Europäisches Patentamt hält Kurs bei Softwarepatenten

Die Große Beschwerdekammer der Münchner Behörde sieht keinen Grund zur Korrektur von Entscheidungen zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen".

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Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) sieht keinen Grund zur Korrektur von Entscheidungen über Softwarepatente der niederen Instanzen der Münchner Behörde. Wie aus einem am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Beschluss (PDF-Datei) hervorgeht, hat die Berufungsinstanz die
Vorlage einer Reihe von Fragen rund um die Praxis der Institution zur Erteilung gewerblicher Schutzrechte für "computerimplementierte Erfindungen" als nicht zulässig abgelehnt. Die bald aus dem Amt scheidende EPA-Präsidentin Alison Brimelow wollte mit der nun negativ beschiedenen Anrufung der Großen Beschwerdekammer den Kurs der Behörde bei der Vergabe von Patenten auf Computerprogramme auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls mit den rechtlichen Vorschriften in Einklang gebracht wissen.

Stein des Anstoßes: Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) schließt "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" beziehungsweise Software "als solche" in Artikel 52 von der Patentierbarkeit aus, da diese genauso wie ästhetische Formschöpfungen, mathematische Methoden oder Verfahren für gedankliche Tätigkeiten nicht als technische Erfindungen zu bezeichnen seien. Die technischen Beschwerdekammern des EPA legen diese Klausel allerdings seit Jahrzehnten so aus, dass sie Monopolansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" zulassen. So gehen sie etwa bei der "Verbesserung des Kontrastes" eines Bilds oder bei der effizienteren Aufteilung von Arbeitsspeicher durch eine auf einem Computer laufende Software von einem "technischen Effekt" aus, der schutzwürdig sein könne. Kritiker schätzen die Zahl der auf diesem Schleichweg vergebenen Softwarepatente auf mehrere Zehntausend und pochen auf eine restriktivere Anwendung des EPÜ.

Die Große Beschwerdekammer räumte nun ein, dass diese Angelegenheit
"Gegenstand einer hitzigen Debatte" sei. Von einem einheitlichen Verständnis
der Linie zwischen Computerprogrammen als solchen und Anwendungen
patentierbarer technischer Lösungen "kann man noch nicht ausgehen", heißt es
in der Entscheidung. Gerichtliche Urteile würden sich aber einander
annähern, verweist die Kammer etwa auf ein umstrittenes Urteil des
Bundesgerichtshofs zu "Steuereinrichtungen für Untersuchungsmodalitäten".
Die "fundamentale Bedeutung des allgemein angesprochenen Themas der Fragen" sei daher "zweifelsfrei" festzustellen.

Weiter erkennen die führenden Rechtsexperten des Patentamtes an, dass es
voneinander abweichende Richtungsentscheidungen Technischer
Beschwerdekammern in den Fällen T424/03 und T1173/97 gegeben habe, bei denen es um Auseinandersetzungen um einen Microsoft-Anspruch auf die Datenübertragung mit erweiterten Clipboard-Formaten beziehungsweise um ein IBM-Patent auf ein Resynchronisierungsverfahren ging. Dabei handle es sich aber um eine "legitime Entwicklung des Fallrechts", sodass ein Einschreiten nicht erforderlich sei. Es sei insgesamt ein "ausgefeiltes System" entwickelt
worden, um den "erfinderischen Schritt" einzuschätzen und dieses nun vor
allem zur Anwendung kommende allgemeine Kriterium zum Ausschuss nicht
patentierbarer Entwicklungen einzusetzen.

Die Große Beschwerdekammer folgte so prinzipiell Eingaben von
Konzernen wie Siemens, die im Rahmen einer durchgeführten Konsultation
Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Zuführung des Falls an die
Berufungsinstanz angemeldet hatten. Softwarepatent-Gegner zeigten sich in
ersten Reaktionen enttäuscht von dem nach 18 Monaten Prüfzeit ergangenen
Beschluss. Das EPA stelle sich über das Recht, twitterte etwa Jan Wildeboer von Red Hat. Vertreter des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur sehen die nationalen Gesetzgeber gefordert, ein Ende der Erteilung von Softwarepatenten zu veranlassen. (Stefan Krempl) (odi)