Napoleons später Sieg

Vor 200 Jahren wurde die Konservendose erfunden. Ihre Geburtshelfer waren das Militär und ein theologischer Disput.

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Vor 200 Jahren wurde die Konservendose erfunden. Ihre Geburtshelfer waren das Militär und ein theologischer Disput.

Ende 1795 war der 26-jährige Napoleon Bonaparte zwar Oberbefehlshaber der französischen Armee, aber noch weit entfernt von der Kaiserwürde. Doch schon damals entwickelte er Pläne, die später die Welt verändern sollten: Um die Versorgung seiner Soldaten zu verbessern, lobte er einen Preis von 12000 Goldfranc aus für die "Kunst, alle animalischen und vegetabilischen Substanzen in voller Frische zu erhalten".

Zu diesem Zeitpunkt stand der Franzose Nicolas Appert in den Vierzigern und konnte bereits auf eine veritable Karriere als Koch und Konditor zurückblicken. Doch sein eigentliches Interesse galt der Frage, wie sich Lebensmittel länger haltbar machen lassen. Den entscheidenden Hinweis darauf erhielt Appert durch einen theologischen Disput: Der englische Priester John Turberville Needham sah in der Tatsache, dass Mikroorganismen scheinbar aus dem Nichts in Nahrungsmitteln auftauchen, einen Beleg dafür, dass sich das Leben nicht ausschließlich durch naturwissenschaftliche Gesetze erklären lasse. Lazzaro Spallanzani, italienischer Geistlicher und Universalgelehrter, widerlegte 1768 diese Theorie der "Urzeugung", indem er Brühe gründlich abkochte und luftdicht verschloss. Auch nach mehreren Tagen hatten sich keine neuen Mikroorganismen gebildet.

Appert setzte Spallanzanis Entdeckung in die Praxis um. Dazu erhitzte er Lebensmittel auf hundert Grad und füllte sie in luftdichte Glasflaschen ab. Die französische Marine nahm diese Konserven mit an Bord. Bei Stürmen gingen zwar einige der Flaschen zu Bruch, aber ansonsten blieb ihr Inhalt tatsächlich frisch. Appert war ein gemachter Mann: 1810 erhielt er die 12000 Goldfranc sowie den Ehrentitel "Wohltäter der Menschheit" und wurde Napoleons Leibkoch. General Napoleon sorgte zudem dafür, dass die für das Militär entwickelte Konservierung nicht der militärischen Geheimhaltung anheimfiel: Er verpflichtete Appert dazu, sein Verfahren zu veröffentlichen.

Peter Durand, ein Franzose, der nach der Revolution nach England ausgewandert war, kam auf die Idee, die fragilen Flaschen Apperts durch Blechkanister zu ersetzen. Die Vorteile lagen auf der Hand: Das Material war dünnwandiger und daher leichter und dabei noch bruchsicherer. Im April 1810 erhielt er ein Patent darauf – die Konservendose war geboren.

Ein früher Nutzer der neuen Technik war der Polarforscher Sir John Franklin. Als er 1845 mit zwei Schiffen und insgesamt 134 Mann Besatzung in See stach, um die Nordwestpassage zu entdecken, hatte er tonnenweise Konservendosen gebunkert. Kein Teilnehmer überlebte die Expedition. Die Konserven sind gleich doppelt tatverdächtig: Die damals noch mit Blei verlöteten Dosen, mutmaßen Historiker, haben zu einer schleichenden Bleivergiftung geführt, undichte Behälter könnten zudem Lebensmittelvergiftungen verursacht haben.

Den Triumph der Konservendose konnte das nicht aufhalten. 1851, zehn Jahre nach Apperts Tod, wurden auf der Weltausstellung in Paris Konserven geöffnet, die 38 Jahre alt waren – deren Inhalt erwies sich immer noch als genießbar. "Der Erfolg dieser Erfindung war so durchschlagend, dass der europäische Adel sich ganze Menüs nur aus Konserven zusammenstellen ließ", schreibt dazu das Lebensmittel-Lexikon.

Doch trotz der beispiellosen Erfolgsgeschichte der Konservendose hält das chemische Zusammenspiel zwischen Inhalt und Behälter auch heute noch Überraschungen bereit. Um den direkten Kontakt zwischen Lebensmittel und Metall zu unterbinden, sind Konservendosen mittlerweile zwar von innen mit Kunststoff beschichtet. Doch aus diesem kann Bisphenol A, das eine ähnliche Wirkung hat wie das weibliche Sexualhormon Östrogen, ins Essen gelangen. Zwischen Behörden, Industrie und Umweltverbänden herrscht derzeit ein heftiger Streit darüber, wie gravierend sich diese Bisphenol-Belastung auf Menschen auswirkt. (grh)