Kritik am geplanten Copyright-Abkommen zwischen der EU und Kanada

Der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist hat einen neuen Entwurf für ein Handelsabkommen zwischen Brüssel und Ottawa veröffentlicht und kritisiert, dass Kanada damit seine "Souveränität" in Fragen geistigen Eigentums aufgebe.

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Der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist hat einen neuen Entwurf (PDF-Datei) für das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada zum besseren Schutz und zur Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern veröffentlicht. Das auf knapp 40 Seiten umrissene Vorhaben komme dem Experten zufolge einer kompletten Revision des kanadischen Rechts in den Bereichen Copyright, Patentrecht sowie dem Schutz von Markenzeichen, Datenbanken oder Herkunftsbezeichnungen gleich. Brüssel dringe angesichts der Breite der geforderten Änderungen faktisch darauf, dass Ottawa "die Souveränität über das eigene Recht zum geistigen Eigentum" aufgebe.

Schon beim Urheberrecht stünden dem Kanadier dem Papier nach zahlreiche Verschärfungen ins Haus. So müsste Ottawa die Verträge der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) von 1996 zum Werkschutz im Internet umsetzen. Sie enthalten unter anderem Vorschriften für die zusätzliche rechtliche Absicherung von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) und das damit einhergehende Verbot des Umgehens von Kopierschutztechniken. Darüber hinaus geht es um Ausweitungen des Schutzes audiovisueller Aufführungen und von Rundfunksendern, auf die sich die Mitgliedsstaaten der WIPO bislang nicht einigen konnten. Für Radio- oder Fernsehsendungen soll die Schutzdauer auf 50 Jahre, bei allgemeinen Urheberrechten auf 70 Jahre ausgedehnt werden. In Kanada gilt bislang im Gegensatz zur EU noch eine 50-jährige Frist, bis das Copyright ausläuft.

Im Abschnitt zur Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern und zur Haftung von Providern hat die EU-Seite laut Geist einfach ihr bestehendes Recht wörtlich übernommen. Dies gehe bis hin zu Fachbegriffen wie "Diensten der Informationsgesellschaft", die in Kanada bedeutungslos seien. Die gesamten EU-Bestimmungen etwa zu Grenzdurchsuchungen oder zur Festsetzung von Schadensersatzansprüchen sollten nun einfach in kanadisches Recht übertragen werden. Nach wie vor bestehe Brüssel ferner auf Strafvorschriften in diesem Bereich. Derlei Überlegungen sind aber auch auf EU-Ebene seit Langem heftig umstritten. Der entsprechende Teil ist daher in dem Entwurf noch nicht näher ausgeführt. Die einzige – ebenfalls bislang als Platzhalter angegebene – Forderung Kanadas an die EU ist ein ausdrückliches Verbot von Camcorder-Mitschnitten in Kinos.

Generell sorgt sich Geist, dass mit bilateralen oder internationalen Absprachen zum Schutz von Urheber- oder Patentrechen wie etwa auch dem geplanten Anti-Piraterie-Abkommen ACTA neue Strukturen geschaffen werden sollen, die Aufgaben bestehender Gremien wie der WIPO übernehmen sollen. Damit erhofften sich die federführenden Industriestaaten, die etablierten Entscheidungsverfahren bei UN-Institutionen unter Beteiligung einer Vielzahl von Interessensvertretern einschließlich der Zivilgesellschaft unterlaufen zu können. Diese hätten in jüngster Zeit vielfach zu einem Stillstand bei Verhandlungen über neue Verträge geführt. Konkret macht der Jurist seine Kritik fest an der vorgesehenen Einrichtung eines ACTA-Beirats und zugehörigen Sekretariats, die viele Aufgaben der WIPO übernehmen könnten.

Zwei andere Rechtsprofessoren, Jack Goldsmith und Lawrence Lessig von der Harvard Law School, warnen zugleich anhand des jüngst ins Internet entfleuchten vollständigen Entwurfs für ACTA vor verfassungsrechtlichen Problemen. So hätten die Verhandlungsführer aus den USA bislang immer betont, dass das nationale Recht durch das Übereinkommen gar nicht geändert werden müsste. Dass selbst das "Anstiften" zu Copyright-Verstößen strafbar werden solle, sei aber ein bislang US-Gesetzen fremder neuer Gedanke. Auch sonst könnten viele Teile zur zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte das bestehende Länder- oder Bundesrecht überlagern. Derlei umfassende Änderungen dürften aber nicht allein durch einen Bestätigungsakt des US-Präsidenten abgesegnet werden, wie es die Regierung beabsichtige. Vielmehr müssten sie zunächst dem Kongress vorgelegt und dort beraten werden. (jk)