Innenminister hinterfragt Koalitionslinie gegen Websperren

Der CDU-Politiker Thomas de Maizière hält den vor allem von der FDP hochgehaltenen Kurs des "Löschens statt Sperren" im Kampf gegen Kinderpornographie im Netz nicht für das Gelbe vom Ei und plädiert für "Löschen und Sperren".

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat sich unzufrieden über den mit dem liberalen Koalitionspartner ausgehandelten Kompromiss zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Netz gezeigt. Deutschland habe sich "leider" eine Diskussion eingehandelt, in der ein "Entweder-Oder" zwischen der Frage "Löschen statt Sperren" oder "Sperren statt Löschen" im Vordergrund stehe, sagte der CDU-Politiker in einem Video-Chat der Tagesschau (ab Minute 25). Für de Maizière schließen sich die beiden Varianten aber nicht aus, er legte eine Kombination der Ansätze auch mit Hilfe der umstrittenen Blockaden einschlägiger Webseiten nahe. Kritiker befürchten seit Langem, dass damit eine unkontrollierbare Zensurinfrastruktur aufgebaut werden könnte.

Schwarz-Gelb hatte sich in der Koalitionsvereinbarung auf das Prinzip "Löschen statt Sperren" verständigt. CDU/CSU und die FDP verabredeten, die im Zugangserschwerungsgesetz vorgesehenen Blockaden zunächst ein Jahr lang nicht anzuwenden. Im Februar einigten sich de Maizière und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf eine zusätzliche Gesetzesinitiative zur Löschung kinderpornographischer Inhalte im Internet. Damit solle etwa die Kooperation zwischen Providern und Strafverfolgern sowie zwischen einzelnen Ermittlungsbehörden in verschiedenen Ländern verbessert werden, erläuterte jüngst der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin.

Über ein spezielles Löschgesetz verlor der Innenminister nun aber kein Wort. Vielmehr betonte er, im Zugangserschwerungsgesetz sei "auch der Grundsatz 'Löschen statt Sperren' verankert". Das Bundeskriminalamt bemühe sich nach Kräften, einschlägige Seiten zu löschen. Mit diesem Ansatz würden nun Erfahrungen gesammelt. Offenbar unter dem Eindruck der aufkommenden Debatte über einen Vorstoß der EU-Kommission zu Websperren wollte de Maizière aber zugleich "sanft" darauf hinweisen, "dass ganz viele Staaten der Europäischen Union, auch Staaten mit großer demokratischer Tradition wie die skandinavischen Staaten, mit dem Sperren vorangehen und gute Erfahrungen machen".

"Das Löschen ist auch nur ein temporäres Verbannen von der Seite, weil diese – ich sag es mal ganz umgangssprachlich – Schweinehunde, die mit dem Material umgehen, das selbst vorher verkaufen, selbst vorher andere Angebote zur Verfügung stellen", sagte de Maizière. Auch ohne polizeiliches Einschreiten werde ungefähr jede Woche die Domain gewechselt, sodass kriminalpolitisch das Löschen und das Sperren eigentlich nur eine verzögernde Wirkung hätten.

Der CDU-Politiker zeigte sich optimistisch, es gebe einen Weg, "Kinderpornographie zu bekämpfen, ohne die Freiheit des Internets aufzugeben". Er strebe eine "neue Netzpolitik" an. Bisher seien bei einzelnen Themen wie auch der Vorratsdatenspeicherung oder dem Urheberrechtsschutz immer "Einzeleingriffe in das Internet" vorgenommen worden. Dies habe das "Vertrauen zwischen Internetnutzern und Staat eher gestört als gestützt". Er habe daher Gespräche mit der Netzgemeinde aufgenommen. Im Anschluss wolle er einen Vorschlag machen, wie die grundsätzliche Rolle des Staates im Internet aussehen könne.

Das Netz hat für den Minister generell eine "große freiheitsstiftende", "gemeinschaftsstiftende" und "aufklärerische" Wirkung. Auch die Strafverfolgung im Netz müsse aber möglich sein. De Maizière setzte sich erneut für eine rasche Neuauflage der vom Bundesverfassungsgericht zunächst gestoppten Vorratsdatenspeicherung ein. Eine Stellungnahme des Innenministeriums auf eine Anfrage von heise online zur Abwendung von dem zunächst geplanten Löschgesetz und einem Kurswechsel bei Websperren steht derweil noch aus. (anw)