KI verleumdet Unschuldigen als Kinderschänder: Klage gegen Microsoft

MSN berichtete über einen Missbrauchs-Prozess gegen einen nicht genannten irischen Radiomoderator, samt Foto eines unbeteiligten Kollegen. Schuld sei die KI.​

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Schild "Microsoft" an Einfahrt zu Microsoft-Gelände, davor eine auf Rot stehende Fußgängerampel

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Schwere Vorwürfe wegen Verleumdung erhebt der irische Radiomoderator Dave Fanning gegen den Hongkonger Verlag BNN sowie Microsoft. Ein von BNN und in der Folge Microsoft Network (MSN) veröffentlichter Bericht über einen Strafprozess gegen einen irischen Radiomoderator wegen sexuellen Missbrauchs einer minderjährigen Person nannte zwar nicht den Namen des Beschuldigten, zeigte aber ein Foto Fannings. Der hatte mit dem Prozess nichts zu tun. Künstliche Intelligenz soll das Bild ausgewählt haben.

Unter der Schlagzeile "Prominent Irish Broadcaster faces trial over alleged sexual misconduct" (Etwa: "Prominenter irischer Rundfunker muss sich in Strafprozess Vorwürfen sexuellen Missbrauchs stellen" berichtete eine Journalistin auf BNN über das "schockierende" Verfahren. Spezialität der Journalistin ist nach eigenen Angaben, "unterrepräsentierte Geschichten" zu berichten, speziell über Palästinenser. In ihrem Bericht vom 9. Oktober ging es allerdings um einen irischen Rundfunkmoderator, dessen Name "aufgrund rechtlicher Einschränkungen" nicht genannt werden dürfe. Ihm wurden sexuelle Aktivitäten mit einer Person unter 17 Jahren vorgeworfen. 17 ist das Schutzalter in Irland.

Das Verbot der Namensnennung hinderte BNN nicht daran, den Artikel mit einem Foto eines irischen Moderators zu versehen, und MSN nicht daran, dieses Werk ungeprüft weiterzuverbreiten. Der dabei zum Handkuss gekommene Fanning verlangt nun Schadenersatz von BNN und Microsoft. Soweit eruierbar, habe wohl eine Künstliche Intelligenz (KI) Fannings Foto ausgewählt.

Update

Microsoft hat eine Stellungnahme abgelehnt. Von BNN hat uns keine Reaktion ereilt.

Der tatsächlich angeklagte Rundfunkmoderator war übrigens ebenfalls unschuldig. Er wurde von allen Anklagepunkten freigesprochen. Das erwähnt der öffentliche irische Rundfunk RTÉ, für den Fanning tätig ist, in seinem Bericht über die Klage. Der ursprüngliche BNN-Artikel ist nach wie vor online – mit einem anderen Bild, jedoch ohne Hinweis auf das ausgetauschte Foto. heise online hat Microsoft und BNN zu Stellungnahmen eingeladen.

Ganz so einfach ist das mit der Verleumdungsklage in Irland übrigens nicht. Fanning hat BNN, Microsoft Operations Ireland Ltd. und dessen Mutterkonzern Microsoft Corporation beim High Court in Dublin verklagt. BNN und Microsoft Corp. sind nicht in Irland ansässig, sondern in Hongkong respektive den USA. Daher muss der High Court erst die Zustellung der Klage im Ausland genehmigen.

Bezüglich BNN ist das am Montag erfolgt. Bezüglich Microsoft muss Fannings Anwalt erst darlegen, dass Microsoft den BNN-Bericht auch außerhalb des Zuständigkeitsgebietes von Microsoft Operations Ireland, mithin außerhalb der EU, verbreitet hat. Nächste Woche möchte der Richter dann über die Genehmigung der Klagezustellung an Microsoft Corp. entscheiden.

Von juristischen Formalitäten abgesehen ist dies nicht der erste Fall, in dem Microsoft schädliche Inhalte aus Künstlicher Intelligenz verbreitet. Im August empfahl Microsoft Travel eine Essensausgabe für Bedürftige als Sehenswürdigkeit für Touristen. Tipp: "Ziehe es in Erwägung, mit leerem Magen zu kommen".

"Brandon Hunter useless at 42", titelte MSN im Kanal "Race Track" im September. Zu Deutsch etwa: Brandon Hunter nutzlos im Alter von 42 Jahren. Es war ein pietätloser, schwer verständlicher Nachruf auf den früh verstorbenen, einstigen Profi-Basketballspieler.

Solcher Unrat ist nur die Spitze des Eisbergs, seit der Konzern 2020 alle Journalisten gefeuert hat. Nun wählen Microsofts Algorithmen die MSN-Inhalte aus. So wie bei den Algorithmen versagt Microsoft wiederholt bei der versprochenen menschlichen Aufsicht über seine Algorithmen.

(ds)