Single-Dasein

40 Jahre Yamaha SR 500

Nicht einmal Yamaha hätte der simplen, einzylindrigen SR 500 im Jahr 1978 21 Jahre Erfolg auf dem deutschen Markt und eine riesige Fangemeinde zugetraut. Die Retro-Welle hat ihre Beliebtheit jetzt wieder angefacht

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Yamaha SR 500 14 Bilder
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Inhaltsverzeichnis

Eigentlich kam die Yamaha SR 500 viel zu spät. Als sie 1978 als Straßenvariante der bereits seit zwei Jahren erfolgreichen Enduro XT 500 erschien, huldigten die japanischen Motorradmarken bereits dem Leistungswahn und überboten sich gegenseitig mit Zylinder- und PS-Zahlen. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet der Einzylinder 21 Jahre lang auf dem deutschen Markt angeboten wurde und es zu einem Kultstatus gebracht hat, der auch nach 40 Jahren ungebrochen ist.

Natürlich sollte die SR 500 damals schon den Stil der englischen Bikes der 1960er-Jahre kopieren, aber sie schaffte das mit einer zeitlosen Eleganz. Der Motor trägt seine Kühlrippen zur Schau, ein tropfenförmiger Tank thront auf einem schwarz lackierten Einschleifen-Stahlrohrrahmen, sie bietet eine Sitzbank, die ihren Namen noch verdient, rollt auf Drahtspeichenfelgen und leuchtet aus einem großen, runden Scheinwerfer. Mehr braucht es nicht, um jeden Retro-Fan für sich einzunehmen. Heute wird für einigermaßen gut erhaltene Exemplare der einst weit verbreiteten SR – für „Single Road“ – das Mehrfache des damaligen Neupreises bezahlt.

Grundsolide Technik

Das hübsche Aussehen der SR 500 war natürlich mitverantwortlich für die Begeisterung der Käufer, ein anderer Grund war die grundsolide Technik. Es gab kaum etwas, das ein auch nur halbwegs versierter Hobby-Schrauber nicht selber reparieren konnte. Der 499 cm3 große, luftgekühlte Einzylinder mit zwei Ventilen und einer oben liegenden Nockenwelle leistete eigentlich 33 PS, wurde jedoch in Deutschland wegen der günstigeren Versicherungsklasse meist mit 27 PS zugelassen. In den späten 1980er-Jahren erstarkte die SR 500 vorübergehend auf serienmäßige 33 PS, bevor sie 1991 auf 23 PS reduziert wurde.

Im Vergleich zur XT 500 erhielt die SR 500 schon von Beginn an eine kontaktlose, elektronische Zündung und eine 12-Volt-Stromversorgung. Ein Mikuni-VM34SS-Vergaser (XT 500: Mikuni VM32SS) versorgte den Brennraum mit Benzin-/Luftgemisch und die Kurbelwelle besaß mehr Schwungmasse. Der Motor lief mit einer Trockensumpfschmierung und der Ölvorrat war im oberen Rahmenrohr untergebracht. Auch die Rahmenrohre waren für das Straßenmotorrad verstärkt worden.

Dampfhammer

Die SR 500 hatte in englischsprachigen Gefilden bald den Spitznamen „Thumper“, zu deutsch: Dampfhammer, weg, wegen ihres kräftigen Drehmoments schon bei geringen Drehzahlen. Der kurzhubig ausgelegte Motor bot bereits bei 3500/min sein maximales Drehmoment von 37 Nm. Dazu kam aus dem verchromten Auspuffrohr ein herrlich sonorer Sound. Sogar die Vibrationen hielten sich in erfreulichen Grenzen. Weil sich der Motor nur per Kickstarter zum Leben erwecken ließ, erwarb sich die SR 500 rasch einen Ruf als Männermotorrad – völlig zu Unrecht, da auch viele Damen unter den SR 500-Besitzern waren. Bei der Begeisterung des schöneren Geschlechts für die SR 500 spielte sicher auch die niedrige Sitzhöhe von 805 mm auf der bequemen Sitzbank eine wichtige Rolle.

Dabei hatte es Yamaha den Fahrern eigentlich sehr einfach gemacht und ihnen sogar einen Dekompressionshebel sowie ein Schauglas am Zylinderkopf spendiert. Wer die korrekte Prozedur einhielt, wurde mit raschen Starterfolg selbst bei kaltem Motor belohnt: Choke ziehen, Kickstarter treten bis ein Widerstand fühlbar und somit der Kolben am oberen Totpunkt angelangt war (unsichere Naturen konnten das im kleinen Schauglas am Zylinderkopf kontrollieren), Dekohebel ziehen, den Kolben per Kickstarter mit Gefühl über den OT drücken und dann mit Schwung zutreten. Bei erfahrenen SR 500-Piloten lief der Einzylinder auf den ersten Tritt. Erzählungen, dass der zurückschlagende Kickstarter dem Fahrer vom Motorrad katapultiert hätte, gehören ins Märchenreich.

Handlichkeit statt Power

Es waren mit Sicherheit nie die Fahrleistungen, die die Faszination der SR 500 ausmachten. Mit 27 PS quälte sich der Single auf echte 135 km/h Topspeed, selbst die offene 33-PS-Version schaffte nur knapp über 140 km/h, aber darauf kam es bei der SR 500 nie an. Der Spaß lag im früh anliegendem Drehmoment und in der spielerischen Handlichkeit, die Ausfahrten auf kurvigen Landstraßen zum Vergnügen machten. Mit einem Leergewicht von 171 Kilogramm bei vollem Tank hatte die SR 500 auch nicht viel Masse zu beschleunigen. Der Motor erwies sich als langlebig, regelmäßige Wartungsarbeiten vorausgesetzt. Allerdings musste man spätestens nach 40.000 Kilometern mit einem Tausch des Kolbens rechnen, bei den ersten Baujahren sogar noch deutlich früher.

Stetige Detailverbesserung

Die SR 500 wurde im Laufe ihrer Bauzeit immer wieder im Detail verbessert. 1984 löste das Modell mit dem internen Code 48T die 2J4 ab. Vor allem die Standfestigkeit des Motors wurde verbessert. Leichtere Kolben und eine Nockenwelle mit 0,5 Millimeter mehr Hub optimierten die Leistungsentfaltung. Im Jahr 1987 kam ein 14 statt 12 Liter großer Tank zum Einsatz, ab 1989 erhielt die SR 500 einen Mikuni-BST34-Vergaser. 1991 machten dann strengere Abgas- und Geräuschvorschriften eine Drosselung des Motors auf 23 PS notwendig. Ab 1992 gab es die SR 500 nur noch mit Trommelbremse am Vorderrad. Ein kleineres 18-Zoll-Rad (davor 19 Zoll) sollte die Handlichkeit der SR 500 steigern und der Durchmesser des Scheinwerfers schrumpfte ebenso wie die Breite des Lenkers. Eine wirklich sehr umfangreiche Zusammenstellung von Informationen gibt es auf der Webseite von Andreas Ganzera.

1999 kam die letzte SR 500 nach Deutschland. Aber das war nicht das Ende des beliebten Einzylinders, denn in Japan genoss er schon damals Kultstatus, so dass Yamaha ihn weiterhin als SR 400 mit kürzerem Hub, aber gleicher Bohrung produzierte. Im Land der Aufgehenden Sonne reduziert der Stufenführerschein den Hubraum für Anfänger auf 400 cm3, und es rissen sich dort auch weiterhin viele Motorradnovizen um die schöne Yamaha.

Als vor einigen Jahren die Retro-Welle anrollte, entschloss sich Yamaha 2014, die SR 400 mit 23 PS auch in Europa wieder anzubieten. Sie war in kürzester Zeit ausverkauft. Drei Jahre später schob allerdings die Euro4-Norm dem weiteren Verkauf des luftgekühlten Vergasermotors einen Riegel vor.

Heute Kult

Insgesamt wurden in Deutschland 38.328 Yamaha SR 500 bis 1999 zugelassen. Erstaunlich viele davon haben bis heute überlebt, wie die rege Fan-Szene beweist. Angekurbelt wurde der Hype um die SR 500 natürlich von der wieder erwachten Liebe zu altem Design. Zahlreiche Umbauten der Einzylinder-Yamaha zu Café Racern, Scramblern und Flat Trackern zeugen von ihrer immer noch ungebrochenen Faszination. Ihre einfache Technik macht es Customizern leicht, die SR in ungewöhnliche Stile zu verwandeln.

So baute der bekannte Motorrad-Designer Jens vom Brauck sie zusammen mit den Hamburger SR 500- und XT 500-Spezialisten von KEDO zu dem sehr hübschen Scrambler „D-Track“ um, der in Fachkreisen weltweit für Aufsehen sorgte. Obwohl Jens vom Brauck von vielen Motorradmarken Entwicklungsaufträge erhält, hat er zur Yamaha SR 500 eine ganz besondere Beziehung: Es war sein erstes Motorrad und er besitzt sie immer noch, inzwischen mit gut 300.000 Kilometer auf dem Tacho, und fährt mit ihr regelmäßig zur Arbeit.