Herr der Ringe: Kommerzieller Erfolg trotz Raubkopien

Peter Jacksons cineastische Umsetzung der Tolkien-Romane beweist eindrucksvoll, dass auch in Zeiten von Raubkopien und P2P noch Leute ins Kino zu locken sind.

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Von
  • Volker Zota

In einer Woche ist es wieder so weit: Zum 76. Mal vergibt die "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" ihre begehrte Statuette, den Oscar. Für Peter Jackson, Regisseur der Herr-der-Ringe-Trilogie, könnte dies zum krönenden Abschluss der jahrelangen Arbeiten werden. Schon bei den Golden Globes strich der dritte Teil, "Die Rückkehr des Königs", vier Awards ein -- darunter "Best Director" und "Best Picture -- Drama". Auf insgesamt 30 Oscar-Nominierungen (13 davon für "Die Gefährten", sechs für "Die zwei Türme" und elf für "Die Rückkehr des Königs") brachte es die Trilogie um Frodo, Gollum und den einen Ring. Bislang konnten die Filme aber erst sechs der Statuetten gewinnen.

Sollten in einer Woche noch ein paar Goldmännchen hinzukommen -- beispielsweise eines für den besten Film (obwohl nicht jeder dieser Entscheidung zustimmen würde) --, wird der Film noch so manchen Zuschauer ins Kino locken.

Damit dürfte der Film um die Vernichtung des Rings und Aragorns Krönung zum König von Gondor endgültig die Einspiel-Schallmauer von einer Milliarde US-Dollar knacken. Schon jetzt kann der Film mit rund 975 Millionen US-Dollar das zweithöchste Einspielergebnis aller Zeiten für sich verbuchen. Einzig die Titanic schippert nochmals gute 800 Millionen Dollar voraus (also ingesamt knapp über 1,8 Milliarden US-Dollar) -- ein kaum einholbarer Kassenschlager. Dafür darf sich der Herr der Ringe schon jetzt als erfolgreichste Trilogie aller Zeiten brüsten. Zusammen spielten die Mittelerde-Streifen über 2,75 Milliarden US-Dollar ein.

Die originale Star-Wars-Trilogie (also Episode IV bis VI) und Jurassic Park I bis III kommen auf je rund 1,9 Milliarden US-Dollar -- George Lucas' Sternenkrieg liegt allerdings nur einen Hauch von wenigen Millionen US-Dollar vor den gerenderten Dinos seines Kumpels Steven Spielberg. An diese Summe reichen bereits fast die beiden ersten Verfilmungen rund um J. K. Rowlings Zauberlehring Harry Potter (I & II), die über 1,8 Milliarden US-Dollar einspielten.

Matrix, Matrix Reloaded und Matrix Revolutions bringen es zusammen übrigens "nur" auf rund 1,3 Milliarden Dollar.

Mit Episode I bis III seiner Sternen-Saga könnte auch George Lucas die Tolkien-Trilogie abfangen. Immerhin bringen es Episode I: The Phantom Menace und Episode II: Attack of the Clones gemeinsam auf ein Einspielergebnis von 1,5 Milliarden US-Dollar und könnten mit einem erfolreichen Abschluss in Episode III dem Herrn der Ringe die Krone streitig machen. Schaut man sich jedoch das Einspielergebnis der jüngsten Star-Wars-Folge an, ist damit nicht unbedingt zu rechnen.

(All diese Angaben beziehen sich lediglich auf die Kinoauswertung der Filme, kein Video, kein TV und kein Merchandising.)

Eigentlich sollte die gebeutelte Filmbranche also allen Grund haben, auch mal vor Freude eine Träne zu verdrücken. Stattdessen geht es ihr nach eigenen Aussagen schlecht. Schuld daran seien Filmtauscher und Raubkopierer. Verblüffenderweise stammen jedoch sieben (Episode I, Harry Potter I & II, Herr der Ringe I bis III und Finding Nemo) der zehn erfolgreichsten Filme aller Zeiten aus der Zeit nach 1999 -- dem Jahr, in dem mit Episode I und Matrix die ersten Blockbuster übers Internet verbreitet wurden. Zumindest echte Blockbuster scheinen also auch nach wie vor ihrem Namen gerecht zu werden und die Kinosäle zu füllen. Auch die weiterhin boomenden DVD-Verkäufe lassen noch keinen "Knick" durch extensiven Movietausch im Internet erkennen.

Vor einem größeren Problem stehen indes die Videothekken, deren Umsatz in den vergangenen zwei Jahren erheblich einbrach. Was jedoch weniger auf die Zunahme der Raubkopien oder Privatkopien der Hollywood-Blockbuster zurückzuführen ist als vielmehr darauf, dass der für viele Videotheken wichtige Porno-Bereich einbricht. Lieber laden sich die Kunden anonym Videos aus dem Internet herunter, als in der Ecke mit den nackten Tatsachen vom Nachbarn erwischt zu werden. Ein weiteres Problem für die Videotheken: Der Kinobesuch und das Erscheinen des Films auf DVD liegen mitunter so dicht beieinander, dass die Kunden noch gar nicht die Lust verspüren, den Streifen schon wieder zu schauen. Kurz danach (mitunter schon zeitgleich) gibt es dann auch schon die Kauf-DVD. Die Zeiten, in denen Videos monatelang nur exklusiv in Videotheken oder zu horrenden Preisen zu bekommen waren, sind also passé -- und damit vermutlich in wenigen Jahren auch die Videotheken.

Noch einmal zum Herrn der Ringe: Natürlich kursierte auch die "Rückkehr des Königs" pünktlich zum weltweiten Filmstart durchs Netz -- wenn auch das Fiasko vom vergangenen Jahr ausblieb, in dem gleich mehrere für die Oscar-Juroren bestimmte "DVD-Screener" verschiedener Filme ins Netz gelangten, unter anderem auch "Herr der Ringe: Die zwei Türme". Die Motion Picture Association of America (MPAA) hatte daraufhin im Oktober 2003 angekündigt, den Mitgliedern der Academy Awards und Jurys anderer Filmpreise keine DVDs oder Videokassetten zukommen zu lassen. Drei Wochen später lockerte die MPAA das Embargo: Wenigstens "Oscar"-Juroren sollten speziell kodierte Videokassetten bekommen. Schließlich setzten sich unabhängige Filmstudios durch und erwirkten vor Gericht eine Aufhebung des Embargos.

Zwar tauchte zumindest bisher kein DVD-Screener von "Die Rückkehr des Königs" im Netz auf -- wohl aber ein halbes Dutzend abgefilmte, qualitativ minderwertige Versionen. Seit einigen Tagen sollen jedoch auch Versionen kursieren, die auf den ersten Blick von einer Video-DVD stammen könnten: MPEG-2-Video im 16:9-Format samt englischer und sogar deutscher Sprachspur in Dolby Digital 5.1. Die Vermutung lag also nahe, dass ein weiterer Oscar-Juror fahrlässig mit dem ihm anvertrauten Screener umgegangen ist.

Allerdings verdichtet sich der Verdacht, dass die nun aufgetauchten Versionen in verschiedenen Formaten (DVD, SVCD, XviD) keineswegs von DVD stammen, sondern mit einem Filmabtaster ("Telecine Machine") direkt von den Filmrollen erstellt wurden. Der Ton stammt vermutlich ebenfalls direkt aus dem Kino und wurde entweder von DTS-CDs oder als Dolby Digital EX analog mitgeschnitten, um ihn anschließend in Dolby Digital 5.1 zu konvertieren. All dies spricht für eine äußerst professionelle Arbeit und lässt befürchten, dass die Raubkopie in Kürze als Raubpressung auf dem Schwarzmarkt auftaucht. Wer vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin der Video-DVD Ende Mai auf einem Flohmarkt oder im Internet über eine DVD-Fassung mit deutschem Ton stolpert, sollte lieber einen Bogen darum machen. (vza)