Polizeidaten: EU-Gremien einigen sich auf EU-weiten Abgleich von Gesichtsbildern
Der PrĂĽmer Vertrag zum Austausch von Fahndungsdaten wird deutlich erweitert. Bald sind auch Gesichtsbilder und Kriminalakten via Zentralrouter eingeschlossen.
Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission haben sich in der Nacht zum Dienstag auf eine Verordnung "über den automatisierten Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit" verständigt. Damit soll der 2005 begründete Prümer Vertrag, der bislang den Austausch etwa von Gen-, Fingerabdruck- und Kfz-Zulassungsdaten in der EU in vergleichsweise engen Grenzen regelt, deutlich ausgeweitet werden. Einbezogen werden künftig auch Fahndungsfotos oder biometrische Lichtbilder von Verdächtigen und verurteilten Straftätern in polizeilichen Datenbanken, die eine automatisierte Gesichtserkennung unterstützen. Dazu kommt eine Möglichkeit zur gezielten Suche nach Kriminalakten.
Die Co-Gesetzgeber kamen zudem überein, dass Daten auch zur Suche nach vermissten Personen und zur Identifizierung menschlicher Überreste ausgetauscht werden könnten, sofern dies nach nationalem Recht zulässig ist. Bislang war ein manueller Abruf personenbezogener Informationen durch die Behörden im Prüm-Netzwerk erst nach einem Treffer bei einer maschinellen Suche möglich. Vor allem Deutschland hatte einst auf dieses "Hit/No Hit"-Verfahren gedrängt, um den Datenschutz nicht allzu sehr einzuschränken. Die EU-Abgeordneten bemühten sich, diesen Ansatz zumindest teilweise zu erhalten. So können bei Kriminalakten erst nach einer positiven Übereinstimmung Stammdaten wie Namen, Geburtsdaten und Fallzahlen von Strafverfahren ausgetauscht werden. Der angefragte Mitgliedsstaat muss die relevanten Informationen binnen 48 Stunden liefern, falls eine gerichtliche Genehmigung nicht einen längeren Zeitraum erfordert.
Grundrechte sollen gewahrt bleiben
Während der Verhandlungen drängten die Volksvertreter nach eigenen Angaben auch erfolgreich auf eine menschliche Überprüfung von Datenübereinstimmungen. Dazu kommt die Auflage, dass Gesichtsbilder und Polizeiakten nur zur Aufklärung von Straftaten ausgetauscht werden dürfen, die mit einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. Die Parlamentarier setzten ferner eine Klausel durch, die sicherstellen soll, dass der Datenabgleich die Grundrechte in vollem Umfang respektiert. Auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung wird Pflicht.
Mit der neuen, von der Kommission 2021 auf den Weg gebrachten Prüm-II-Verordnung wird auch die technische Infrastruktur modernisiert, die dem Informationsaustausch zugrunde liegt. Sie sieht die Einrichtung eines zentralen Routers durch die für große IT-Systeme im Sicherheitsbereich zuständige Behörde EU-Lisa vor, um den Aufbau von Verbindungen zwischen Mitgliedstaaten untereinander sowie mit Europol zu fördern. Die Datendrehscheibe besteht aus einem Suchwerkzeug und einem sicheren Kommunikationskanal. Die Strafverfolgungsbehörde, die nach einer Übereinstimmung sucht, übermittelt ihre Daten wie einen Fingerabdruck künftig an den Router. Dieser leitet die Anfrage zur Abfrage an die Datenbanken aller anderen EU-Länder und Europol weiter.
Droht Live-Gesichtserkennng?
Für die automatisierte Suche in Polizeiregistern sollen Zugangsberechtigte das European Police Records Index System (EPRIS) nutzen. Europol wird es ermöglicht, auch nationale Datenbanken zu durchsuchen. Die Übereinkunft muss noch vom Parlament in einer Plenarsitzung sowie vom Rat befürwortet werden. "Um ein Europa ohne Binnengrenzen zu schaffen, müssen wir den Strafverfolgungsbehörden auch geeignete Instrumente zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität an die Hand geben", warb der parlamentarische Berichterstatter Paulo Rangel von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) für den Kompromiss. Bürgerrechtler und der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski hatten im Vorfeld gewarnt, mit dem Vorhaben werde jeder verdächtig. Mit einem britischen Beitritt auch zu dem ausgedehnten Vertrag drohe eine breite Live-Gesichtserkennung.
(mki)