Lauterbachs "Quantensprung": Bundestag verabschiedet eHealth-Gesetze

Bei den kommenden Digitalgesetzen im Gesundheitswesen spricht Lauterbach vom Datenschatz. Bedenken hat er dank vertrauenswürdiger Ausführungsumgebung nicht.

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach in der Aussprache zu m Gesundheitsdatennutzungsgesetz und zum Digitalgesetz

Gesundheitsminister Karl Lauterbach in der Bundestags-Aussprache zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz und zum Digitalgesetz

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Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland soll vorankommen. Um das zu erreichen, hat der Bundestag das Digitalgesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz beschlossen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit diesem "Quantensprung" für eine "bessere effizientere Medizin" sorgen. Ab Januar 2024 ist damit die flächendeckende Nutzung des Elektronischen Rezepts geplant, für 2025 die breite Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA).

Demnach sollen E-Rezepte 2024 zum Standard und für die Praxen verpflichtend werden. Anfang 2025 werden laut Gesetz alle gesetzlich Versicherten elektronische Patientenakten bekommen – es sei denn, man widerspricht. Auch ist ein bei der Gematik eingerichteter Digitalbeirat geplant, der unter anderem zusammen mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik über Fragen zu Datenschutz und Datensicherheit beraten soll.

Vor 20 Jahren gab es bereits erste Pilotprojekte mit der elektronischen Gesundheitskarte, "20 Jahre später und Milliarden Euro später" sei man Lauterbach zufolge auf dem gleichen Stand. 2025 sollen Röntgenbilder, Laborwerte und weitere Daten in der ePA vorliegen und "unnötige Doppeluntersuchungen" vermeiden. Aktuell seien die Daten auf Servern der Praxen und Krankenhäusern verteilt und würden für die Behandlung oft fehlen.

Mit den Gesetzen verspricht Lauterbach "eine viel bessere Medizin, viel weniger Dokumentation, mehr Daten, mehr Sicherheit". Er sehe kein Problem darin, "wenn auch Firmen, Pharmafirmen, Digitalfirmen, KI-Firmen, Medizinproduktefirmen, gute Produkte" mit den Daten entwickeln, "solange das Gemeinwohl dabei im Vordergrund steht und nicht der Profit". Das wolle er mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz sichern. "Wir können es uns auch nicht leisten [...], dass wichtige Unternehmen in der Krebsforschung, zum Beispiel Biontech, ihre Forschung nach England verlegen". Aber mit den Digitalgesetzen habe man künftig Daten, "die besser sind als die in England, weil unser Datenschatz größer ist [...] und weil unsere Krankenkassen die Daten deutschlandweit auswerten lassen". Damit sei Deutschland in Europa für wissenschaftliche Studien am interessantesten.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) gehören künftig zu digitalen Medizinprodukten der Risikoklasse IIb, wenn sie beispielsweise für das Telemonitoring zum Einsatz kommen. Ebenso soll die Telemedizin durch mehr Vergütung von Videosprechstunden, aber auch durch eine Ausweitung auf Hochschulambulanzen, psychiatrische Institutsambulanzen und psychotherapeutische Sprechstunden gefördert werden, wie auch aus einer Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums hervorgeht.

DiGA können Lauterbach zufolge die Versorgung von Krebskranken, aber auch von Diabetespatienten verbessern, deren Daten ebenfalls in die ePA gelangen. Dazu greife das Gesundheitsdatennutzungsgesetz "wie ein Zahnrad in das ePA-Gesetz", so Lauterbach. Dazu sollen Daten aus der ePA, die Abrechnungsdaten der Krankenkassen und Daten aus medizinischen Registern sowie Gendaten Lauterbach zufolge in einer vertrauenswürdigen Ausführungsumgebung (VAU) zusammenlaufen – und das "pseudonymisiert, sodass diese Daten ausgewertet werden können für Studien".

Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, gab jedoch zu Bedenken, "dass es in der Vergangenheit schon erfolgreiche Angriffe auf das Gesundheitsdatenforschungszentrum und auf die Krankenkassen gab". Auch auf den offenen Brief von Vertretern der Zivilgesellschaft wie dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, der Deutschen Aidshilfe und dem Chaos Computer Club, die starke Kritik an den Digitalisierungsgesetzen üben, sprach Vogler den Gesundheitsminister an. Aufgrund der offenen Fragen zum Datenschutz und die fehlende Definition von gemeinwohlorientierter Forschung hinterfragte sie auch, warum die ePA als Opt-out-Variante kommen muss.

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Lauterbach zufolge sei es "genau diese Haltung gewesen", die für die schleichende Digitalisierung des Gesundheitswesens gesorgt hat. "Hier werden Ängste geschürt, die wissenschaftlich nicht begründet sind. Die vertrauenswürdige Umgebung [...] wo Sie sagen, das hat in der Vergangenheit nicht funktioniert". Inzwischen sei die Technik, um Daten zu schützen, da – früher habe es die Möglichkeiten nicht gegeben. Mit "Confidential Computing, was durch Hardware und durch eine Software abgesichert ist", sei "bisher noch nie ein solches System gehackt werden". Man wolle für die Sicherheit "die modernste Technologie" nutzen, aber auch "jeden mitnehmen". Außerdem könnten Patienten widersprechen, dass ihre Daten für die Pharmaforschung genutzt werden. Die Mehrheit der Menschen würde sich laut dem Minister allerdings wünschen, dass ihre Daten für eine bessere Krebsbehandlung genutzt werden.

Ansichten zur elektronischen Patientenakte und Gesundheitsdaten

heise online hat mit Experten über den Fortschritt der Digitalisierung im Gesundheitswesen gesprochen.

(mack)