Elektronische Patientenakte: Was Ärzte wirklich wollen

Bald soll mit Patientendaten unkompliziert geforscht werden können. Was Ärzte von den aktuellen Plänen zur Patientenakte und dem Gesundheitsdatenraum halten.

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Arzt erklärt etwas in einer Praxis. Auf dem Tisch liegt ein Stethoskop.

(Bild: Indypendenz/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens soll bald eine "Aufholjagd" beginnen, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erneut bei der Vorstellung des mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz verzahnte Medizindatenforschungsgesetzes ankündigte. Zentral dabei ist eine Forschungsdateninfrastruktur, die auch Pharmaunternehmen den unkomplizierten Zugang zu Daten dank weniger Bürokratie und unkomplizierten Musterverträgen ermöglichen soll. Wir haben mit den Allgemeinmedizinern Dr. Lothar Rütz und Dr. Stefan Streit gesprochen, was sie sich von der Digitalisierung erhoffen und darüber, wie es nicht sein sollte.

heise online: Aktuell sind viele Ärzte mit der Digitalisierung unzufrieden. Woran liegt das?

Rütz: Vor allem an der Telematikinfrastruktur samt dysfunktionalen Anwendungen. Aktuell werden die Praxen mit zusätzlicher Bürokratie belastet, anstatt entlastet. Es ist wichtig, die Ärzte, die inzwischen skeptisch bis ablehnend gegenüber der Digitalisierung eingestellt sind, im positiven Sinne mitzunehmen. Bisher wird den Ärzten eine von Ökonomen und Industrie getriggerte und von der Politik ausgeführte Struktur übergestülpt.

Wo liegen für Sie als Ärzte die Vorteile einer elektronischen Patientenakte, die mit dem Digitalgesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen kommen soll?

Anhand der Daten, die über die Patienten strukturiert vorliegen, können wir uns sehr schnell über die Vorgeschichte informieren. Die Daten sind dabei zuverlässiger als die Angaben des Patienten.

Was ist, wenn die Daten nicht strukturiert vorliegen?

Dann sind die Daten unbrauchbar und der Aufwand ist umsonst. Es muss schon so sein, dass die Akte durchsuchbar ist. Mehr als 80 Prozent der Ärzte arbeiten mit elektronischer Datenverarbeitung in der primären Arztakte in ihrer Praxis. Das funktioniert hervorragend. Die Vorbefunde wissen wir Ärzte natürlich nicht alle auswendig. Wir haben in der Praxis-EDV eine ganz normale Suchfunktion, wie das andere Programme auch haben. Dafür ist auch eine Verschlagwortung notwendig. Wir sind darauf angewiesen, dass die Daten zu 100 Prozent korrekt sind. Wir dürfen uns eigentlich nicht erlauben, dass eine Allergie nicht das richtige Schlagwort erhält. Das muss eine zukünftige elektronische Patientenakte können. Mit der aktuell geplanten Version können wir Ärzte nicht arbeiten.

Besteht dann nicht auch die Gefahr der Voreingenommenheit, wenn die Kollegen versehentlich etwas falsch diagnostiziert haben?

Es geht nicht um falsch diagnostiziert, sondern darum, dass etwas falsch eingegeben wurde. Das ist ein wichtiger Unterschied. Heutzutage ist das so: Wenn ein Arzt etwas falsch in die Akte eingibt, dann hat er einen Fehler in seinem Datensatz. Der Patient geht zum nächsten Arzt, der fragt nach und dann ist das korrigiert. Deswegen fragen wir Ärzte immer wieder nach. Es ist wichtig, dass in der Patientenakte möglichst ausschließlich gesicherte Informationen eingetragen wurden.

Also wäre Ihnen wichtig, dass Ärzte Zugriff auf die Akten der Versicherten haben und die Versicherten dort selbst nichts eintragen können?

Ja, sonst brauchen wir die Akte nicht. Außerdem muss ich als Arzt auf alle Befunde zugreifen können.

Besteht dann nicht die Gefahr, dass auch Ärzte auf Daten zugreifen, die vielleicht nichts Gutes im Sinn haben?

Das funktioniert in anderen Ländern auch. Dort ist das strafbewehrt, weil der Arzt dann die Schweigepflicht verletzt. Ich darf als Arzt jetzt auch nicht beliebig irgendwelche Daten anfordern, sondern nur die des Patienten, der bei mir in Behandlung ist. Da sollten dann auch die Zugriffe protokolliert werden. In einer PA müssen validierte Befunde strukturiert vorliegen, damit ich die Informationen auch schnell finde.