Spritpreise: Geteiltes Echo auf Köhler-Vorstoß

Spritpreise: Geteiltes Echo auf Köhler-Vorstoß

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Von
  • mfz

Bundespräsident Horst Köhler hat in einem Interview mit dem Magazin Focus mehr Umweltbewusstsein von den Deutschen gefordert und dafür höhere Benzinpreise ins Spiel gebracht. Damit hat er eine Welle des Protestes heraufbeschworen. Köhler hatte in dem Interview gefordert: „Wir müssen jetzt den Paradigmenwechsel hin zu einer Wirtschaftsweise einleiten, die unser Planet verkraftet und die letztlich auch mehr Sinn stiftet.“ Auch auf die Gefahr hin, sich mit vielen anzulegen, betonte Köhler: „Wir sollten zum Beispiel darüber nachdenken, ob der Preis von Benzin nicht tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte.“

Der ADAC warf Köhler daraufhin eine „ideologische Verteufelung der individuellen Mobilität“ vor. „In den Ohren vieler Millionen Pendler, die Tag für Tag weite Fahrstrecken in Kauf nehmen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, klingen solche Äußerungen wie Hohn.“ sagte Peter Meyer, Präsident des Automobilclubs in einer ersten Reaktion. Schon heute liege der Steueranteil auf Kraftstoff bei über 70 Prozent. Der ADAC hatte schon in der letzten Woche vor Preistreiberei an Tankstellen zu den anstehenden Osterferien gewarnt.

Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat sich gegen höhere Spritpreise ausgesprochen. Zum Vorschlag von Bundespräsident Horst Köhler sagte der CSU-Politiker der Bild-Zeitung: „Die Öko- bzw. Spritsteuer im Benzinpreis hat bis heute keinerlei Lenkungswirkung entfaltet. Gefahren wird wie eh und je.“ Sein Kabinettskollege Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hält ebenfalls nichts vom Vorschlag Köhlers, höhere Benzinpreise für mehr Umweltbewusstseins in Erwägung zu ziehen. „Die Benzinpreise sind schon sehr hoch. Mobilität für Arbeitnehmer gerade im ländlichen Raum muss noch bezahlbar bleiben“, sagte Brüderle am Montag in Berlin.

Nicht zuletzt deshalb stimmt wohl auch der SPD-Verkehrsexperte Hans-Joachim Hacker der Kritik an Köhlers Aussage zu. „Das ist keine gute Botschaft“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der Benzinpreis sollte nicht staatlicherseits noch weiter nach oben getrieben werden. Dies belaste insbesondere die Logistikunternehmen belasten und das sei kontraproduktiv.

Der Preis sei immer noch das stärkste Signal, damit Menschen ihr Verhalten ändern, argumentiert dagegen Köhler. Zustimmung dafür bekommt er von den Grünen und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Verkehrsexperte Werner Reh vom BUND warf Verkehrsminister Ramsauer vor, sich falsch zu positionieren: „Es wäre hilfreicher, wenn Peter Ramsauer die Hersteller zur Produktion leichterer und sparsamerer Fahrzeuge auffordern würde. Unterlässt er dies, dann trägt er Verantwortung dafür, wenn die nächste Ölkrise der deutschen Wirtschaft schweren Schaden zufügt.“

In die gleiche Richtung argumentierten auch die Grünen. Fraktionschef Jürgen Trittin schrieb in der Frankfurter Rundschau: „Grünes Wachstum hat nichts mit der Festsetzung von Benzinpreisen zu tun. Die richtige Schlussfolgerung lautet vielmehr: Wir müssen weg vom Öl, weg von Benzin und Diesel. Denn gegen das Preisdiktat der Mineralölkonzerne hilft nur, sich von ihnen unabhängig zu machen.“

Die Umweltschutz-Ratgeber von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellten sich ausdrücklich gegen die Regierungs-Kritik an Köhler. Die Besteuerung des Ressourcenverbrauchs müsse insgesamt auf den Tisch. „Sie muss zum Kern einer nachhaltigen Finanz- und Steuerreform werden. Ressourcenverbrauch und der Ausstoß von Treibhausgasen müssen belastet, der Faktor Arbeit muss entlastet werden“, sagte Volker Hauff (SPD). Der heutige Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung war von 1978 bis 1980 Bundesforschungsminister.

Zumindest mit den Mitgliedern des Bundeskabinetts kann sich Horst Köhler schon am Abend des 23. Februar wieder versöhnen. Gelegenheit zur Aussprache gibt es dann bei einem gemeinsamen Abendessen im Schloss Bellevue. (mit Material der dpa) (mfz)