Antisemitismus bei X/Twitter: Hollywood-Studios verstummen, immer mehr Abschiede

US-Filmstudios betreiben Accounts auf X/Twitter mit Millionen Followern. Schon seit Tagen sind sie verstummt, Neuigkeiten gibt es stattdessen jetzt auf Threads.

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Unscharfer Elon Musk hinter Smartphone mit Logo von X vor Twitter-Vogel

(Bild: kavi designs/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Nach den jüngsten Skandalen um Elon Musk und den Kurzmitteilungsdienst X (vormals Twitter) sind die wichtigsten Accounts der großen Hollywood-Studios verstummt und offenbar zur Twitter-Alternative Threads gewechselt. Das geht aus einem Bericht des US-Senders CNN hervor. Vorher hatten schon viele namhafte Werbekunden ihre Aktivitäten auf der Plattform eingestellt, weil Anzeigen auf X/Twitter direkt neben antisemitischen Beiträgen ausgespielt wurden. Während die Plattform inzwischen vor Gericht gegen die Organisation vorgeht, die das öffentlich gemacht hat, werden auf X/Twitter selbst zahlreiche Funde von weiteren Werbeanzeigen geteilt, die direkt bei rassistischen, antisemitischen oder nationalsozialistischen Inhalten ausgespielt werden.

Wie der CNN-Reporter Oliver Darcy nun für seinen Newsletter herausgefunden hat, haben die größten Accounts der Filmstudios Disney, Paramount, Lionsgate, Sony Pictures, Universal und Warner Bros. Discovery allesamt seit ungefähr zehn Tagen nichts mehr auf X/Twitter veröffentlicht. Vorher hätten Accounts zu Star Wars, Pixar oder den Marvel Studios teilweise mehrere Beiträge täglich für die Millionen Follower abgesetzt. Stattdessen seien die Marken zur in Europa nicht verfügbaren Twitter-Alternative Threads von Meta gewechselt, wo auch aktuelle Neuigkeiten geteilt werden. "Jeden Tag wachen mehr und mehr Marken auf und erkennen die Tatsache, dass Twitter tot ist und X eine Jauchegrube", zitiert Darcy die Einschätzung des IT-Journalisten Casey Newton.

Seinen Ausgang genommen hat die jüngste Absetzbewegung von X/Twitter durch einen Bericht von Media Matters, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass Anzeigen renommierter Werbekunden neben Tweets erschienen, die rechtsextreme, antisemitische und Hitler-verherrlichende Inhalte verbreiten. Der US-Milliardär Elon Musk hat daraufhin Klage gegen die US-Organisation eingereicht, die Aufmerksamkeit für das Thema damit aber nur erhöht. Das US-Magazin TechDirt hat eine ganze Reihe von weiteren Fällen zusammengetragen, die von Nutzern und Nutzerinnen auf X/Twitter gesammelt werden. Werbeanzeigen finden sich demnach reihenweise neben Beiträgen, die über eine Suche nach dem Hashtag #HeilHitler zutage fördert werden.

Während sich die Hollywood-Studios zum augenscheinlichen Abschied von X/Twitter nicht geäußert haben, haben andere ihre Abkehr von dem Dienst ausführlich begründet. So hat das deutsche Recherchezentrum Correctiv am gestrigen Montag erklärt, X/Twitter zu verlassen. "Einst war Twitter informativ, gar lustig, später in Protestbewegungen sogar lebenswichtig, um Botschaften an die Öffentlichkeit zu senden. Inzwischen breiten sich Hass und Desinformation unkontrolliert aus, auch weil Elon Musk dies bewusst zulässt und sogar befeuert. Ein konstruktiver Diskurs ist auf der Plattform nicht mehr möglich", begründet Chefredakteur Justus von Daniels den Schritt. Ähnlich, aber ausführlicher, hat die bekannte Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, ebenfalls ihren Abschied erklärt.

Für X/Twitter könnten die Folgen der Skandale damit noch schwerwiegender werden als bislang angenommen. Erst vor wenigen Tagen hat die New York Times unter Berufung auf interne Dokumente berichtet, dass man bei der Plattform davon ausgeht, bis Jahresende Werbeeinnahmen in Höhe von 75 Millionen US-Dollar zu verlieren. Wenn gleichzeitig auch immer mehr besonders beliebte Accounts verstummen, dürfte das die Absetzbewegung nur verstärken. Gegenüber CNN meint Casey Newton noch, dass sich der globale Marktplatz, der Twitter einmal war, aufgelöst und auf verschiedene Plattformen verteilt habe. Die wichtigsten Debatten fänden jetzt anderswo statt.

(mho)