Google-Justiziar beklagt "anmaßende" deutsche Gerichtsurteile

Der Suchmaschinen-Konzern hat eine zunehmende Tendenz zum Eingriff in internationale Produkte durch deutsche Richter festgestellt. In einem Verfahren ist ihm etwa aufgegeben worden, beanstandete Inhalte auch von der .com-Domain zu löschen.

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Google hat eine zunehmende Tendenz zum Eingriff in die internationale Produktgestaltung durch deutsche Richter festgestellt. Der Justiziar des Suchmaschinenkonzerns in Deutschland, Arnd Haller, beklagte auf einem Kongress des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco und der Zeitschrift MultiMedia und Recht am heutigen Mittwoch in Berlin eine gewisse "Anmaßung" hiesiger Gerichte zur weltweiten Internetregulierung durch ihre Rechtsprechung. Die Amerikaner würden die Deutschen inzwischen "für vollkommen bekloppt" halten.

Ein Stein des Anstoßes ist das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs zur Geltendmachung von Persönlichkeitsrechten deutscher Bürger auch gegen ausländische Webseiten. Laut dem Beschluss vom Anfang des Monats sind deutsche Gerichte durchaus aufgerufen, international in diesem Bereich zu intervenieren. Konkret ging es um eine in Deutschland wohnhafte Person, die in einem Artikel der New York Times mit der russischen Mafia in Verbindung gebracht wurde. Die Zeitung müsse den Beitrag nun wohl "weltweit rausnehmen", erklärte Haller. Es sei somit unverkennbar, dass hiesige Gerichte "weltweit Einfluss nehmen auf Publikationen".

Noch unverständlicher empfindet der Rechtsexperte ein noch nicht veröffentlichtes Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aus der vergangenen Woche. In einer Entscheidung über eine einstweilige Verfügung sei Google aufgegeben worden, eine Verlinkung auf eine deutsche Webseite mit strittigen Tatsachenbehauptungen nicht nur aus der deutschen Domain der Suchmaschine herauszunehmen, sondern auch aus dem internationalen Angebot unter der .com-Adresse. Laut Haller richtet sich letzteres primär nicht an deutsche, sondern an englischsprachige Nutzer und sei klar auf den US- Markt ausgerichtet. In dem Ordnungsmittelverfahren ohne mündliche Verhandlung hätten die Richter zugleich paradoxerweise befunden, dass die entsprechende Verlinkung nicht aus dem Google-Angebot unter der österreichischen und der schweizerischen Domain zu löschen sei.

Ein bereits älteres Urteil des Landgerichts Hamburgs hat laut Haller zudem die Haftung für nutzergenerierte Inhalte auf YouTube deutlich ausgeweitet. Die Kammer sei davon ausgegangen, dass bereits der reine Knopf zum Melden unangebrachter Angebote auf der Plattform als "Inkenntnis-Setzung" über möglicherweise rechtswidrige Inhalte gemäß Telemediengesetz (TMG) zu werten sei. Dieser "Flagging"-Mechanismus sei prinzipiell recht erfolgreich, da darüber auch beim Eintreffen der Hinweise "in Indien oder in den USA" etwa eindeutig illegale Inhalte wie Kinderpornographie rasch entfernt würden. Bei "diffizilen rechtlichen Fragen" wie Tatsachenbehauptungen oder kreativen Inhalten seien aber zusätzliche Informationen über den reinen Nutzerhinweis hinaus erforderlich.

Ein anderer Richterspruch des Oberlandesgerichts Hamburg vom 2. März hat Haller zufolge die Inkenntnis-Setzung zumindest "differenzierter" betrachtet. Eine schlichte Beanstandung reiche dafür nicht aus. Dafür habe er aber bestimmt, dass Google aufgrund zweier strittiger Behauptungen in einem Blogeintrag das gesamte Web-Journal entfernen musste. Auf der Wunschliste des Konzerns ganz oben stehe daher die vielfach geforderte TMG-Novellierung, die "Klarheit schaffen muss für Suchmaschinen und Links". Ansonsten litten am meisten die Nutzer selbst unter der gegenwärtigen Gesetzeslage, auf deren Seite nicht mehr verlinkt werden dürfe.

Laut Rolf Bender, Referent im Bundeswirtschaftsministerium für Medienrecht und neue Dienste, sieht für die schwarz-gelbe Koalition "Regelungsbedarf im TMG". Es gäbe dafür aber noch keine politischen Festlegungen, da es sich "um ein schwieriges Feld" handle. (jk)