Typisch deutsches Digitaldesaster: Die Online-Autozulassung i-Kfz

Jahrelang entwickelt, kaum genutzt und viel Streit: Das Beispiel i-Kfz zeigt, warum die Digitalisierung in Deutschland so schleppend verläuft.

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, Thorsten Hübner

(Bild: Thorsten Hübner)

Lesezeit: 15 Min.
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Als Chef der FDP-Fraktion im Bundestag setzt sich Christian Dürr laut seiner Homepage für einen digitalen, modernen Staat ein. Mitte Februar 2023 vermeldete er auf Twitter einen Etappensieg: "Ab September wird die Kfz-Zulassung endlich auch digital möglich sein."

Was Dürr offenbar nicht wusste, und worauf ihn ein anderer Twitter-Nutzer umgehend hinwies: In Deutschland gibt es die Onlinezulassung schon seit Oktober 2019. Im September 2023 will Dürrs Parteifreund und Verkehrsminister Volker Wissing das i-Kfz genannte Verfahren lediglich vereinfachen sowie für Unternehmen wie Autohändler und -hersteller öffnen.

Mitte Februar kündigt FDP-Fraktionschef Christian Dürr auf Twitter die digitale Kfz-Zulassung an – dabei gibt es diesen Onlinedienst schon seit 2019.

Der Lapsus des FDP-Fraktionschefs lenkt den Blick auf ein Projekt, das mustergültig zeigt, warum hierzulande die Digitalisierung von Behördenabläufen so unglaublich langsam voranschreitet: An der digitalen Autozulassung arbeiten Politik und Verwaltung seit über 15 Jahren. Bund, Länder und Kommunen haben sich zerstritten und zusammengerauft, Termine versprochen und verschoben, Sicherheitsanforderungen entschärft und wieder verschärft. Nun existiert der Onlinedienst zwar, aber kaum jemand kennt ihn. Und wer ihn kennt, nutzt ihn noch lange nicht.

c't kompakt
  • Schon seit dem Jahr 2006 arbeiten Bund und Länder an der Online-Kfz-Zulassung. Doch erst 2019 startete dieser Dienst nach diversen Auseinandersetzungen und Verzögerungen.
  • Bislang werden die i-Kfz-Dienste kaum genutzt, 2021 lag Digitalquote bei 0,6 Prozent. Als Hauptgrund dafür gilt der E-Perso.
  • Ab September will das Bundesverkehrsministerium die Nutzungsquote hochtreiben, unter anderem durch einfachere Abläufe und eine Alternative zum E-Perso. Doch auch um diese Pläne gibt es Streit.

Ablesen lässt sich das Problem an der Nutzungsquote. Im Jahr 2021 verzeichnete das Kraftfahrt-Bundesamt rund 20 Millionen Zulassungsvorgänge, Außerbetriebsetzungen und Adressänderungen durch Privatleute. Nur 120.000 dieser Anträge erreichten die Behörden über i-Kfz, in den restlichen Fällen erschienen die Menschen persönlich auf der Zulassungsstelle ihrer Kommune. Die Onlinequote lag also bei 0,6 Prozent.

Dabei spricht auf den ersten Blick alles für i-Kfz. Die Zulassungsstellen vieler Städte sind überlastet, mancherorts warten Bürger wochenlang auf einen Termin. Immer wieder berichten Lokalzeitungen über Chaos auf den Ämtern: In Stuttgart kollabierte im vergangenen Sommer ein Mann nach stundenlangem Warten. In Berlin verurteilte im Herbst ein Gericht einen Behördenmitarbeiter, der Anträge gegen Schmiergeld vorgezogen hatte.

Dennoch setzt i-Kfz sich nicht durch. Anstelle der Onlinedienste der Behörden nutzen viele Menschen lieber die Angebote privater Zulassungsdienstleister wie Kroschke. Dabei füllt der Nutzer einen Onlineantrag des Dienstleisters aus und schickt Papierdokumente wie Vollmacht und Ausweiskopie per Post hinterher oder lässt sie abholen. Ein Mitarbeiter des Unternehmens geht dann stellvertretend für den Kunden zur Zulassungsstelle. Kostenpunkt: 100 bis 200 Euro je nach Anbieter und Verfahren. Über i-Kfz kostet die Zulassung bloß 27,90 Euro.