Opposition drängt auf Aufhebung des Websperren-Gesetzes

Im Bundestag lieferten sich Vertreter der schwarz-gelben Koalition und der Opposition einen Schlagabtausch über das weitere Verfahren mit dem ungeliebten "Zugangserschwerungsgesetz".

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Im Bundestag lieferten sich Vertreter der schwarz-gelben Koalition und von SPD, Linken sowie Grünen am heutigen Donnerstag einen heftigen Schlagabtausch über das weitere Verfahren mit dem "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen". Es sei ein Fehler gewesen, dass die große Koalition auch auf das Instrument Sperren gesetzt habe, räumte Martin Dörmann ein, der als Verhandlungsführer für die SPD in der vergangenen Legislaturperiode an dem umstrittenen Gesetz mitgearbeitet hatte. Politik müsse sich auch korrigieren können. Es sei daher richtig, konsequent auf das Löschen kinderpornographischer Inhalte zu setzen und die Ausstattung der Polizei sowie die internationale Zusammenarbeit zu verbessern.

Nach den Linken und den Grünen hatte am Dienstag auch die SPD-Fraktion einen Antrag (PDF-Datei) zur Aufhebung des im vergangenen Jahr von den Sozialdemokraten mitgetragenen Gesetzes beschlossen. Ansgar Heveling von der CDU verteidigte dagegen die mit der FDP ausgehandelte Linie, die Sperren zunächst über einen Erlass des Bundesinnenministeriums an das Bundeskriminalamt (BKA) auszusetzen. Zugleich betonte der Unionsabgeordnete, dass der Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet "schändliche Taten" vorausgingen. Diese könnten "auch verhindert werden, indem man die Verbreitungswege kappt". Die Aufgabe des Zugangserschwerungsgesetzes wäre daher "eine Bankrotterklärung im Kampf für den Schutz unserer Kinder".

Ähnlich äußerte sich Hevelings Fraktionskollegin Dorothee Bär: Sie erinnerte die SPD daran, dass man gemeinsam das Vorhaben verabschiedet habe. "Jeder der damals Beteiligten wusste, dass Sperren nicht der Weisheit letzter Schluss ist", ergänzte die CSU-Politikerin. "Aber wir wollten einen ersten Schritt in richtige Richtung gehen." Auf diesen müsse nun "draufgesattelt werden". Auf keinen Fall dürfe man hinter das Beschlossene zurückgehen. An Parlamentarier sowie Netzaktivisten appellierte Bär, sich auf der Suche nach Lösungen "gemeinsam an einen Tisch zu setzen ohne Schaum vorm Mund".

Zuvor hatte der Liberale Christian Ahrendt das Gesetz als "ungeeignet" bezeichnet, um "Kinderpornografie effektiv zu bekämpfen". Es gehe auch um den effektiven Schutz zentraler Grundrechte wie dem auf Informationsfreiheit. Der SPD warf er vor, damit "verantwortungslos" umgegangen zu sein und nun "mit einem Heiligenschein durchs Land" zu laufen. Der Kampf gegen Kinderpornographie sei prinzipiell nicht geeignet, um ihn gegen die Freiheit des Internet auszuspielen.

Für die Linke bezeichnete Jörn Wunderlich die Anweisung, ein in Kraft getretenes Gesetz nicht anzuwenden, als "Verkauf des Rechtsstaates": Die "Bananenrepublik" lasse grüßen. An sich sei das Machwerk unnötig, intransparent, ermögliche Willkür und berge die Gefahr, bei Bekanntwerden der Sperrlisten die "Gelben Seiten" für Pädophilen zu liefern. Auch der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, kritisierte Sperren als ineffektiv und Einstieg in eine Technik, mit der jegliche Inhalte ohne Richterbeschluss gesperrt werden könnten.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder räumte unterdessen zwar ein, dass die derzeitige Situation "juristisch ein interessantes Konstrukt" darstelle. Die Anweisung des Innenministeriums zur Nichtanwendung der Sperren sei aber "glasklar", sagte die der Parlamentssitzung ferngebliebene CDU-Politikerin Spiegel Online. Löschen sei somit "der Königsweg". Zugleich sei aber auch das Anliegen, das ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen mit dem Vorhaben unterstützt habe, "hundertprozentig richtig gewesen". Ihre Parteikollegin habe nur eventuell "die Internet-Community" nicht ausreichend eingebunden. Sie selbst sei sich mit dieser einig: "Wir wollen ein möglichst freies Internet und keine Kinderpornographie." Zugleich kündigte die begeisterte Twitternutzerin an, im Sommer ein "Forum Internet" ins Leben zu rufen, um die "riesige Fachkompetenz der Internetwelt" anzuzapfen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kündigte zudem an, von der Bestellung eines Expertengremiums zur Kontrolle der zunächst geplanten Sperrlisten vorerst abzusehen. Als Grund nannte er den Erlass an das BKA. (vbr)