeBIT verkündet wird. Denn mit der durchgeführten Vorratsdatenspeicherung können genaue Bewegungsprofile ganz ohne Mitlauschen der Gespräche erstellt werden. Die Ausführungen, die Frank Rieger vom Chaos Computer Club in der Erörterung vor dem Gericht in Karlsruhe mit schönem Kartenmaterial abrundete, können leider erst ab Montag online nachgelesen werden und stecken hinter einer Paywall. Es ist aber bezeichnend, dass die Nullen der Social Media den Vortrag reflexartig als Verdummung abwatschen. Sie passend zur Aufregung um Axolotl als Elektronik-Lurche zu bezeichnen, ist noch die freundlichste Umgangsart für diese algorithmisch leicht berechenbaren Menschen.

Kann die Politik vom Netz lernen? Sie kann es und sie tut es. Vergleichen wir nur die Sponsor-Möglichkeiten (PDF-Datei) einer dieser aufgeblasenen Konferenzen über das nächste dicke Ding. 50.000 Euro für ein Ständchen, weil Gespräche bekanntlich Märkte sind, 18.000 für ein Plausch über die Firma ("Best Practice") und 15.000 für die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion zeigen: Der "Arbeiterführer" Rüttgers ist ein Schnäppchen. 20.000 das Ständchen, Plausch inklusive oder stumm nur 14.000 mit geilem Fotoshooting (nicht anfassen), das kann sich sehen lassen. Ein freibleibendes Angebot, Inder ausgenommen. Verglichen mit einer ordentlichen Spende zeigt sich, dass die CDU noch lernen muss, was die möFenDickPartei schon weitaus besser kann und was das DENIC so formuliert: br.de wird ausverkauft. Darauf ein Ständchen. (jk)