Biometrie für Flieger und Daheimgebliebene

Zwei Wochen, nachdem die Europäische Kommission in einem Memorandum die Eckdaten für den Einsatz von Biometrie in EU-Pässen vorgelegt hatte, beschäftigte sich BSI mit dem praktischen Einsatz der Biometrie.

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Von
  • Detlef Borchers

Zwei Wochen, nachdem die Europäische Kommission in einem Memorandum die Eckdaten für den Einsatz von Biometrie in EU-Pässen vorgelegt hatte, beschäftigte sich das 2. Biometrie-Symposium des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Darmstadt mit dem praktischen Einsatz der Biometrie. Neben wissenschaftlichen Fragen nach der Zuverlässigkeit von biometrischen Methoden standen erste Erfahrungen in der Grenzkontrolle auf dem Programm, das etwas überraschend auch die Geschichte der Biometrie reflektierte.

Den Reigen der Vorträge eröffnete der Amerikaner Jim Wayman, der Biometrie an der San Jose State University lehrt und wissenschaftlicher Begleiter vieler Projekte ist. So ist Wayman Berater der Europäischen Kommission, die den biometrisch abgesicherten Reisepass vorbereitet. Wayman betrachtete die Geschichte der Biometrie: Die Wissenschaft, die heute allein in Europa mit 65 Millionen Euro jährlich gefördert wird, wurde im zweiten Weltkrieg "erfunden", als Flieger anhand ihrer Stimme identifiziert werden sollten -- für diese Aufgabe erfand man auch die Transponder, die heute als RFID-Chips für Ungemach sorgen. Viele der heute noch wesentlichen Erfindungen und Algorithmen der Biometrie stammen nach Wayman aus den 60er und 70er Jahren, als die Technik von Jedermann begrüßt wurde. Skepsis gegenüber der Biometrie kam erst Anfang der 80er Jahre auf, zeitgleich mit der Wortschöpfung Biometrie. Im Orwell-Jahr 1984 kippte die Stimmung, wurde die Biometrie zur Überwachungstechnik. Wayman benutzte seinen historischen Rückblick, die ca. 120 Kongressteilnehmer daran zu erinnern, dass Biometrie viel zu oft ausschließlich als Technologie gesehen wird. Den Einsatz der Biometrie in der amerikanischen Homeland Security bezeichnete er als verfrüht und unangemessen.

Auch der zweite amerikanische Referent präsentierte einen Ausflug in die Geschichte. Der RAND-Forscher John D. Woodword, Leiter des Biometrics Management Office im amerikanischen Verteidigungsministerium, schilderte die Erfolgsgeschichte der Biometrie als Untergeschichte der Kriminalistik. Mit den Messapparaten von Alphonse Bertillon 1883, den Fingerabdrücken von Faulds und Galton sei es immer um die Frage gegangen, wie härter zu bestrafende kriminelle Mehrfachtäter, die ihre Identität leugnen, zuverlässig identifiziert werden können. Von den historischen Anfängen ausgehend schlug Woodward den Bogen zur Homeland Security. "Ein Verbrecher und eine Strafakte, ein einreisender Fremder und ein US-Visum, ein Soldat und eine Identität -- das System ist immer das Gleiche." Woodward stellte heraus, dass Biometrie in der Homeland Security einfach die kostengünstigste Methode ist, Identitäten zu sichern.

Was dem Staat die Kosten, sind dem Bürger die Minuten: Die heute langsam entstehenden Systeme für die "Automatische Biometriegestützte Grenzkontrolle" (ABG) sollen Wartezeiten auf den Flughäfen abbauen und setzen daher auf freiwillige Teilnahme und kooperatives Verhalten. Über eine gute Akzeptanz freute sich Vinh Nguyen-Xuan, der über die ersten Erfahrungen mit der ABG am Frankfurter Flughafen berichtete, die am 13. Februar von Innenminister Schily eingeweiht worden war. Von 15.000 angeschriebenen Vielfliegern der Lufthansa haben sich nach Nguyen-Xuan bereits 1800 mit einem Iris-Scan in das Programm eingeschrieben. Einmal registriert, können die Vielflieger in maximal 15 Sekunden die Grenze passieren, müssen dabei freilich auch akzeptieren, dass bei jedem Übertritt eine Regelanfrage bei den Inpol/SIS-Computern erfolgt -- ein Detail, das in den ABG-Broschüren und dem Werbefilm der Lufthansa nicht erwähnt wird.

Jim Wayman berichtete in seinem zweiten Vortrag vom SmartGate-Projekt, bei dem in Australien seit Ende 2003 das fliegende Personal der Quantas-Airline schnell ein- und ausreisen kann. SmartGate arbeitet mit der Gesichtserkennung, wobei die Ersterfassung mit einem System erfolgt, das fünf Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln anfertigt und aus ihnen die biometrischen Daten destilliert. So wird eine hohe Präzision erreicht, bei der die Erkennungsleistung des Systems eine extrem gute Fehlerrate von 1,1 Prozent aufweist. Wayman berichtete jedoch von unheilbaren Fällen, etwa einer schwedischen Stewardess in australischen Diensten, deren Umlaute im Reisepass nicht mit dem umlautfreien Namen im Fluginformationssystem übereinstimmten. Rechnet man indes die tolle Rate auf die 48,5 Millionen Passagiere um, die Frankfurt in einem Jahr zählt, so wären das 50.000 ABG-Problemfälle.

Mit der Biometrie in diesem Größenordnungen beschäftigte sich Gerhard Schabhüser, beim BSI Leiter der Abteilung Kryptologie und Forschung. Er skizzierte, was auf Deutschland im europäischen Bündnis im Passwesen zukommt: Ein Pass mit mindestens 20 KByte Datenspeicher auf Basis der RFID-Technologie, der Daten des digitalisierten Bildes, die Fingerabrücke und eine digitale Signatur enthält. Schabhüser berichtete von den verschiedenen Forschungsprojekten wie BioFace und BioFinger, erwähnte aber zum Schluss nicht mehr das aktuell laufende Forschungsprojekt BioIlse, bei dem die Datenstrukturen auf RFID-Chips in Hinlick auf Datensicherheit und Fälschbarkeit untersucht werden. Das BSI-Projekt BioIlse läuft im europäischen Rahmen ausgeschrieben als "PKI for machine readable travel documents offering ICC read only access". Wie diese Technik aussehen kann, zeigte die schweizerdeutsche Firma Idencom an ihrem Stand in der konferenzbegleitenden Fachasusstellung mit Mustern der österreichischen Reisepässe, die auf der letzten Seite einen 72 Kilobyte großen RFID-Chip haben. Wird der Pass in eine bläulich schimmernde Schale gelegt, sieht der Passbeamte auf seinem Bildschirm das digitalisierte Bild des Inhabers samt den gespeicherten Fingerabdrücken. Hat er Zweifel, kann er zur Abgabe des Fingerabruckes auffordern.

Die europäische Perspektive trug schließlich Andrea Servida vor, Leiter der Abteilung "Trust and Security" beim EU-Direktorat Informationsgesellschaft. Innerhalb der EU gibt es eine Vielzahl von Forschungsprojekten mit klingenden Namen, die allesamt in das BioSec-Projekt münden. Servida äußerte die Hoffnung, dass die Forschungsprojekte den Nachweis erbringen, dass Biometrie auch im großen Maßstab einsetzbar ist. Biometrische Standards für den universalen Datenaustausch, Fortschritte bei den RFID-Chips in den Pässen und ein offener Dialog mit den Bürgern über den Einsatz der Technik summierte Servida mit dem Begriff "Concertation" in einem zusammenwachsenden Europa.

Im Rahmen des 2. Biometrie Symposiums verliehen das BSI und das mitveranstaltende Darmstädter Center for Applied Security Technology (CAST) den ersten deutschen Biometrie-Award. Ihn erhielt Jim Wayman in Anerkennung seines Lebenswerkes und seines Einsatzes für eine Biometrie, die gegenüber den juristischen und sozialen Aspekte der Technik nicht blind ist. (Detlef Borchers) / (jk)