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Beim Diesel mit Direkteinspritzung leistete Audi Pionierarbeit

Audi: 20 Jahre TDI-Technik

Technik ggo

1989 ging Audis erster Dieselmotor mit Direkteinspritzung in Serie. Es war der Anfang der steilen Karriere eines Motorprinzips, das einmal als laut und lahm galt. Doch jetzt sind neue Herausforderungen zu bewältigen

Ingolstadt, 26. November 2009 – Der Dieselmotor hat´s derzeit nicht leicht. Nachdem er sich über Jahrzehnte vom lahmen Kompromiss­antrieb zum sportlichen Sparer entwickelt hat, scheint sein zuletzt guter Ruf angekratzt. Erst war der Ruß schuld, bald könnten ihm auch seine prinzipbedingt hohen Stickoxidemissionen zum Verhängnis werden. Sicher: Was an Abgasnachbehandlung notwendig ist, um den Diesel auf das Niveau von Benzinern zu bringen, kostet viel Geld. Nach wie vor aber sind moderne Dieselmotoren so sparsam, dass sie beim CO2-Ausstoß deutlich besser abschneiden. Wie es für den Diesel weitergeht, wird davon abhängen, zu welchem Preis seine Emissionsnachteile in den Griff zu bekommen sind.

Der direkte Weg

Wenn nun Audi "20 Jahre TDI-Motoren" feiert, ist das auch ein Rückblick auf eine Zeit rasanter Fortschritte in der Diesel­motoren­entwicklung. Audi war zwar nicht das einzige Unternehmen, das sich bei der Entwicklung des Dieselmotors mit Direkteinspritzung Verdienste erworben hat. Die ersten, die versucht haben, den DI-Diesel im Pkw zu bändigen, waren nämlich Fiat und Rover, freilich ohne durch­schla­gen­den Erfolg. Das Problem: Im Unterschied zu einer Vorkammer- oder Wirbelkammereinspritzung war der direkte Weg in die Brennkammer zunächst mit viel Lärm und Vibrationen verbunden.

Audi startet durch

1989 war es dann so weit, Audi stellt mit dem 2.5 TDI im Audi 100 sein erstes Serienmodell mit Diesel-"Direkteinspritzer" vor – Anlass für das Unternehmen, jetzt ein kleines Jubiläum zu verkünden. Eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h und der Verbrauch von 5,7 Liter nach damals gültiger Norm waren zu dieser Zeit beeindruckend. Dass die hervorragende Aerodynamik des Audi 100 mithalf, war für den Hersteller umso besser. Audi 100 und TDI: Das war so etwas wie der Start für ein neues Verständnis der Marke, modern und techno­­logie­­getrieben.

Audi: 20 Jahre TDI-Technik

Schreck nach der Ölkrise

Ein Audi-Mitarbeiter, der die Anfänge mitbekommen hat, ist Richard Bauder, heute Chef der Dieselmotoren-Entwicklung in Neckarsulm, damals als junger Ingenieur in die Anfänge eingebunden. Er berichtet davon, wie aus seiner Sicht 1976 unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 der Startschuss fiel. Man habe damals versucht, einen Verbrennungsmotor mit möglichst wenig Verbrauch zu entwickeln. "Wir haben alle denkbaren Konzepte untersucht, bis hin zum Zweitakt-Diesel, und dabei unterschiedliche Einspritz- und Brennverfahren analysiert und weiterentwickelt. Einer unser großen Durchbrüche war der Zweifeder-Düsenhalter in der Einspritzdüse – er hat die Voreinspritzung einer kleineren Kraftstoffmenge erlaubt. Damit wurde die Verbrennung weicher und die Akustik besser".

Treuer Reisekumpan

Wie er hätten sicherlich einige Mitarbeiter und damals Verantwortliche Erstaunliches darüber zu berichten, wie der DI-Diesel immer wieder ein Stückchen besser wurde und schnell den Weg in weitere Modelle fand. So sorgte ab 1991 der vierzylindrige 1.9 TDI im Audi 80 für Vortrieb. Er war mit seinen 90 PS schon damals ein beliebtes Autobahngefährt, mit dem sich herrlich preisgünstig lange Strecken zurücklegen ließen. Vier Jahre später folgte eine neue Ausbaustufe mit 110 PS. Neu dabei war vor allem der Turbolader mit einer variablen Turbinengeometrie, bei Dieselmotoren mittlerweile ein etabliertes Mittel zur Vermeidung einer Anfahrschwäche. Er sorgt dafür, dass auch schon bei niedrigen Drehzahlen genügend Ladedruck aufgebaut wird.

Was zählt, ist Druck

1993 hatte Audi sein gesamtes Programm auf TDI umgestellt. 1994 folgte ein Fünfzylinder mit 140 PS, 1997 der erste V6-TDI und 1999 der erste V8-TDI, 2000 der erste Pumpe-Düse-Motor und 2001 der kleine Dreizylinder-Diesel für den Audi A2. Bereits zu dieser Zeit deutete sich eine Entwicklung an, die aus heutiger Sicht das Schicksal des Diesels bestimmen wird: Nachdem zunächst, auch bei der Konkurrenz, die Verteiler-Einspritzpumpe [1] üblich war, stiegen Audi und VW bei ihren Massenmotoren auf Pumpe-Düse [2] um. Das Prinzip mit einer eigenen Einspritzpumpe für jeden Zylinder hatte vor allem den Vorteil, höhere Drücke erzeugen zu können – Voraussetzung für eine feine Zerstäubung und gute Verbrennung. "Was zählt, ist Druck", hörte man jahrelang manche Entwickler sagen.

Audi: 20 Jahre TDI-Technik

Kurze Karriere von Pumpe-Düse

So stolz seine Entwickler auf Pumpe-Düse auch waren, das System konnte sich letztlich nicht halten, wie wir heute wissen. Praktisch die gesamte Konkurrenz setzte auf Common-Rail, wie sämtliche Marken im Volkswagen-Konzern heute auch. Das Einspritzsystem mit der "gemeinsamen Leitung" hat den Vorteil, dass der Einspritzvorgang aus einem Hochdruckspeicher gespeist wird – dadurch sind die Einspritzvorgänge fast beliebig steuerbar.

Beim nockengesteuerten Pumpe-Düse-System dagegen steht hoher Druck nur in einem kurzen Zeitfenster zur Verfügung, die Möglichkeiten für zusätzliche Einspritzvorgänge sind eingeschränkt. Dass per Common-Rail mittlerweile auch Drücke von über 2000 bar möglich sind, hat Pumpe-Düse letztlich obsolet gemacht. Wahrscheinlich ist man heute bei Audi und den Schwestermarken ganz froh über den Schwenk zu Common Rail. Es erlaubt ruhigeren Lauf, geringere Rohemissionen – und die Belastung des Steuertriebs sinkt, weil an den Zylinderköpfen keine Pumpen sitzen, die mechanisch angetrieben werden müssen.

Technische Klimmzüge

Dieser Umstand führte übrigens zwischenzeitlich zu originellen technischen Lösungen: In jüngeren Pumpe-Düse-Motoren verbaute der Volkswagen-Konzern leicht ovale Zahnräder für den Riementrieb, weil dieser auch die Nockenwelle für die Einspritzpumpen betätigt. Sie sollten durch gezielte Gegenkräfte die mechanischen Kräfte reduzieren, welche durch den Antrieb der "scharfen" Nocken für die Pumpe-Düese-Elemente auftreten. Natürlich muss auch die Pumpe für Common-Rail irgendwie angetrieben werden, hier fallen aber wegen der kontinuierlichen Förderung die Lastspitzen weg.

Schnelligkeit zählt

Mittlerweile haben sich im Volkswagen-Konzern und somit auch bei Audi die Vorlieben verändert: Bei jüngeren Konstruktionen wie dem aktuellen 2.0 TDI CR geht es viel feinsinniger zu: Die Common-Rail-Einspritzung in Verbindung mit Piezo-Einspritzelementen erlaubt ein extrem schnelles Einspritzen auch kleiner Kraftstoffmengen in den Brennraum. Mehrfach abgesetzte Vor-, Haupt- und Nacheinspritzungen sind kein Problem mehr, was unter anderem die Optimierung der Rohemissionen deutlich vereinfacht. Piezo-Kristalle dehnen sich beim Anlegen einer Spannung blitzartig aus. Ein Sandwich von mehreren hundert Piezo-Plättchen ermöglich genügend Hub, um diesen auf die Einspritz-Düsennadel zu übertragen. Interessanterweise gab es im Konzern, vor allem bei den großen V-Motoren von Audi, die Common-Rail-Einspritzung auch schon vorher.

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Vom Sport geadelt

Die Technikfortschritte beim Diesel in den vergangenen 20 Jahren bei Audi klingen in der Tat beeindruckend: 900 bar Einspritzdruck habe man seit 1989 gewonnen, sei jetzt bei 2000 bar angelangt. Die spezifische Leistung sei um 100 Prozent gestiegen, das Drehmoment um 70 Prozent. Zudem seien de Emissionen um 98 Prozent gesunken. Auch dass einmal ein Diesel-Renner das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewinnen würde – und dies gleich dreimal in Folge, hätten vor 20 Jahren sicherlich viele nicht für möglich gehalten.

Emissionswettrennen

Dennoch stehen bei Audi und anderswo die Ingenieure vor einer gewaltigen Herausforderung. Bis 2014, wenn die Euro 6 in Kraft treten soll, müssen sie den Stickoxidausstoß der Dieselmotoren auf 0,08 g/km reduzieren. Bei Euro 5 gilt 0,18 g/km und bei der Euro 4 ein Wert von 0,25 g/km NOx als Grenzwert. Das wird aber auch weitgehend die bisher ungleiche Behandlung von Otto- und Dieselmotoren beseitigen, die bis dahin 0,06 g/km NOx ausstoßen sollen. Bis zur Euro 5 hatten die Gesetz­geber den Diesel in dieser Hinsicht recht deutlich bevorzugt, dabei natürlich technische Gegebenheiten berücksichtigt.

Um diese Werte zu erreichen, werden sich die Entwickler noch mehr ins Zeug legen. Eine Maßnahme sind Drucksensoren, die den Druck bei der Verbrennung direkt im Brennraum messen. Ein solches Konzept stellte Konzernmutter Volkswagen schon 2008 [3] auf dem Wiener Motorensymposium vor. Die Drucksensoren ermöglicht eine noch feinere Austarierung des Verbrennungsvorgangs und somit nochmals geringere Rohemissionen. Ein weiteres und bereits gängiges Mittel ist die Reduktion der Stickoxide aus dem Abgas mithilfe von Harnstoff – bekannt geworden als AdBlue. Das Verfahren wandelt die Stickoxide größtenteils in Stickstoff und Wasser um.

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Bewährungsprobe

Nutzt man diese Möglichkeiten, lässt sich ein Dieselmotor hinsichtlich seiner Emissionen weitgehend auf das Niveau eines Benziners bringen. Der in der Praxis geringere CO2-Ausstoß von Dieselmotoren könnte dann vielleicht doch wieder das Interesse an ihm steigen lassen. Sein Dilemma zeigt sich freilich beim Blick in die Preislisten: Etwa 1500 Euro Aufpreis kostet ein Dieselmotor heute etwa, manchmal mehr. Zusätzliche technische Maßnahmen, um ihn zum "Clean Diesel" zu machen, verschärfen den Kostendruck. So tritt der Dieselmotor, ob er will oder nicht, in Konkurrenz zu einfach ausgelegten Hybrid­antrieben. Fairerweise muss man aber auch dazu sagen, dass gerade die Hybridisierung [4] Dieselmotoren wieder günstiger machen könnte. Es sei noch einmal Richard Bauder zitiert, der in der Fachzeitschrift zur Feier von "150 Jahre Rudolf Diesel" in der Fachzeitschrift MTZ lapidar sagte: "In dem Spannungsfeld zwischen den neuen Turbo-Otto­motoren [5], den Gasmotoren und dem Otto-Hybridantrieb muss sich der Dieselmotor bewähren."

Ressourcenpflege

Es wäre zu einfach, den Diesel abzuschreiben. Zwar sind die geradezu rasanten Fortschritte der vergangenen 20 Jahre schwer zu wiederholen, dagegen spricht zum Beispiel, dass im Motor bereits heute ein hohes Druckniveau erreicht ist und auch Werkstofftechnik an ihre Grenzen stößt. Mittlerweile ist aber vielen auch klar geworden [6], dass rein elektrische Antriebsalternativen so schnell nicht erschwinglich werden. Vorläufig kommt es also darauf an, mit den knappen Ressourcen pfleglich umzugehen – so darf man (nicht nur) den Audi-Ingenieuren bei weiteren Fortschritten in der Diesel-Entwicklung gutes Gelingen wünschen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-869115

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.motorlexikon.de/?I=1552
[2] http://www.motorlexikon.de/?I=9127
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/BlueTDI-Saubermann-fuer-Amerika-449647.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Kommt-der-Dieselhybrid-792119.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Druck-Erzeugnis-Hubraum-ist-doch-zu-ersetzen-457002.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/RWE-Elektroautos-Stromern-ist-nicht-billig-863244.html