SCO vs. Linux: Vom Berufungsgericht zum Obersten Gerichtshof

Der Streit darum, ob nun SCO oder Novell die Copyrights an Unix besitzt, findet in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht neue Wendungen.

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Von
  • Detlef Borchers

In der Auseinandersetzung zwischen der SCO Group und Novell über die Frage, ob bei der Übertragung der Unix-Distributionsrechte auch die Copyrights an Unix veräußert wurden, zeichnet sich eine weitere Wendung ab. Weil in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht viele SCO-Zeugen aus der Erinnerung heraus zitieren, hat Novell eine Klageschrift vor dem Obersten Gerichtshof eingereicht.. Das Gericht möge grundsätzlich klären, ob bei dem Verkauf von Software-Distributionsrechten das Copyright inbegriffen ist oder es bei einem Distributionsvertrag dem Käufer anheimgestellt ist, welche Copyrights ohne ausdrückliche Nennung übertragen werden.

Die von Novell in einer Klageschrift a Certiorari (das übergeordnete Gericht kann Akten aus einem laufenden Prozess anfordern) eingereichte Frage zu den Copyrights ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichtes in Salt Lake City von den SCO-Anwälten viele Zeugen aufgeboten werden, die vom Vertragsabschluss zwischen SCO und Novell vom Hörensagen her berichten. Weil es Verträge gegeben hat, mit denen SCO die Distribution und Weiterentwicklung von Unix betreiben konnte, sei das Copyright an Unix mit diesen Verträgen an SCO übergegangen, so die Position der Zeugen.

Besonders prägnant kam diese Position am vierten Verhandlungstag in der auf Video aufgezeichneten Aussage von Doug Michels zum Ausdruck, der beim Vertragsabschluss mit Novell der Vizepräsident von SCO war. Für ihn bestanden keine Zweifel, dass die Übertragung von Copyrights zum Kauf einer Software gehören und nicht explizit in einem Vertrag genannt werden müssen. Copyrights gehörten Michels zufolge "wie Sauerstoff" zur Softwareentwicklung. "Well, I meant that the only way that I know of, and anyone on my team knew of to buy a software business is to buy the copyrights, and there's no way we would have ever done a deal to buy a software business where we didn't get the copyrights and all the other intellectual property. " Der SCO-Gründer musste auf Nachfrage allerdings zugeben, sich niemals mit den Verträgen im Detail befasst und keinerlei Kenntnisse über zusätzliche Vertragsabmachungen zu haben. In diesen Abmachungen, den sogenannten Asset Purchase Agreements, befinden sich die einschränkenden Bestimmungen, auf die sich Novell beruft.

Michels Aussage mag vor dem Hintergrund verwundern, dass dieser zusammen mit seinem Bruder die ursprüngliche Santa Cruz Operation gründete, um das von Microsoft produzierte Unix-Derivat Xenix weiter zu entwickeln. Während SCO Xenix verkaufte, blieb das Copyright bei Microsoft.

Gegen die Aussage von Michels und anderen standen vor allem die Ausführungen des Novell-Chefs Jack Messman, die ebenfalls als Video eingespielt wurden. Dieser schilderte den Übertrag der Unix-Entwicklung an SCO vor dem Hintergrund der damaligen Marktsituation. Man habe SCO alles gegeben, damit die Firma ein vereinheitlichtes, konkurrenzfähiges Unix gegen Microsofts Windows NT auf den Markt bringen konnte. Die Copyrights seien nicht Bestandteil der Vereinbarung gewesen, weil sie zur Weiterentwicklung einer Software nicht zwingend benötigt würden. Aus diesem Grunde will Novell mit seiner Eingabe vor dem Supreme Court die Frage der Copyrights zu einer Grundsatzfrage machen.

Ob der Vorstoß von Novell Erfolg hat, in der laufenden Verhandlung den Obersten Gerichtshof einzuschalten und eine Grundsatzfrage zu Software-Verträgen klären zu lassen, ist ungewiss. Nach US-amerikanischen Recht ist der Supreme Court nicht verpflichtet, die Klageschrift anzunehmen und kann sie ohne weitere Begründung ablehnen. In einem weiteren Punkt verneinte Messman in seiner Aussage, mit einer Erklärung der SCO Group geschadet zu haben. Das Linux-Schutzprogramm gegen Ansprüche von SCO, für Linux-Installationen Lizenzgelder zu bekommen, sei von Novell allein deshalb aufgelegt worden, um die eigenen Kunden zu beruhigen. Vor dem Berufungsgericht geht es neben den strittigen Copyrights um die Behauptung der SCO Group, Novell habe der Firma mit seinem Linux Indemnification Program das Geschäft vermasselt. SCO will Novell für entgangene Zahlungen haftbar machen, weil viele Firmen keine Antidot-Lizenz erwerben wollten. Nach Einschätzung von SCO beträgt der Schaden mindestens 25 Millionen Dollar.

Die Berufungsverhandlung in Salt Lake City findet vor einem Geschworenengericht statt und geht zu diesem Wochenende in die Drittelpause. In den vergangenen Tagen ermahnte der Richter die Geschworenen wiederholt, den Fall nicht zu diskutieren, weder im persönlichen Gespräch noch über das Internet via Twitter, Facebook, LinkedIn, in Chatrooms oder via Blackberry Mail. Auch die Nachrichten in den Medien zu diesem Fall dürfen nicht von den Geschworenen beachtet werden. Richter Stewart erklärte ihnen zum Prozessauftakt nur, dass es um ein "Open-Source-Programm namens Unix" gehen wird, erntete aber mit dieser Charakterisierung Protest von beiden Parteien.

Zu den Entwicklungen in dem Streit, den SCO mit IBM, Novell und der Open-Source-Gemeinde um SCO-Rechte an Unix und angeblich unrechtmäßig in Linux übernommenen Code angezettelt hat, siehe den Online-Artikel in c't-Hintergrund (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online, aus Technology Review und der c't):

(jk)