Brauchen Internetradios den Fachhandel?

Sie sind leicht anzuschließen und zu bedienen – heißt es. Gehören Internetradios deshalb nur ins Angebot von E-Tailern und Kistenschiebern oder können sie das Sortiment des beratenden Fachhandels abrunden? Die Meinungen gehen auseinander.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ulrike Goreßen

(Bild: DNT)

Etwa zwei Drittel der deutschen Haushalte verfügen über einen Internetzugang per DSL oder Kabel. Schon lange wird das Web nicht allein für Informationssuche und Kommunikation genutzt, sondern es gewinnt zunehmend Bedeutung als vielfältiger Entertainer. Dazu gehört auch der Radioempfang.

Mittlerweile hat das Webradio allein europaweit eine millionenfache Fangemeinde. Wen wundert es, dass die Industrie darauf reagierte und seit gut sieben Jahren Internetradios anbietet, mit denen die Anwender nicht nur direkt am PC das riesige weltweite Angebot an Radiosendern hören können. Das Sortiment umfasst eigenständige Webradio-Empfänger, zum Beispiel für das Wohnzimmer, die über den (WLAN-)Router an das Internet angeschlossen sind. Einige dieser Geräte bieten gute Klangeigenschaften und können auch an die Stereoanlage angeschlossen werden. Andere Geräte speisen das Signal vom Router in den Fernseher ein. Webradio über das Mobiltelefon ist in aktuellen Oberklasse-Handys Standard. Und selbst Spielekonsolen der neuen Generation können Webradio abspielen. Für mobile Nutzer gibt es außerdem kompakte Empfänger, die unabhängig vom Stromnetz unterwegs, im Garten oder im Hobbyraum zum Einsatz kommen.

Doch wo bleibt hier der Fachhandel? Heise resale hat sich bei Herstellern, Distribution und Handel umgehört. Bei der Einschätzung hinsichtlich der Profitabilität des Geschäftes mit Internetradios gibt es krasse Unterschiede. So sind die Internetradios nach Ansicht des Soester Distributors Actebis Peacock bereits in Flächenmärkten und dem Lebensmittelhandel angekommen. Da die Preise im Sinkflug seien, legten die Soester auf dieses Produktsegment keinen Fokus mehr – da nicht Ausstattung, sondern allein der billige Preis zähle.

Walter Dürr, Vertriebsleiter bei DGH Großhandel, sieht eine wachsende Zielgruppe für Webradios.

(Bild: Duttenhofer)

Ganz anders denken die Einkaufsstrategen beim DGH Großhandel. Laut Vertriebsleiter Walter Dürr sind Internetradios auf jeden Fall ein wachsender Markt, in dem der Fachhandel seine Stärken als kompetenter Berater optimal ausspielen kann. "Der Kunde kauft eine ganz neue Technik nicht ohne Vorführung – egal ob als Stand-alone-Lösung oder Ergänzung zur HiFi-Anlage. Das wird ein zusätzliches Umsatzfeld für den Fachhandel", versichert Dürr. Ein weiterer Indikator für den Erfolg ist seiner Meinung nach die große Zielgruppe: Zum einen die vielen ausländischen Kunden, die ihre Heimatsender hören wollen, andere haben an ihrem Wohn- oder Urlaubsort schlechten Radioempfang oder haben abseits vom Mainstream Spartensender für sich entdeckt. Das Nachfragepotenzial sei auf jeden Fall sehr groß.

Im Moment werden bei DGH Großhandel am häufigsten Stand-alone-Lösungen verkauft. Die Ergänzung zur HiFi-Anlage könne aber noch ein Thema werden, denn einige Geräte empfangen auch UKW-Sender und ersetzten so den klassischen Tuner der HiFi-Anlage. "Interessant wird auch die Nutzung des Internetradios als zentraler Netzwerkserver im Haushalt", erklärt Dürr.

Hartmut Baumann, EP-Chefeinkäufer IT/Multimedia: "Flatrates und Heimvernetzung bieten Internetradios eine glänzende Zukunft."

(Bild: EP)

Diese Einschätzung teilt auch Hartmut Baumann, Chefeinkäufer IT/Multimedia bei ElectronicPartner: "Der Musikkonsum verändert sich radikal. Die Nutzer wollen ihre bevorzugte Musikrichtung hören und nicht die Auswahl der Radiosender selbst. Internetradio bedeutet heute, dass die Geräte Podcast, Radiostationen, Musikdienste und die eigene digitale Musikbibliothek wiedergeben können und als Hub für MP3-Player dienen." Der Bedienkomfort, die Qualität und der Sound haben sich deutlich verbessert. EP hat das Sortiment vergrößert, denn für die Düsseldorfer ist sicher, dass diesem Medium in Zeiten von wachsender Breitbandinternetversorgung und Flatrates kombiniert mit der Möglichkeit der Heimvernetzung eine erfolgreiche Zukunft beschieden ist.

Ins gleiche Horn stößt auch Volker Müller, Vorsitzender des Expert-Vorstandes: "Wer als kompetenter Berater die Geräte im praktischen Betrieb vorführt, ist immer im Vorteil gegenüber den 'Kistenschiebern' mancher Großanbieter."

Die Logitech Squeezebox Touch reagiert auf Berührung und kann auch als Fotorahmen genutzt werden.

(Bild: Logitech)

Im deutschen Markt für Internetradios ist die Zahl der Anbieter noch recht übersichtlich. Zu den bekanntesten Herstellern gehören DNT, Lenco, Logitech und Terratec. Dazu kommen klassische UE-Anbieter wie Grundig und Philips, die ihr Portfolio seit Neuestem um Internetradios beziehungsweise HiFi-Minianlagen mit Webanschluss erweitern.

Nach wie vor werden insbesondere Stand-alone-Geräte nachgefragt und gehören bei den meisten Anbietern zum Standard. Die kleinen, kompakten Geräte sind in der Regel mit einem Monolautsprecher ausgestattet und muten im Design wie die klassischen tragbaren Radios aus den 1970er Jahren an. Andere bestechen insbesondere Technikfreunde durch ihre Brikettform, die vielen Tasten und Regler.

In diesen beiden Bereichen bietet etwa DNT ein besonders breites Sortiment an. Darüber hinaus gibt es das IPdio Tune, das als digitale HiFi-Komponente im klassischen Format einer Stereoanlage konzipiert ist. Es bietet diverse Möglichkeiten zur Musikwiedergabe: via Internetradio, UKW-Radio, SD-Kartenslot, USB-Anschluss, Audio-Streaming über UPnP oder Windows Shares.

Mit einem Internetradio kann der Anwender Tausende Sender empfangen und seine Musikliste ganz nach persönlichen Vorlieben zusammenstellen. Aber genau dieses Überangebot irritiert viele potenzielle Käufer. Deshalb ist hier Beratung notwendig – oder ein Produkt, das speziell auf bestimmte Nutzergruppen zugeschnitten ist.

Nicht nur für Fußballfans: das Terratec Noxon 90elf

(Bild: Terratec)

Terratec bietet mit dem Noxon 90elf beispielsweise ein leicht nutzbares Internetradio für Fußballfans an. Das Design ist bewusst einfach gehalten und auf den wenigen Tasten sind alle wichtigen Live-Übertragungen (Einzel- und Konferenzschaltungen) eingespeichert. Die Terratec-Modellpalette umfasst zudem Geräte mit iPod-Dockingstation.

Auch Logitech bietet einfaches Handling. Beim Design und den Zusatzfunktionen gibt es jedoch mehr Variationen als der immer beliebtere iPod/MP3-Player-Anschluss. So verfügt die Squeezebox Touch etwa über ein berührungssensitives Farbdisplay, auf dem man auch Bilder- und Videos ansehen kann. Diese lassen sich per Web sowie über den USB-Anschluss oder SD-Kartensteckplatz aufspielen. Ganz neu ist auch die Minivariante, die wie eine Fernbedienung mit Farbdisplay aussieht. Und für die Squeezebox Radio wird als margenförderndes Zubehör ein Akku-Pack angeboten, dank dem das Radio auch mobil in der Wohnung genutzt werden kann. Alle Logitech-Systeme lassen sich einfach ins Heimnetzwerk einbinden, wobei die höherwertigen Geräte – ähnlich wie die Sonos-Produkte – auch als NAS-Server oder für Multiroom-Installationen genutzt werden können.

Stark im Kommen sind außerdem edle HiFi-Anlagen mit integriertem Webanschluss. Im April will beispielsweise Philips die MCI900 auf den Markt bringen, die eine 160-GByte-Festplatte, Internetradio und Streaming-Funktion bietet.

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Kommentar

Alle reden von der Heimvernetzung, vor allem der Fachhandel preist sich als kompetente Anlaufstelle für den interessierten Konsumenten. Viele Händler investieren deshalb auch viel Geld und Zeit in die Schulung ihrer Mitarbeiter. Mit einer klugen Auswahl an Internetradios für verschiedene Kundengeschmäcker kann der Handel sich tatsächlich von seiner besten Seite zeigen. Und das Schöne: Die Auswahl an hochpreisigeren und damit auch margenträchtigeren Modellen mit Zusatzfunktionen ist groß und wird nachgefragt.

Ulrike Goreßen, freie Journalistin

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