Die Woche: Open Hardware

Freie Hardware bedeutet nicht kostenlose Geräte, sondern ist die Fortführung des Open-Source-Gedanken bei der Hardware-Entwicklung. Wolfgang Spraul, Ex-Openmoko-Mitarbeiter und Mitbegründer einer Open-Hardware-Firma, erläutert die Probleme freier Hardware-Entwicklung.

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Getreu der Open-Source-Definition "Free as in free speech, not as in free beer" macht sich die freie Entwickler-Gemeinde daran, den Open-Source-Gedanken auf die Hardware-Entwicklung zu übertragen. Doch freie Hardware-Projekte wie Openmoko und Open Pandora tun sich schwer, praxistaugliche und dennoch bezahlbare Geräte herzustellen. heise open sprach mit Wolfgang Spraul, Mitbegründer der Open-Hardware-Firma Sharism at Work und ehemaliger stellvertretender Entwicklungsleiter von Openmoko, über die Probleme bei der Entwicklung freier Hardware.

Was fasziniert Sie so am Thema Open Hardware?

Heute werfen wir Geräte, die eigentlich 20 oder 30 Jahre funktionieren könnten, schon nach ein paar Jahren weg. Hersteller bauen alle möglichen Überwachungsfunktionen ein, ohne umfassend darüber zu informieren, gleichzeitig entstehen Sicherheitslücken, die nicht behoben, sondern bestenfalls vertuscht werden. Sogar unsere Pässe werden jetzt mit Chips ausgestattet, deren genaues Verhalten wohl niemand so richtig durchdacht hat. Da liegt einiges im Argen. Es müsste doch Wege geben, diesen Missstand als Chance zu nutzen und wirtschaftlich erfolgreich Lösungen anzubieten.

Worin liegen die Probleme der Entwickler?

Wie schon in den Anfangsjahren von Linux Mitte der 90er Jahre und in den Anfangsjahren freier Inhalteanbieter wie Wikipedia um die Jahrtausendwende ist das Hauptproblem die mangelnde Akzeptanz der Neulinge durch die etablierten Hardware-Hersteller. Auf der technischen Seite betrifft das zum Beispiel die umfangreichen GSM- und 3G-Protokoll-Stacks sowie generell alle Hochzfrequenz-Funklösungen, die im Gigahertz-Bereich arbeiten. Die Hauptprobleme sind aber Marktzugang, Marketing und Finanzierung.

Sind Open Hardware und Open Source vergleichbar?

Nein ich denke nicht. Software ist ein Gut mit vielen speziellen Eigenschaften, ein Download und ein Fork können in Millisekunden und zu vernachlässigbaren Kosten stattfinden. Bei Hardware ist das anders. Die Gemeinsamkeiten liegen eher auf der grundsätzlichen Ebene, dem Verständnis, dass Informationen und Wissen frei und allen zugänglich sein müssen, bis hin zum letzten Transistor der integrierten Schaltkreise.

Vieles von dem, was wir heute als Hardware bezeichnen, ist eigentlich nur in Hardware gegossene Software. Und gemäß des Open-Source-Gedankens sollte solche Hardware aus freier Software und freiem Wissen hergestellt werden.

Warum sind Projekte wie Openmoko oder Open Pandora so schwierig voranzubringen?

Beide Projekte haben die Komplexität der Geräte, die sie herstellen wollten, unterschätzt, womit ich mich in meiner Funktion bei Openmoko natürlich einschließe.

Insbesondere der Produktionsprozess ist ein organisatorisches Meisterwerk, und wir als Software- und Open-Source-Anhänger sind es gewöhnt, ein "paar Änderungen" einzubringen. Also wollen wir diese und jene kleine Änderung auch bei der Hardware-Entwicklung einführen, aber nicht wahrhaben, dass auch eine noch so kleine Änderung in einem hochoptimierten Prozess zu großen Problemen führen kann. Am Ende sollen ja auch die Openmoko- oder Open-Pandora-Geräte zu marktfähigen Preisen angeboten werden – und dann ist die Überraschung groß, wieviel mehr Leistung die klassische Hardware-Industrie für so wenig Geld anbieten kann.

Und welche Probleme gibt es mit NDAs der Hardware-Hersteller?

NDAs (Non-Disclosure Agreements) sind, so wie die Hardware-Industrie im Moment funktioniert, ein absolut unverzichtbarer Baustein. Sie sind nervig, wurden über die Jahre ständig restriktiver und gelten immer öfter für einen unbegrenzten Zeitraum -- und müssen, wenn man sie unterschrieben hat, auch beachtet werden.

Eine Lösung für Hersteller freier Hardware besteht darin, die fehlenden Informationen durch eigene Arbeit, sogenanntes Reverse Engineering, NDA-frei zu ermitteln und frei zu publizieren. Reverse Engineering ist in der Hardware-Industrie weit verbreitet, wahrscheinlich als natürliche Gegenreaktion auf die allgegenwärtige Geheimniskrämerei.

Zum Beispiel suchte Elphel, ein Hersteller von GPL-lizensierten Kameras, die Google zum Scannen von Büchern und für Street View einsetzt, neulich nach neuen Linsen. Genaue Spezifikationen, die über den buntes Marketing-Prospekt hinaus gehen, gab es nur gegen NDA. Also arbeitete Elphel an einem eigenen Testaufbau, um die Qualität der Linsen selbst ermitteln und dann publizieren zu können.

Das ist die Art von Grundlagenarbeit, die derzeit an vielen Stellen stattfindet, egal ob es GPL-lizensierte Kameras, GSM Stacks oder CPUs sind. Ich denke es wird noch eine Weile dauern, aber schließlich sollten die verschiedenen Entwicklungen doch zu einem großen Ganzen zusammenfinden. Bei Linux hat es geklappt, bei Wikipedia ebenfalls – warum sollten wir also nicht in der Lage sein, auch ein technisches Spitzenprodukt wie ein iPhone oder iPad ausschließlich aus frei verfügbarem Wissen herzustellen, und erfolgreich zu vermarkten? Genau daran arbeiten wir. (mid)

Mehr Infos

Wolfgang Spraul arbeitete von 1995 bis 2007 für die amerikanische Software-Schmiede DataViz. Von 2007 bis 2009 war er Vice President Engineering bei Openmoko. Seit 2009 arbeitet Wolfgang Spraul als Mitbegründer beim Hong Konger Startup-Unternehmen Sharism at Work, das sich der Produktion freier Hardware verschrieben und zuletzt den Ben NanoNote Taschencomputer auf den Markt gebracht hat.

(mid)