iPad, WePad oder die Telekom? Die Verlage und das Plattform-Puzzle

Zeitungen und Zeitschriften suchen fieberhaft nach Vertriebswegen für ihre digitalen Inhalte: Die Partnerschaft mit Apple behagt nicht allen, doch echte Alternativen stehen noch nicht bereit.

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Bernd Buchholz, Vorstandschef von Gruner+Jahr, zeigte eine Betaversion des "Stern eMagazine" auf einem Tablet PC von Fujitsu. Die finale Version zielt auf schlanke Tablets wie das WePad oder das iPad.

(Bild: Klaus Knuffmann)

Gruner+Jahr hat am Donnerstag auf seiner Bilanzpressekonferenz eine Tablet-Version des Stern gezeigt, mit intuitiver Touch-Bedienung, Videos und Schnittstelle zu Twitter und Wikipedia. Starten soll der elektronische Stern in den nächsten Monaten auf dem WePad, gefolgt von anderen Titeln des Hauses wie Geo oder Gala.

Das bedeutet: Wenn Apple Ende April das iPad auf den deutschen Markt bringt, liefert Europas größtes Magazinhaus seine Inhalte wohl nicht von Anfang an zu. Bernd Buchholz, der Chef von Gruner+Jahr, ließ sogar offen, ob der Stern überhaupt auf das iPad kommt.

Ein Sprecher von Gruner+Jahr erklärte auf Nachfrage von heise online: "Uns geht es darum, unsere Inhalte geräteunabhängig zu präsentieren – ganz gleich, ob auf dem iPad, WePad oder anderen Geräten mit Touchscreen."

Dieses Ziel verfolgen wohl die meisten Verlage. Allerdings wäre es ziemlich teuer, für jede digitale Plattform eine eigene Ausgabe zu entwickeln. Die Verlage brauchen eine Meta-Plattform, die den Entwicklungsaufwand gering hält und trotzdem die wichtigsten Kanäle abdeckt – und stehen damit vor einem Puzzle, das sich nur schwer zusammensetzen lässt.

Demo von Sports Illustrated auf einem Tablet: Die Verlage suchen eine Möglichkeit, möglichst viele Plattformen mit möglichst geringem Entwicklungsaufwand zu bedienen.

(Bild: YouTube)

Knapp zusammengefasst sieht dieses Puzzle momentan so aus: Die Nutzer von Amazons Kindle können bereits Zeitungen und Zeitschriften abonnieren, das Gerät hat aber kein Farbdisplay. Das iPad eignet sich gut für Zeitschriften, doch die Verlage begeben sich in eine Abhängigkeit von Apple, die nicht allen behagt.

Alternativen sind erst für die zweite Jahreshälfte angekündigt: Die Telekom plant einen Kiosk, der für alle Endgeräte zugänglich sein soll. Bertelsmann, der Mutterkonzern von Gruner+Jahr, bastelt an einer vergleichbaren Lösung. Die technische Basis dafür könnten die WePad-Macher von neofonie liefern: Sie versprechen den Verlagen ein Produktionspaket für alle Kanäle, von Smartphones über Tablets bis zu PCs.

Apple: Vom Heilsbringer zum notwendigen Übel

Betrachtet man die einzelnen Plattformen näher, zeigt sich, dass es noch Jahre dauern dürfte, bis die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage eine profitable Digital-Strategie fahren können.

Apple zum Beispiel begnügt sich nicht damit, eine technische Plattform zu betreiben, sondern prüft die Apps auch nach inhaltlichen Kriterien und schiebt sich damit als Torwächter zwischen die Verlage und ihre Leser – als ziemlich unberechenbarer Torwächter, wie Gruner+Jahr erfahren musste, als stern.de aus dem App-Store flog.

Bewertung der Bild-Anwendung im App Store: Apples Funktion als Torwächter missfällt den deutschen Verlagen.

Der Vorfall dürfte die Vorfreude der Verlagsmanager auf das iPad stark gedämpft haben. Die Bild sah sich offenbar gezwungen, freizügige Fotos in ihrer App zu entschärfen. Spiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron stellte gegenüber der New York Times klar, dass er die Inhalte seiner App nicht verändern werde: "Wir können europäische Magazine nicht an die Standards von Utah anpassen."

Auch die Verleger, deren Titel keine erotischen Fotos zeigen, wurden aufgeschreckt. "Apples Verhalten hat den Verlagen auf brutale Weise verdeutlicht, dass sie die Juniorpartner in dieser Beziehung sind", urteilte Peter Klotzki, Sprecher des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Schließlich hatte Apple die Stern-App ohne Vorwarnung gelöscht.

Doch auch wenn Apple nicht mehr als Heilsbringer gilt: Der App Store ist eine einfache, fertige Infrastruktur für die Verlage. Die Nutzer zahlen mit nur zwei Klicks, ihre Kreditkartendaten müssen sie schon bei der Anmeldung hinterlegen.

Ähnlich einfach funktioniert das Abonnieren digitaler Zeitungen und Zeitschriften bei Amazon. Das Problem ist nur: Es gibt noch keinen Kindle mit Farbdisplay. Die Kindle-App läuft zwar auch auf anderen Geräten, vielleicht auch auf dem iPad. Es ist aber noch unklar, ob man mit der App außer Büchern auch Zeitschriften kaufen kann. Die aktuelle iPhone-Version zeigt nur Bücher an.

Die Telekom verspricht eine hohe Reichweite und ein einfaches Bezahlsystem

Auf der CeBIT kündigten Spiegel-Chef Müller von Blumencron und Springer-Chef Mathias Döpfner an, kostenpflichtige Inhalte künftig über einen Telekom-Kiosk zu vertreiben. Der Kiosk soll laut Financial Times Deutschland "bis Jahresende" online gehen und "alle Inhalte für jedes Endgerät" bereitstellen.

Mit knapp 40 Millionen Mobilfunkkunden, 11 Millionen DSL-Kunden und dem Portal t-online.de bietet die Telekom den Verlagen aus dem Stand eine gewaltige Reichweite. Das Telekom-Bezahlsystem erscheint simpel, denn Kunden des Konzerns könnten über ihre Telefonrechnung bezahlen, andere Nutzer über Click&Buy – den Bezahldienst hat die Telekom erst vor Kurzem übernommen.

Einen weiteren Vorteil betonte Müller von Blumencron auf der CeBIT-Pressekonferenz: "Die Telekom macht uns keine Vorgaben zur Bebilderung unsere Inhalte". Vielleicht ist es kein Zufall, dass mit dem Spiegel und Axel Springer zwei Verlage bei der Telekom unterschrieben haben, die auf dem iPhone bereits Apple-Erfahrung gesammelt haben.

Bertelsmann sucht für seine Verlags-Plattform noch Mitstreiter

Weniger gut dürfte den Verlagen indes gefallen, dass sie die Endkundenbeziehung wohl an die Telekom abgeben müssten. Bei der für die zweite Jahreshälfte angekündigten Bertelsmann-Plattform sollen die Verlage den direkten Zugriff zum Kunden behalten dürfen.

Die technische Basis könnten die WePad-Macher von neofonie liefern. Mit dem "WeMagazine ePublishing Eco System" versprechen sie ein Produktionspaket für alle Kanäle: Desktop-Rechner, Smartphones, Tablets, sogar für das iPad. Das WePad selbst spielt dabei nicht die entscheidende Rolle, außerdem bieten noch weitere Unternehmen den Verlagen ähnliche Produktionsdienstleistungen an.

Allerdings wurde auf der Gruner+Jahr-Pressekonferenz auch klar, dass Bertelsmann für seine Plattform bisher noch keine anderen Verlage als Partner gewinnen konnte, die Gespräche laufen noch. (cwo)