Das Runde und das Eckige -- die Fußball-EM im Internet

Vom morgen an rollt der Ball in den zehn portugiesischen Europameisterschafts-Stadien.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 157 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von

Von morgen an rollt der Ball in den zehn portugiesischen Europameisterschafts-Stadien. Zahllose Fußballfans werden das Geschehen weltweit verfolgen -- am heimischen Fernseher, vor dem Radio und im Internet. Im Netz ist das Angebot wohl am größten: Auf offiziellen Seiten werden Ergebnisse, Berichte und Analysen geliefert, auf privat geführten Homepages bloggen und kommentieren sich die Fans durch das fast vierwöchige Geschehen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in Frankfurt plant auf seinen Seiten ein Angebot, das sich mit dem zur Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea vor zwei Jahren vergleichen lässt. "Die Spiele werden von einem Liveticker begleitet, deutsche Nationalspieler werden zu Interviews und Chats eingeladen", erläutert Gerhard Meier-Rhön, Kommunikationsdirektor beim DFB. Zum Standardprogramm gehört die Berichterstattung von den Spielen der Völler-Elf, zudem Spielanalysen von ausgewählten anderen Partien. "Frankreich gegen England wird in der Vorrunde so ein Spiel sein."

Zudem werden Pressekonferenzen aufgezeichnet und können in einem so genannten Highlight-Schnitt als Videostream abgerufen werden. Gleiches soll mit Interviews mit den Nationalspielern passieren. Gechattet wird zu ausgewiesenen Zeiten. Dabei werden die Fragen schon im Vorfeld gesammelt und dann an den Spieler weitergereicht. Die Mitschnitte der Chats sollen ebenfalls im Netz zur Verfügung stehen. ARD und ZDF haben sich übrigens exklusiv die Rechte gesichert, nach Abpfiff Zusammenfassungen einzelner Europameisterschaftsspiele als Videostreams auf ihren Webseiten Sport.ARD.de und ZDF.de übertragen zu dürfen.

Der DFB rechnet während der EM mit weitaus mehr Verkehr auf seinen Seiten als zu Bundesligazeiten. "Zur WM hatten wir rund 50 Millionen Seitenabrufe", sagt Meier-Rhön. Allerdings hat vor zwei Jahren die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Asien den Seiten große Zuwachsraten beschert -- denn viele Fußballbegeisterte verfolgten die Spiele am Büro-PC.

Weil Tippspiele im Internet boomen, können Nutzer unter Kicktipp.de auch Tippgemeinschaften gründen und auf den neuen Europameister setzen. Doch die Fans des runden Leders konsumieren und wetten nicht nur, sie kommentieren auch: In zahlreichen Web-Logs, Tagebucheinträgen und Kommentaren auf Blogger-Seiten, wird die Meisterschaft das zentrale Thema sein. "Über euro2004.blogg.de werden alle Seiten erreicht, auf denen zum Thema EM gebloggt wird", sagt Nico Lumma, Projektleiter des Portals "blogg.de" in Hamburg. Auf den rund 8400 gezählten deutschsprachigen Blogger-Seiten rechnet er dabei allerdings nur mit mäßig steigenden Seitenabrufen: "Wie viele Kommentare will man neben dem Spielbericht zu einem Spiel lesen?"

Dabei gibt es eigentlich in der Blogger-Welt nichts, das nicht diskutiert wird -- einzelne Surfer werden dabei zum Knotenpunkt, von dem Meinungen ausgehen, der aber auch selbst auf interessante andere Logs oder Seiten verlinkt. "Darunter werden sicher auch ein paar Fußball-Fans sein", sagt Lumma.

Vor Kommentaren, besonders bei schlechten Spielen der deutschen Mannschaft, kann sich Dirk Storck mitunter gar nicht mehr retten. Er sammelt die -- nicht immer ganz ernst gemeinten -- Meinungen auf seiner Fußball-Seite, die unter Blutgraetsche.de zu erreichen ist. "Hier können die Fans ihre Meinung zur EM sagen und auch harsche Kritik üben, wenn es sein muss", sagt der Programmierer aus Duisburg. Zwar will er kein gesondertes Programm zur EM fahren, dennoch rechnet er mit vielen Beiträgen. "Besonders wenn Deutschland spielt oder andere Aufsehen erregende Sachen in Portugal passieren."

Zur WM 1998 hatte Storck seine Seite eingerichtet, die bei Fußball-Fans auch während der Bundesliga-Saison Kultstatus genießt. "Das ist ein Gegenentwurf zur aktuellen Berichterstattung", erklärt Storck. Alle geschriebenen Beiträge gehen allerdings vor der Veröffentlichung durch seine Hände. "Bei der Menge muss man auch schon mal Beiträge ablehnen, weil einfach die Qualität nicht mehr stimmt." Und auch wenn das Programm zur EM nicht speziell erweitert wird -- die geschätzten Rubriken "Held der Woche" und "Sack der Woche" werden sicher mit Spielern im Nationaltrikot ausgefüllt. (Verena Wolff, dpa) / (Andreas Wilkens, c't) / (jk)