Völlig losgelöst: Google verweigert Gewährleistung bei Smartphone

Löst sich ein angeklebtes Teil nach wenigen Wochen ohne Gewalteinwirkung ab, ist das ein deutlicher Hinweis auf einen Sachmangel. Google sieht das anders.

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Man hält defektes Smartphone
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Tim Gerber
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Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 8.8.2024 in c't 18/2024 erschienen ist.

Am 7. Januar bestellte Torsten R. im Webshop von Google für seinen Sohn ein Smartphone vom Typ Pixel 7a für knapp 400 Euro. Wenige Tage später wurde es geliefert und fand großen Anklang, zumal das vorherige Smartphone des Jungen bereits über fünf Jahre alt war. Einige Monate war er mit dem neuen Pixel-Smartphone auch sehr zufrieden. Doch dann ließ sich das Gerät plötzlich nicht mehr aufladen und in der Folge schließlich auch nicht mehr einschalten.

Als Torsten R. das Smartphone aus der Schutzhülle nahm, in der es sein Sohn stets sorgfältig aufbewahrt hatte, zeigte sich, dass sich die Verklebung der Abdeckung der rückseitigen Kamera vom Gehäuse des Smartphones gelöst hatte. Die Abdeckung war offenbar nicht richtig verklebt gewesen. Es fanden sich an ihr auch keine Reste des Klebers. Einen Zusammenhang mit dem Ausfall der Ladeelektronik vermochte R. nicht zu erkennen.

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Anfang Juli wandte sich Torsten R. zunächst per Chat an den Google-Support, um den Mangel an dem Smartphone zu reklamieren. Allerdings war es darüber nicht möglich, eine Reklamation vorzunehmen und Fotos von der abgelösten Abdeckung zu übermitteln. Erst nach einigen Versuchen mit den Bots gab es die Option, einen Rückruf anzufragen. Der kam zwar nicht, dafür erhielt der Google-Kunde am 3. Juli eine E-Mail, auf die er antworten konnte. Nachdem er den Vorgang geschildert und ein Foto übermittelt hatte, sandte Google ihm am 4. Juli ein Versandetikett und noch am selben Tag ging das Pixel-Smartphone auf die Reise in die Werkstatt.

Am 9. Juli teilte Google per E-Mail mit, dass Flüssigkeit in das Smartphone eingetreten sei. Eine kostenlose Reparatur bot man ihm nicht an. Vielmehr sollte der Kunde nun wählen, ob er für 365 Euro ein gebrauchtes Ersatzgerät erhalten oder sich sein Smartphone kostenlos zurücksenden lassen wolle.

Das leuchtete Torsten R. nicht ein. Das Smartphone sollte laut Herstellerangaben die Schutzklasse IP67 aufweisen. Nach der Definition der entsprechenden Normen bedeutet dies, dass das Smartphone sogar für kurze Zeit vollständig in Wasser getaucht werden kann, ohne Schaden zu nehmen. Sollte der angegebene hohe Schutz vor Staub und Wasser von der Verklebung der Kameraabdeckung abhängen, so beruhte der Schaden nach Ansicht des Kunden doch auf einer mangelhaften Verklebung.

Die abgelöste Abdeckung soll für einen Wasserschaden verantwortlich sein, der von der Garantie nicht umfasst sei, meinte Google. Bei einem Gerät, das eigentlich völlig wasserdicht nach Schutzklasse IP67 sein soll, muss sie aber auch entsprechend verklebt werden. Andernfalls handelt es sich um einen Sachmangel, den der Käufer zu Recht rügt.

(Bild: Torsten R.)

Deshalb widersprach Torsten R. umgehend der Ablehnung seines Gewährleistungsanspruches durch Google. Er wies auf die Schutzklasse hin und stellte klar, dass das Gerät mit keiner Flüssigkeit in Berührung gekommen und schon gar nicht in Wasser getaucht worden sei.

Darauf antwortete der Google-Support dem Kunden: „Obwohl das Pixel 7a laut Wikipedia die Staub- und Wasserbeständigkeitsklasse IP67 aufweist, ist es wichtig zu verstehen, dass diese Klasse unter kontrollierten Laborbedingungen gilt. In realen Szenarien können verschiedene Faktoren wie Belichtungszeit, Wasserdruck und das erwähnte Problem mit der Kameraabdeckung die Wasserbeständigkeit des Telefons beeinträchtigen.“

Der Beschreibung des Kunden zufolge scheine „die lose Kameraabdeckung die Wasserbeständigkeit des Telefons beeinträchtigt zu haben, sodass möglicherweise Feuchtigkeit in das Gerät eindringen konnte“. Ob dies der Fall sei, lasse sich daran sehen, ob das Gerät weitere Schäden aufweise, was bekanntlich der Fall war, da es sich nicht mehr einschalten ließ. Weiter fragte der Support, ob der Kunde ein Video anfertigen könne, durch das die Funktion der rückwärtigen Kamera ersichtlich würde. Das konnte der Kunde freilich nicht, da sich das Smartphone zum einen bereits in der Werkstatt befand und zudem ja vollständig ausgefallen war, bevor er überhaupt hatte bemerken können, dass sich die Verklebung der Kameraabdeckung gelöst hatte.

Google fragte nach einer Einwilligung, auf die auf dem Smartphone gespeicherten Daten zugreifen zu dürfen, um die Sache zu prüfen. Ob das bei dem vorliegenden Defekt Aussicht auf Erfolg haben könnte, scheint zweifelhaft.

Dessen ungeachtet antwortete Torsten R. am 10. Juli, dass Google ja alles selbst ausprobieren könne, da das Gerät ja bereits in der Werkstatt liege, und er dem Datenzugriff zustimme. Am 12. Juli teilte Google mit, dass die Reparatur eines Wasserschadens nicht unter die Garantie falle. Umgehend antwortete Torsten R., dass ein Gerät keinen Wasserschaden in so kurzer Zeit nach dem Kauf erleiden könne, wenn es nach IP67 spezifiziert ist. Das könne nur durch eine mangelnde Verarbeitung entstehen. Das Gerät sei – wegen der mangelhaften Verklebung – schon zur Auslieferung defekt gewesen, folglich sei die abgelöste Kameraabdeckung, einschließlich möglicher Folgeschäden, eben ein Gewährleistungsfall.

Service im Visier

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.

„Wir nehmen Ihre Bedenken hinsichtlich eines möglichen Herstellungsfehlers und der Rolle, die die lose Kameraabdeckung dabei gespielt haben könnte, zur Kenntnis“, teilte Google dem verdutzten Kunden noch am selben Tag mit. „IP-Schutzarten sollen einen gewissen Schutz gegen das Eindringen von Staub und Wasser bieten“, hieß es in der Nachricht weiter. „Es ist jedoch wichtig, die spezifischen Bedingungen zu verstehen, unter denen dieser Schutz gilt.“ Die Reparatur von Wasserschäden sei nicht von der Standardgarantie des Geräts abgedeckt.

Darauf wandte sich Torsten R. an c’t. Auch wir fanden die Schilderungen des Lesers nachvollziehbar und die Reaktion Googles merkwürdig. Da der Tech-Konzern hier nicht Hersteller, sondern Verkäufer war, kam es auf seine Garantiebedingungen nicht an, sondern es gelten die dem Kunden gesetzlich zustehenden Gewährleistungsrechte. Hier sprach alles dafür, dass sich die Abdeckung unter der Schutzhülle gelöst hatte und dann möglicherweise zu einem Schaden durch eintretende Feuchtigkeit wie Kondenswasser geführt haben könnte. Die Schäden an Gehäuse und Elektronik können aber auch völlig unabhängig voneinander sein.

Wir fragten deshalb am 17. Juli bei Google nach, warum man eine Reparatur ablehne. Es sehe doch so aus, als ob es sich um einen Verarbeitungsfehler bei der Verklebung der Kameraabdeckung handele. Deshalb wollten wir wissen, ob Google hier Hinweise auf gewaltsames Ablösen oder sonst unsachgemäße Behandlung hätte. Andernfalls müsse es sich um einen Produktionsfehler handeln und Google entweder nachbessern oder Ersatz liefern. Denn innerhalb des ersten Jahres nach dem Kauf müsste sonst Google darlegen, dass es kein Sachmangel war.

Schon nach ein paar Stunden antworte uns ein Pressesprecher von Google, er habe mit dem Pixel-Support-Team gesprochen und der Kunde würde ein neues Gerät erhalten. Gleichzeitig nahm Google mit Torsten R. Kontakt auf und am 19. Juli kam tatsächlich ein nagelneues Pixel 7a beim ihm an, über das sich sein Sohn sehr gefreut hat. Warum das nicht gleich so ging, werden wir mangels einer Erklärung von Google wohl nicht erfahren.

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