Neues Kabelmonopol will Umstieg auf Digital-TV vorantreiben

Mehr als jeder zweite TV-Zuschauer in Deutschland empfängt das Fernsehprogramm über das Kabel. Und wie zu den alten Monopol-Zeiten der Deutschen Telekom befindet sich das Kabelnetz wieder in einer Hand.

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Von
  • Christoph Dernbach
  • dpa

Mehr als jeder zweite TV-Zuschauer in Deutschland empfängt das Fernsehprogramm über das Kabel. Und wie zu den alten Monopol-Zeiten der Deutschen Telekom befindet sich das Kabelnetz wieder in einer Hand. Die Übernahme der privaten Kabel-TV-Anbieter aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg durch die Kabel Deutschland GmbH (KDG) erscheint manchen Beobachtern deshalb als Schritt "zurück in die Zukunft". Doch im Gegensatz zur Telekom, die jahrelang keinen Pfennig mehr in den Ausbau der Netze steckte, will die KDG wieder investieren und den Umstieg zum digitalen Fernsehen in Deutschland vorantreiben.

Fast zeitgleich zum Kauf der Kabelgesellschaften ish, iesy und Kabel Baden-Württemberg startete am 2. April Kabel Deutschland ein eigenes Digitalangebot. Christof Wahl, Vertriebs- und Technikchef von KDG, wählte im Vorfeld des Starts einen historischen Vergleich: "Seit der Umstellung von Schwarzweiß auf Farbe hat der Fernsehzuschauer keine echte Innovation mehr erlebt." Bis zu 120 TV-Programme sollen die knapp 18 Millionen Haushalte in Deutschland mit Kabelanschluss empfangen können, darunter auch Spartensender wie Fashion TV, Motors TV oder Planet. Diese Zahl liegt zwar deutlich unter den über 1000 Kanälen, die via Satellit in die Wohnzimmer transportiert werden können. Doch für die meisten Haushalte sind 120 Sender schon mehr als genug.

Mit den öffentlich-rechtlichen Sendern hat Kabel Deutschland inzwischen eine Vereinbarung getroffen, dass ARD, ZDF, die Dritten sowie die Digital-Ableger von 1MuXx bis zum ZDF Theaterkanal digital über die KDG-Netze transportiert werden. "Die Öffentlich-Rechtlichen wollten eigentlich verhindern, dass im Kabel-TV-Netz eine Box mit Grundverschlüsselung eingesetzt wird", sagt Kabel-TV-Experte Werner Lauff. "ARD und ZDF wollten nicht den Weg für das Bezahlfernsehen ebnen. Doch das haben sie nicht geschafft."

Kabel Deutschland vermarktet sein Digital-TV nun zusammen mit einem einfachen Digital-Empfänger des Herstellers Pace für rund 100 Euro, mit der auch das Pay-TV von Premiere empfangen werden kann. Geräte anderer Hersteller sollen folgen. Über solche Digital-Receiver erhält der Kunde von Kabel Deutschland eine elektronische Programmzeitschrift (EPG), mit der er sich direkt am Bildschirm über das Programmangebot informieren und beim "Zappen" den Durchblick behalten kann.

Auch bei dem Betriebssystem des Digital-Empfängers haben ARD und ZDF zurückgesteckt, denn die Öffentlich-Rechtlichen wollten eigentlich das digitale Fernsehen fest mit der von ihnen bevorzugten interaktiven Multimedia-Home-Plattform (MHP) verknüpfen. Die Pace-Box beherrscht aber kein interaktives TV nach dem MHP-Standard, sondern setzt auf das einfachere Micro-HTML, mit der Web-Seiten ähnlich wie im Internet übertragen werden können.

Die Zuschauer, die die aufwendigeren interaktiven Inhalte und Kommunikationswege von MHP nutzen wollen, müssen sich nun eine teuere Settop-Box anschaffen. "Der Endkunde soll selbst entscheiden, ob er eine einfache und günstige Box erwerben will, die den Empfang der Digital-TV-Angebote ermöglicht, oder ob er teurere Geräte kaufen möchte, die Zusatzfunktionen wie eine Festplattenspeicherung oder MHP-Kompatibilität bereitstellen", begründet der Geschäftsführer von Kabel Deutschland, Robert Steindorf, die Hardware-Politik seines Unternehmens.

Doch nicht nur ARD und ZDF hatten ihre Schwierigkeiten mit Kabel Deutschland. Unklar bleibt insbesondere, ob und wann die privaten TV-Sender wie SAT.1 oder RTL einer Einspeisung ihrer Programme in das Digital-Kabel zustimmen werden. Auch sie lehnen eine Grundverschlüsselung ab, mit der Kabel Deutschland eine einmalige Freischaltgebühr von 25 Euro durchsetzen möchte. Dabei haben RTL und Co. wenig Handlungsdruck, denn Kabel Deutschland will parallel zum Digital-Kabel weiterhin das analoge Kabelnetz anbieten, über das 32 TV-Stationen empfangen werden können. Außerdem entstehen nach Berlin in 2004 auch in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, München und anderen Ballungsräumen Regionen, in denen über das digitale Antennenfernsehen DVB-T 24 Programme ohne Kabel oder Satellit empfangen werden können. (Christoph Dernbach, dpa) / (jk)