Baden-Württemberg: Streit über ÖPNV-Finanzierung

Das vom Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) initiierte Gutachten zu neuen Finanzierungsinstrumenten für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) stößt beim Koalitionspartner CDU auf Ablehnung

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  • dpa

Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, sieht im ÖPNV einen Baustein für nachhaltige Mobilität. Doch müsste er für die Bürger attraktiver sein, meint sein Ressort.

(Bild:  https://winnehermann.de/cms/pressefotos/ )

Das vom baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) initiierte Gutachten zu neuen Finanzierungsinstrumenten für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) stößt beim Koalitionspartner CDU auf Ablehnung. Die Fraktion hält es für überflüssig, weil es für eine spätere Umsetzung keine politischen Mehrheiten gebe. Der Ansatz Hermanns sei „alter Wein in neuen Schläuchen“ und laufe auf nicht akzeptable Zwangsabgaben für den Bürger, insbesondere für Pendler hinaus, sagte CDU-Verkehrsexperte Thomas Dörflinger heute, am 22. März 2018.

Das bereits ausgeschriebene Gutachten soll aus Sicht des Verkehrsministeriums ausloten, wie der ÖPNV attraktiver werden kann und welche neuen Finanzierungsmöglichkeiten dafür in Frage kommen. Für diese Expertise sucht das Verkehrsministerium nun Modellkommunen und hat dabei Stuttgart, Mannheim, Heidelberg, Tübingen, Reutlingen und Bad Säckingen im Auge. Diese Gemeinden sowie die Verkehrsverbünde und Kommunalverbände erhielten entsprechende Einladungen. Ziel sei es, mit drei Kommunen zusammenzuarbeiten.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßte hingegen das Projekt, weil mit dem Fokus auf neue Finanzierungsinstrumente Neuland betreten werde. Mit den klassischen Finanzierungsarten – Steuermittel, Quersubventionierung, Ticketeinnahmen – sei man an Grenzen gestoßen, sagte VCD-Landeschef Matthias Lieb. „Es ist sinnvoll, hier zu experimentieren.“

In dem der dpa vorliegenden Schreiben des Verkehrsministeriums heißt es, die Fahrpreise für den ÖPNV seien in den vergangenen 25 Jahren durch stagnierende öffentliche Mittel und eine wachsende Finanzierung durch die Nutzer stärker gestiegen als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Neue Arten der Finanzierung seien erforderlich.

In einer bereits abgeschlossenen Grundlagenuntersuchung kristallisierte sich laut Ministerium ein sogenannter Mobilitätsausweis als beste Lösung heraus. Er berechtigt zur Nutzung von ÖPNV-Angeboten. Wer mit dem Auto in die Stadt fährt, müsste diesen Ausweis ebenfalls erwerben. Damit würden zusätzliche Einnahmen erzielt, um das Angebot auszubauen und zu günstigen Tarifen anzubieten. Die Grünen schlagen das für Stuttgart unter dem Label Nahverkehrsabgabe vor. Für eine Umsetzung der Nahverkehrsabgabe müsste Landesrecht geändert werden.

Die finanziellen Effekte eines solchen Ausweises – Höhe der Erlöse oder Verwaltungsaufwand – sollen nun beispielhaft berechnet werden. Dabei sind drei Stoßrichtungen möglich: Neben der Nahverkehrsabgabe ein für alle Einwohner verpflichtendes Bürgerticket oder eine Gebühr für Straßennutzung. Die Teilnahme ist für die Städte kostenlos. Sie müssen Daten sowie einen Ansprechpartner bereitstellen.

Die Expertise wird nach Überzeugung von CDU-Mann Dörflinger aber wirkungslos bleiben. Ein Ausbau des ÖPNV müsse etwa über vom Bund bezuschusste Tickets und mehr Steuermittel erfolgen. Die Stadt Stuttgart hingegen signalisierte Interesse: „Wir wollen da mitmachen“, sagte eine Sprecherin.

Der Städtetag hält die geplante Berechnung für sinnvoll. Sie dürfe aber nicht darauf hinauslaufen, dass landesweit eine Citymaut oder Nahverkehrsabgabe eingeführt werde. „Entscheidungen treffen immer noch die Gemeinderäte“, sagte Susanne Nusser, Verkehrsdezernentin beim Städtetag.

Zu unterscheiden von diesem Programm ist die Bundesförderung für Tests von Maßnahmen zur Luftreinhaltung unter anderem in den Modellstädten Herrenberg, Reutlingen und Mannheim. Überdies existiert ein milliardenschweres „Sofortprogramm saubere Luft“, mit dem die Bundesregierung Fahrverbote vermeiden will. 24 Städte mit besonders hoher Stickoxidbelastung können laut Städtetag potenziell davon profitieren. (fpi)