Der perfekte Biokraftstoff

Joule Biotechnologies will als erstes Start-up mit Hilfe von Mikroben CO2 in Diesel oder Ethanol verwandeln. Im Labor ist das bereits gelungen.

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  • Kevin Bullis

Joule Biotechnologies will als erstes Start-up mit Hilfe von Mikroben CO2 in Diesel oder Ethanol verwandeln. Im Labor ist das bereits gelungen.

Als Noubar Afeyan, CEO des US-Investors Flagship Ventures, beschloss, den perfekten Kraftstoff aus erneuerbaren Rohstoffen zu erfinden, wusste er, wo er ansetzen wollte. Wenn Biokraftstoffe letztlich nur in einem komplizierten chemischen Verfahren aus den Grundstoffen Kohlendioxid und Wasser entstehen, warum dann noch Biomasse wie Mais oder Algen zu ihrer Herstellung verwenden? Die ist im Prinzip nur eine Zwischenstufe bei der Verwandlung von Kohlendioxid und Wasser in Sprit. Eine verzichtbare Zwischenstufe, wie Afeyan fand.

„Wir wollten wissen, ob es möglich ist, CO2 direkt in den Kraftstoff unserer Wahl zu verwandeln“, sagt Afeyan. Die vorläufige Antwort lautet: ja. Jedenfalls laut Joule Biotechnologies, der Firma, die Afeyan gründete. Deren Forscher haben inzwischen die Gene von verschiedenen Mikroorganismen so verändert, dass sie zu einer Art photosynthetischem Reaktor werden. Indem sie die Energie für ihren Stoffwechsel aus dem Sonnenlicht beziehen, verwandeln sie das Treibhausgas CO2 in Ethanol oder Diesel. Das habe zuvor noch niemand geschafft, erklärt die Firma selbstbewusst.

Die Mikroben züchtet Joule Biotechnologies in Photobioreaktoren, die ohne Frischwasser-Zufuhr funktionieren. Im Vergleich zu anderen Biomasse-basierten Reaktoren belegen sie, gemessen am Output, viel weniger Fläche. In Laboranlagen ist es der Firma gelungen, die Einzeller kontinuierlich Kraftstoff produzieren zu lassen. Afeyan schätzt, dass dieses Verfahren pro Hektar 100 Mal so viel Ethanol produzieren kann wie die Vergärung von Maisstärke. Im Vergleich zum Fermentieren von pflanzlichen Abfällen sei die Ausbeute immer noch zehn Mal so hoch. Natürlich vergisst Afeyan nicht zu erwähnen, dass er Produktionskosten für möglich hält, die denen fossiler Kraftstoffe entsprechen.

Sollte er Recht behalten, könnten Biokraftstoffe, deren soziale und ökologische Auswirkungen sich als äußerst problematisch herausgestellt haben, doch noch eine ernstzunehmende Alternative werden. Bei herkömmlichen Biokraftstoffen ist der Flächenertrag begrenzt: Maisethanol etwa benötigt zu viel Ackerland und Wasser für den Anbau von Mais. Biokraftstoffe der zweiten Generation, die auch Zellulose-haltige pflanzliche Abfälle verarbeiten können, verbrauchen zwar weniger Fläche und Wasser. Aufgrund mehrerer teurer Prozessschritte ist ihr Potenzial aber ebenfalls begrenzt. Deshalb, so eine Schätzung der Internationalen Energie-Agentur, sei damit zu rechnen, dass derart hergestelltes Ethanol oder Biodiesel 2050 nicht mehr als ein Viertel des Weltkraftstoffbedarfs abdecken könnte.

Eine der wichtigen Veränderungen in den Mikroorganismen von Joule Biotechnologies ist ein genetischer Schalter, der das Wachstum einschränkt. Die Einzeller können sich nur ein paar Tage vermehren, um danach sämtliche Energie in die Kraftstoffproduktion zu stecken. Während andere Firmen möglichst viele Bakterien oder Hefen produzieren wollten, versuche er, „so wenig Biomasse wie möglich herzustellen“, sagt Afeyan.

Im Nachhinein erscheint dieser Ansatz logisch. Auch Synthetic Genomics, ein Start-up, das Biotech-Koryphäe Craig Venter mitgegründet hat, und eine Gruppe am Biotechnik-Institut der Universität von Minnesota wollen mittels Mikroben Sprit direkt aus CO2 erzeugen. Joule Biotechnologies hofft, das Rennen zu gewinnen, weil es sowohl die Einzeller als auch die Photobioreaktoren entwickelt, damit beide perfekt zusammenpassen.

Diese Strategie ist aber riskant. Viele Start-ups würden antreten, etwas ganz Neues zu machen, sagt James Collins, Biomediziner an der Universität Boston und wissenschaftlicher Berater von Joule Biotechnologies. „Aber dann versuchen sie bald, etwas hinzubekommen, das in erster Linie funktionieren soll, und das ist dann oft etwas Bekanntes.“

Afeyan hingegen treibt seine Firma dazu an, innovativ zu bleiben. Im Sommer soll die Zeit der Labor-Experimente vorbei sein. Dann soll die Arbeit in einer richtigen Pilotanlage in Texas beginnen.

Afeyan, nicht nur Investor, sondern auch promovierter Chemieingenieur, weiĂź um die Schwierigkeiten, ein neues Verfahren auch wirtschaftlich und skalierbar zu machen. Um das finanzielle Risiko zu verringern, entschied er sich fĂĽr einen modularen Prozess, der ohne groĂźe und teure Demonstrationsanlagen auskommt.

„Ich behaupte nicht, dass das einfach ist, dazu bin ich zu lange im Geschäft“, versichert Afeyan. Er glaubt aber daran, dass Joule Biotechnologies der große Wurf gelingen könnte. „Wir haben alle Komponenten beisammen, um eine Technologie zu schaffen, die viel verändern kann.“ (nbo)