ICANN-Präsident warnt vor "IPv6-Lüge"

Rod Beckstrom meinte zum Auftakt der 37. ICANN-Tagung in Nairobi, es werde systematisch die Falschinformation verbreitet, dass afrikanischen Ländern keine IPv6-Adressen bereitstünden.

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Von
  • Monika Ermert

Der Präsident der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Rod Beckstrom, hat zum Auftakt der 37. ICANN-Tagung in Nairobi diejenigen kritisiert, die "Unwahrheiten über IPv6" verbreiteten. Es werde systematisch die Falschinformation verbreitetet, dass afrikanischen Ländern keine IPv6-Adressen bereitstünden; es gebe aber bereits afrikanische Institutionen, die über mehr als 1 Trillion IPv6-Adressen verfügten.

Beckstroms Kritik dürfte an die International Telecommunication Union (ITU) gerichtet sein, die sich seit Jahren bemüht, selbst Vergabestelle für IPv6-Adressen zu werden. Die ITU begründet ihre Bestrebungen mit der ungleichen Verteilung von IPv4-Adressen an die USA und Europa einerseits und an afrikanische und asiatische Länder andererseits; sie warnte davor, dass es bei den neuen IPv6-Adressen ähnliche Probleme geben könnte. Überdies hatte sich die ursprünglich für Telefoniestandards und die Zuteilung von Ländervorwahl-Nummern zuständige UN-Organisation immer wieder darauf berufen, dass einzelne Regierungen die ITU auch als IP-Nummern-Regulator sehen möchten.

In einer Woche will eine ITU-Arbeitsgruppe Pläne diskutieren, die ITU als mögliche sechste Vergabestelle von IP-Adressen zu etablieren. Besprochen werden sollen auch Ideen zu einer hierarchischen Vergabe von IP-Adressen über die ITU an Länder-IP-Adressvergabestellen.

Beckstrom warb demgegenüber bei den gleichfalls in Nairobi zu einem Treffen der "InterGovernmental Authority on Development" (IGAD) versammelten ostafrikanischen Staatschefs dafür, die "Wahrheit" über IPv6 zu verbreiten. Es gebe ausreichend IPv6-Adressen für alle. Jedes der 800 Mitglieder der afrikanischen IP-Adressvergabestelle AfriNIC könne über 1 Trillion IPv6-Adressen bekommen, wenn es das entsprechende Formular ausfülle, sagte Beckstrom. Zur ITU meinte er, wer falsche Geschichten zu IPv6 verbreite, sei bestimmt nicht vertrauenswürdig, selbst Regeln für die Vergabe zu machen. Die Äußerungen könnten den immer wieder aufflammenden Streit zwischen ITU und der ICANN einmal mehr anfachen.

Der ICANN-Chef forderte die ostafrikanischen Regierungschefs, die im gleichen Konferenzzentrum tagen wie die ICANN, auf, durch Abschaffung von Monopolen den Zugang zum Internet in Afrika erschwinglich zu machen. Beckstrom lobte Gastgeber Kenia für dessen Liberalisierung im TK-Bereich. Ein Glasfaseranschluss im Land koste aktuell aber immer noch 12 Dollar im Monat – und nicht wie von Industrie- und Entwicklungsländern gleichermaßen angestrebt 1 Dollar, so Beckstrom.

Von der Qualität des Glasfaserzugangs profitiert die ICANN auf der aktuellen Konferenz. Da zahlreiche Teilnehmer es wegen der angespannten Sicherheitslage vorgezogen haben, nicht selbst anzureisen, hat die private Netzverwaltung die Kapazität für die Teilnahme im Netz noch einmal verbessert. Aktuell laufen die Videosysteme samt damit verbundener Conferencing-Systeme gut. Beckstrom rief die afrikanischen Regierungschefs schließlich noch dazu auf, sich an der Arbeit der ICANN zu beteiligen.

Vorerst seien lediglich 19 afrikanische Staaten Mitglieder im Regierungsbeirat, über 30 afrikanische Staaten fehlten aber noch. Aus Sicht der ICANN dienen die logistisch aufwendigen Treffen wie das in Kenia sicherlich auch dazu, für das Modell der privaten Netzverwaltung zu werben und die ITU, die dort stärkere Verbindungen hat, in ihre Schranken zu weisen. Die 37. ICANN-Tagung geht noch bis Freitag und beschäftigt sich mit der Einführung neuer TLDs und zahlreichen Sicherheitsfragen rund um das Domain Name System. (anw)