GDC: Social Games werden zu den neuen Groschengräbern

Social Games sind simpel, erschwinglich und ansteckend. Über Netzwerke wie Facebook breiten sie sich weitflächig aus und bieten findigen Anbietern ein lukratives Geschäft. Dabei sind sie oft sehr einfach gestrickt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erich Bonnert

Marktforscher Justin Smith von Inside Social Games aus Palo Alto bezifferte auf der Game Developers Conference in San Francisco den Markt für Spiele in sozialen Netzwerken (Social Games) in Europa und Nordamerika im vergangenen Jahr auf rund 490 Millionen Dollar. In diesem Jahr sollen es bereits 835 Millionen Dollar werden. Eine Vielzahl neuer Anbieter stoße in den Markt. Zu den Marktführern zählt Smith die Firmen Zynga , Playfish und Playdom.

Allein Zynga erzielte mit 900 Beschäftigten im Vorjahr einen Umsatz von 200 Millionen Dollar. Playfish, Ende 2009 von Electronic Arts gekauft, kam mit 250 Angestellten auf 75 Millionen Dollar und Playdom erlöste mit 300 Mitarbeitern rund 50 Millionen Dollar. Damit scheint der Markt schon weitgehend unter den drei größten Anbietern aufgeteilt. In Asien allerdings wurden im Vorjahr über 7 Milliarden Dollar mit virtuellen Gütern umgesetzt, berichtete Smith. Eine Vielzahl der asiatischen Anbieter dränge nun mit lokalisierten Produkten auf den westlichen Markt. 6waves (Happy Harvest, Crazy Office) aus Hongkong gehört zu den führenden Spieleanbietern mit über 50 Millionen aktiven Spielern und verfügt zudem über ein virtuelles Zahlungssystem. Das Facebook-Spiel Animal Paradise vom chinesischen Anbieter Pekoo verzeichnet über 2 Millionen aktive Teilnehmer und ist in mehreren Sprachen verfügbar.

Wie man mit bescheidenem Aufwand beträchtliche Summen erlösen kann, zeigt der Spieleverlag Zynga mit dem Spiel Farmville, das durch das Social Network Facebook ungeahnte Popularität erreichte und mittlerweile von bis zu 30 Millionen Anwendern täglich gespielt wird. Dabei ist die Teilnahme an dem Spiel kostenlos, nur um bestimmte Ergebnisse zu erzielen, müssen "digitale Wundermittel" gekauft werden, die den landwirtschaftlichen Ertrag steigern.

"Wir waren nach nur fünf Wochen fertig." Amitt Mahajan von Zynga konnte seinen eigenen Erfolg kaum glauben.

(Bild: Erich Bonnert)

Chef-Entwickler Amitt Mahajad schilderte in seinem Vortrag, wie sein elfköpfiges Team (sechs Software-Entwickler, zwei Illustratoren, drei Designer) Farmville in nur fünf Wochen vom Konzept bis zur Veröffentlichung fertigstellte. "Wir hatten eigentlich acht Wochen eingeplant, dann waren wir aber nach fünf Wochen fertig", berichtete Mahajad. Am ersten Tag nach der Freigabe waren bereits 18.000 Spieler registriert. Innerhalb von vier Tagen explodierte die Zahl auf 1 Million. Jetzt beackern regelmäßig mehr als 30 Millionen Anwender täglich ihre virtuellen Felder und versuchen, sich mit Ernteerträgen zu übertreffen.

Derartige Zahlen ließen selbst Urgesteine der Entwicklerszene weich werden. So heuerte Civilization-Entwickler Brian Reynolds bei Zynga an; Steve Meretzky, der in den 80er-Jahren bereits Textadventures für Infocom programmierte, ist heute Vizepräsident der Game-Design-Abteilung bei Playdom. "Wir sind endlich im Massenmarkt angekommen. Selbst meine Tante, die vorher nie gespielt hat, fragt mich inzwischen, ob ich ihre virtuellen Blumen gießen kann, damit sie in Farmville nicht verdorren," erklärte er auf einem Veteranen-Panel.

Mit dem Facebook-Spiel Farmville druckt Zynga Geld wie Heu.

(Bild: Zynga)

Worauf die epidemieartige Verbreitung beruht, blieb im Vortrag von Mahajad indes unklar.
Die Fähigkeit, die Anwendung in kurzer Zeit auf viele Millionen Zugriffe zu skalieren, sei aber kein Geheimnis. Selbst programmiert wurde nur das Front-End, das die Benutzereingaben in Anforderungen an die Web-Server übersetzt. Nur wenige, relative simple Eingabeaktionen (beispielsweise Pflanzen, Bewässern, Ernten) auf der Client-Seite wurden von Designern und Programmieren gemeinsam entwickelt und in Flash kodiert. Die Entwickler brauchten dazu umfassende Kenntnisse in Flash und PHP, um alle Design-Entscheidungen so zu wählen, dass die Benutzeranforderungen effizient auf die Server-Infrastruktur verteilt werden können. Die komplexe serverseitige Struktur von Farmville basiere auf einer Vielzahl redundanter Standardkomponenten. Nicht dedizierte Server, sondern automatische Lastverteilungsprotokolle für eine virtualisierte Umgebung bewältigen den millionenfachen Ansturm der Benutzer. Farmville nutzt dabei den Autoscaling-Dienst des Anbieters Brightscale. (hag)