Digitalgipfel der Bundesregierung: Digitalisierung in der Zeitenwende

Der Digitalgipfel der Bundesregierung – früher IT-Gipfel – findet in diesem Jahr zum ersten Mal in Jena statt. Was am ersten Tag geschah.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Von
  • Falk Steiner
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Der Digitalgipfel der Bundesregierung steht unter dem Motto "Digitale Transformation in der Zeitenwende" und lockt mehr als 1.000 Teilnehmer und Referenten in die 112.000-Einwohner-Stadt Jena. Dabei sind Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Digitalminister Volker Wissing (FDP), Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz, der aber erst am Dienstag nach Jena kommen wird. Eine weitere, für die Digitalisierung maßgebliche Ministerin ist nicht darunter: Für den Digitalgipfel hat Nancy Faeser (SPD) keine Zeit gefunden.

Für den Ostbeauftragten der Bundesregierung und Staatsminister im Bundeskanzleramt Carsten Schneider (SPD) ist die erstmalige Ausrichtung in Jena ein bemerkenswerter Erfolg. Der Jenaer Bürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) verglich die Digitalisierung zur Eröffnung mit der Revolution durch die Optik, die Jena Ende des 19. Jahrhunderts weltbekannt und bedeutend machte. "Wieder sollte man so aufgestellt sein, dass Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten", forderte Nitzsche. Bei der Digitalisierung sei aber auch eine enge zivilgesellschaftliche Begleitung wesentlich. Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) betonte, dass Thüringen zwar nicht so laut klappere, aber nach mehrfacher Transformation auch in der Digitalwirtschaft inzwischen ein starker Standort sei. Schneider forderte eine "Digitalisierung in den Köpfen", bei Bürgern und Verwaltung.

Was genau das Motto der Zeitenwende bedeuten soll, blieb dabei auch am ersten Veranstaltungstag unscharf. Vor allem das Hype-Thema Künstliche Intelligenz und die Nachhaltigkeit stehen auf der Agenda der zweitägigen Veranstaltung, aber auch Digitale Identitäten, eine intelligentere Nutzung von Daten und die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung.

Ein wesentlicher Aspekt des Digitalgipfels ist die Nachhaltigkeit. Es gehe um den globalen Transformationsprozess weg vom linearen Wirtschaftsmodell hin zum zirkularen Modell, der Kreislaufwirtschaft, verkündete Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne). Verbraucher litten genauso wie die Wirtschaft unter den Preisen oder zusammenbrechenden Lieferketten, wenn Produkte nicht verfügbar seien, sagte Lemke. Digitalisierung sei für sie ein Mittel zum Zweck: Es komme auf die Definition von Zielen an, etwa der Reduzierung des Verbrauchs von Primärrohstoffen.

"Ohne Kreislaufwirtschaft werden wir weder die Klimaziele erreichen noch die globale Vermüllung mit Plastik und Mikroplastik eindämmen können", mahnte Lemke. Derzeit würden nur 13 Prozent des Rohstoffverbrauchs durch Sekundärrohstoffe gedeckt, das sei noch weit entfernt vom Ziel der Kreislaufwirtschaft. Datenräume und digitale Produktpässe seien ein wesentlicher Bestandteil für bessere Effizienz. Digitale Infrastrukturen – vom Endgerät bis zum TK-Netzwerk – müssten sich selbst Nachhaltigkeitsziele setzen, forderte Lemke in Jena. "Der ökologische Fußabdruck der digitalen Infrastruktur ist enorm und droht selbst zum Treiber von Klimakrise und Umweltzerstörung zu werden." Langlebigkeit und Nachnutzung von Ressourcen seien hierfür zwingend. Lemke kritisierte etwa den Black Friday als Beispiel für einen nicht nachhaltigen Konsum.

Aber es gebe auch bereits jetzt Fortschritte, so Lemke. So würden große Batterien als erste mit dem digitalen Produktpass ausgestattet – die Hersteller weiterer Produkte dürften gerne auch ohne Verpflichtung diesen Weg einschlagen. Lemke kritisierte die Kurzlebigkeit vieler Produkte, bei denen vor allem die Begrenztheit der Softwareupdates die Lebenszeit begrenze. Für Sie ist das "ein Aberwitz: Beim Auto würden wahrscheinlich viele Deutsche dagegen Amok laufen, beim Handy wird es irgendwie hingenommen." Hier müsse ein Umdenken einsetzen, es seien jetzt schließlich erst die ersten Jahre der Klimakrise.

"Ich bin mit vielem sehr zufrieden", zog Volker Wissing seine Zwischenbilanz nach fast zwei Jahren im Amt. Mit der Gigabitstrategie sei man "auf die Überholspur gegangen", es gelte jetzt, das Tempo zu halten. Dafür sei die Mobilisierung von privatem Kapital der entscheidende Hebel gewesen. "Wir haben mit der Bund-ID zum ersten Mal ein digitales Verwaltungsportal für die öffentliche Verwaltung", und auch das Deutschlandticket sei ein Digitalisierungserfolg, so Wissing. Auch iKFZ würde zeigen, wie moderne, volldigitale Zulassung funktionieren müsse.

Ob dieses Tempo gehalten werden könne, sei auch eine Finanzierungsfrage. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds, das das politische Berlin seit Tagen beschäftigt, habe nur mittelbar Auswirkungen auf die Digitalisierungsvorhaben: "Jetzt brauchen wir andere Finanzierungsmodelle dafür, über den Bundeshaushalt. Das betrifft aber nicht die Digitalisierung, sondern vor allem Infrastrukturfragen wie bei der Schiene", sagte Wissing am Montagnachmittag.

Digitalisierung solle dabei aber auch nicht als Kostenfaktor gesehen werden, sondern als Hilfe zum Einsparen. Allein durch iKFZ würden 60 Millionen Euro eingespart – aber nur die Hälfte der Kommunen würde davon Gebrauch machen. Föderalismus und Digitalisierung müssten kein Widerspruch sein, aber dass jeder für sich arbeite, würde nicht zur digitalen Gesellschaft passen. Es gehe um Interoperabilität und Standardisierung sowie in Einzelfällen auch klare Vorgaben. Wissing forderte eine "Digitalisierungsdividende für die Bürger": Gebühren müssten entsprechend den Einsparungen durch Digitalisierung gesenkt werden, dadurch würde sich auch ein Druck auf die Verwaltung aufbauen. "Wir können das von Bundesseite in den Bereichen vorgeben, wo wir zuständig sind, das aber auch tatsächlich zu nutzen auf Landesebene und den Kommunen, können wir nur bedingt beeinflussen", sagte Wissing.

Ins gleiche Horn stieß auch Marcus Richter, Bundes-CIO und Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Alle wesentlichen Services des Bundes seien inzwischen digitalisiert, sagte er. Die meisten Dienstleistungen würden zudem irgendwo in Deutschland bereits gebaut, aber der Roll-Out sei weiterhin das Problem. Stefan Schnorr, Staatssekretär im BMDV warnte dabei vor einer reinen Abbildung der analogen Verfahren in digitaler Form. Im kommenden Jahr stehe das dafür wichtige Thema der Digitalen Identitäten ganz oben auf der Agenda, erklärte Richter. 1,5 Mal pro Jahr würden überhaupt Verwaltungsdienstleistungen durch Bürger genutzt, es sei daher entscheidend, hier die Privatwirtschaft mit an Bord zu holen, etwa die Banken oder den Gesundheitsbereich.