Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs: EU-Parlament berät über Strafen
Im Innenausschuss des EU-Parlaments deutet sich an, wie mit den Vorschlägen zur Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs weiter verfahren werden könnte.
Formell ging es am heutigen Mittwoch im Innenausschuss des neu gewählten Europaparlaments (LIBE) nicht um die vieldiskutierte "Chatkontrolle", sondern um Anpassungen und Harmonisierungen unter anderem im Strafrecht, für das die Mitgliedstaaten verantwortlich sind. Diese wurden von der EU-Kommission parallel zur geplanten Verordnung zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs (Child-Sexual-Abuse-Verordnungm CSA-VO) auf den Weg gebracht.
"Diese beiden Instrumente ergänzen sich und sind aufeinander angewiesen", erklärte die scheidende EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, und betonte die Bedeutung des Vorhabens: Europa sei der Hauptspeicherort für Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs.
Vorschriften für Besitzstrafbarkeit sollen harmonisiert werden
Vor allem die Verjährungsfristen sollen deutlich angehoben werden: 20 Jahre bei Straftaten, die mit mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe versehen sein sollen, 25 Jahre bei fünf Jahren Mindeststrafmaß, 30 Jahre ab Volljährigkeit der Betroffenen bei Straftaten mit Mindestfreiheitsstrafe von acht Jahren. Damit soll Langzeittraumata der Opfer Rechnung getragen werden. Derzeit gibt es in vielen Mitgliedstaaten keine speziellen Regelungen, in anderen entspricht die Regelung schon weitgehend dem jetzigen Vorschlag.
Die Mindeststrafen werden in der Regel nur durch aktive Täterschaft erreicht, Besitzstraftaten liegen auch heute in aller Regel deutlich darunter. Den Mitgliedstaaten ausdrücklich freigestellt bleiben soll, wie sie etwa mit Bildern strafrechtlich umgehen wollen, die Minderjährige einander gegenseitig freiwillig verfügbar machen. Eine wesentliche und wenig umstrittene Regelung betrifft die Opfer von sexuellem Missbrauch: Diese sollen von den Mitgliedstaaten künftig besser unterstützt, betreut und von den Opfern finanziell entschädigt werden müssen.
In dieser heute auf der Tagesordnung stehenden Komplementär-Regelung ging es auch nicht um die Anbieter von Internetdiensten, sagte die EU-Innenkommissarin. Allerdings enthält der Vorschlag der EU-Kommission unter anderem einen neuen Artikel 8, mit dem "das vorsätzliche Betreiben oder Verwalten eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der dafür konzipiert ist", Straftaten im Bereich der Erstellung, Verbreitung oder Anbahnung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu begehen, mit mindestens einem Jahr Strafmaß europaweit zu harmonisieren.
Rat berät sich weiter
Bei diesem Vorschlag rechnet Johansson damit, dass die Mitgliedstaaten, die sich bislang nicht auf eine gemeinsame Position zur CSA-Verordnung einigen konnten, sich recht schnell einigen; anders als bei der CSAM-Verordnung, die unter dem Stichwort "Chatkontrolle" bekannt wurden. Dazu sagte Johansson am Mittwochnachmittag im LIBE-Ausschuss: "Ich habe keinen Vorschlag für Massenüberwachung vorgelegt". Damit verteidigte sie nach Vorwürfen aus Reihen der nationalistischen Schwedendemokraten – die sich ansonsten für nationale Regelungen zur Zwangskastration von Tätern aussprachen.
Für Johansson ist wichtig, von anderen Staaten zu lernen, etwa Kanada, Australien und den USA – und ihrem Umgang mit entsprechenden Problemen. "Wir wissen nicht, was wirkt", da wolle sie ehrlich sein. Es sei aber zwingend, "etwas dagegen zu tun".
Derweil wurde am Mittwochmorgen im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Coreper) über einen Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft verhandelt, bei dem der Zwang zu einer automatisierten Durchsuchung in Messengerdiensten nach Inhalten auf bereits erfasste Hashwerte von Darstellungen sexuellen Missbrauchs beschränkt werden sollten. Doch auch dieser neue Vorschlag, mit dem die Ungarn Bedenken einer Sperrminderheit im Rat ausräumen wollten, scheint bislang nicht für alle EU-Mitgliedstaaten akzeptabel. Einigt sich der Rat, könnte bald der Trilog folgen, in dem Parlament und Rat mit der Kommission mögliche Kompromisse ausloten - das Parlament hatte bereits deutlich Position bezogen, allerdings haben sich seit der Europawahl die Mehrheiten verändert.
(anw)